- Orendel
Orendel, eine Spielmannsdichtung, wohl aus der ersten Hälfte des 13. Jahrh., die aber auf ein Original von etwa 1190 zurückgeht, in der eine altgermanische Sage (von der auch im Norden: in der prosaischen »Edda« und bei Saxo Grammaticus, sich Spuren erhalten haben) und eine christliche Legende verschmolzen sind. Die Einleitung des Gedichts erzählt die Geschichte des heiligen Rockes, der nach verschiedenen Abenteuern von einem Walfisch verschlungen wird. O. ist der Sohn des Königs Eigel von Trier und will um die schöne Bride, die Herrm des Heiligen Grabes, werben. Mit 22 Schiffen fährt er aus, leidet Schiffbruch, kommt zu dem Fischer Eise und fängt in dessen Dienste den Walfisch, der den heiligen Rock verschlungen hat. Dieser macht seinen Träger unverwundbar; O. heißt von da an nur der »Graurock«. Er besteht zahlreiche Abenteuer und erwirbt Brides Hand. Eine Engelsbotschaft ruft ihn nach Trier, wo er neue Abenteuer besteht und den heiligen Rock in einen Steinsarg legt. Ihm und seiner Gemahlin wird durch einen Engel ihr baldiger Tod verkündigt, worauf sie der Welt entsagen. Das Gedicht ist nur in einer Handschrift des 15. Jahrh. und in einem Druck von 1512 erhalten (hrsg. durch v. d. Hagen, Berl. 1844; von Ettmüller, Zürich 1858; von Berger, Bonn 1888; übersetzt von Simrock, Stuttg. 1845). Vgl. Harkensee, Untersuchungen über das Spielmannsgedicht von O. (Berl. 1879); Vogt in der »Zeitschrift für deutsche Philologie«, Bd. 22, S. 468–491 (Halle 1890); Heinzel, Über das Gedicht vom König O. (Wien 1892); Meyer, Zum O. (in der »Zeitschrift für deutsches Altertum«, Bd. 37, Berl. 1893); Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde, Bd. 1, S. 32 ff. (2. Aufl., Berl. 1890).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.