Pflegschaft

Pflegschaft

Pflegschaft ist die auf einzelne Angelegenheit oder einen besondern Kreis von Angelegenheiten einer Person oder einer Vermögensmasse gerichtete staatlich geregelte Fürsorge. Im Gegensatze zu ihr ist die Vormundschaft (s. d.) eine allgemeine, die Person und das Vermögen einer geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person betreffende Fürsorge. Die P. tritt also da ein, wo aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine bestehende elterliche Gewalt oder Vormundschaft nicht ausgeübt, bez. nicht eingesetzt werden kann. Für sie gelten im allgemeinen die gleichen Vorschriften wie für die Vormundscha ft (s. d.). Sobald der Grund der P. wegfällt, ist sie vom Vormundschaftsgericht aufzuheben (§ 1919). Zur Ausübung der P. wird vom Vormundschaftsgericht eine hierzu geeignete Persönlichkeit, der sogen. Pfleger, bestellt. Man unterscheidet nachstehende Arten der P.: 1) Ersatzpflegschaft, die für eine unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft stehende Persönlichkeit einzusetzen ist, zur Besorgung von Angelegenheiten, welche die Eltern oder der Vormund aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht besorgen kann. Dies wäre z. B. der Fall, wenn die Eltern oder der Vormund erkrankt oder abwesend, oder wenn sie gegen das Kind oder den Mündel einen Prozeß führen wollen (Bürgerliches Gesetzbuch, § 1909). 2) Gebrechlichkeitspflegschaft liegt vor, wenn einem Volljährigen, der infolge körperlicher Gebrechen (taub, stumm, blind) seine Angelegenheiten nicht versorgen kann und zur Besorgung seiner Angelegenheiten einen Pfleger erhält. Diese P. darf jedoch, falls Verständigung möglich, nur mit Einwilligung des Gebrechlichen angeordnet werden und ist auf seinen Antrag wieder aufzuheben (§ 1910 u. 1920). Sie endigt kraft Gesetzes mit Erledigung der betreffenden Angelegenheit, für deren Besorgung sie angeordnet wurde (§ 1919). 3) Abwesenheitspflegschaft wird für einen abwesenden Volljährigen, dessen Aufenthalt unbekannt oder dessen Rückkehr unbestimmt ist, zur Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten angeordnet, soweit eine Fürsorge sich nötig erweist (§ 1901). 4) Leibespflegschaft wird für eine Leibesfrucht zur Wahrung ihrer künftigen Rechte eingesetzt, falls sich eine Fürsorge notwendig erweist. In erster Linie steht diese Fürsorge jedoch den Eltern zu, falls das Kind, wenn es bereits geboren wäre, unter elterlicher Gewalt stehen würde. Sie endigt mit der Geburt des Kindes (§ 1912 und 1918). 5) P. für unbekannte Beteiligte ist einzusetzen, falls unbekannt oder ungewiß ist, wer bei einer Angelegenheit beteiligt ist (z. B. wer bei einem Unglücksfall beteiligt ist) und zwar auch hier nur sofern und inwieweit eine Fürsorge erforderlich ist (§ 1913). 6) P. für öffentlich gesammeltes Vermögen ist anzuordnen, falls ein durch öffentliche Sammlungen zusammengebrachtes Vermögen vorhanden ist, die Personen aber weggefallen sind, die zu dessen Verwaltung und Verwendung berufen waren (§ 1914). 7) Nachlaßpflegschaft, s. Nachlaßverwaltung. Zur Anordnung der P. ist das Vormundschaftsgericht, falls bereits eine Vormundschaft über die betreffende Person anhängig ist, zuständig, sonst das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Person ihren Wohnsitz und Aufenthaltsort hat, die Verwaltung des gesammelten Vermögens sich befindet. Hält es das Gericht für notwendig, so hat der Pfleger eine Sicherungshypothek auf seinen Liegenschaften eintragen zu lassen, durch welche die P. vor eventuellem Schaden, den der Pfleger zu tragen hätte, geschützt wird. – Unter Pfleger versteht man vielfach auch eine Person, die zur Verwaltung einer Stiftung oder eines Stiftungsvermögens aufgestellt ist, d.h. Kirchenpfleger, Gemeindepfleger etc. Vgl. Bürgerliches Gesetzbuch, § 1909 ff., und Reichsgesetz in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 37 ff., und die bei Vormundschaft angegebene Literatur.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Pflegschaft — Pflegschaft,die:⇨Vormundschaft …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • Pflegschaft — Die Pflegschaft ist ein Instrument im deutschen Rechtssystem, das geschaffen wurde, um bei einem konkreten Bedarf einer oder mehrerer natürlicher Personen einen gesetzlichen Vertreter zu bestellen, der für den oder die Betroffenen handeln kann,… …   Deutsch Wikipedia

  • Pflegschaft — Kuratel; unter Aufsicht; Vormundschaft; Schutz; Patenschaft; Gönnerschaft * * * Pfleg|schaft 〈f. 20; unz.〉 behördlich angeordnete Vormundschaft od. Vermögensverwaltung * * * Pfleg|schaft, die; , en (Rechtsspr.): Besorgung vo …   Universal-Lexikon

  • Pflegschaft, die — Die Pflêgschaft, plur. die en, 1) Die Pflege, als ein Abstractum und ohne Plural, so wohl so fern dasselbe Verwaltung, Handhabung bedeutet, als auch so fern es Erziehung und Unterhaltung bezeichnet. 2) Eine der Pflege, d.i. Aufsicht eines andern …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Pflegschaft — gesetzlich geregelte und staatlich beaufsichtigte Fürsorge für die Person oder das Vermögen eines Menschen für bestimmte einzelne Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten. Die dem Schutzbedürftigen beigegebene Person heißt… …   Lexikon der Economics

  • Pflegschaft — Pfleg|schaft (Rechtssprache) …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Pfleger — ⇡ Pflegschaft, ⇡ Nachlasspflegschaft …   Lexikon der Economics

  • Leibesfruchtpflegschaft — Die Pflegschaft ist ein Instrument im deutschen Rechtssystem, das geschaffen wurde, um bei einem konkreten Bedarf einer oder mehrerer natürlicher Personen einen gesetzlichen Vertreter zu bestellen, der für den oder die Betroffenen handeln kann,… …   Deutsch Wikipedia

  • Gerhab — Unter Vormundschaft versteht man a) die gesetzlich geregelte rechtliche Fürsorge für eine unmündige Person (das so genannte Mündel), der die Geschäftsfähigkeit fehlt, sowie für deren Vermögen b) im Mittelalter den Kirchenvorstand (die Vormünder)… …   Deutsch Wikipedia

  • Vormund — Unter Vormundschaft versteht man a) die gesetzlich geregelte rechtliche Fürsorge für eine unmündige Person (das so genannte Mündel), der die Geschäftsfähigkeit fehlt, sowie für deren Vermögen b) im Mittelalter den Kirchenvorstand (die Vormünder)… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”