- Näherrecht
Näherrecht (Retrakt, Einstand, Geltung, Losung, Nähergeltung, Zugrecht), das dingliche Recht an einem fremden Grundstück, kraft dessen eine Person (der Retrahent, Nähergelter) beim Verkauf des Grundstücks seitens des Eigentümers an einen Dritten gegen Erfüllung der von dem Dritten übernommenen Verpflichtungen die Übereignung des Grundstücks an sich selbst fordern kann, also eine Art Vorkaufsrecht (s. Kauf, S. 765–766). Der älteste Fall, in dem das heutzutage fast gänzlich unpraktische N. zur Anwendung kam, ist die sogen. Erblosung (Retractus gentilitius), nämlich dasjenige N., das den gesetzlichen Erben des Verkäufers in Ansehung eines sogen. Erbgutes zustand, d.h. eines von den beiderseitigen Vorfahren ererbten Gutes. Diesem sind dann verschiedene Arten des Näherrechts nachgebildet worden, so die Mark- oder Landlosung (Territorialretrakt, Bürgerretrakt, Retractus ex jure incolatus), das dem Anlieger eines Grundstückes bei dessen Verkauf an einen andern gegebene Nachbarnrecht (Nachbarlosung, Retractus ex jure vicinitatis); das Gespilderecht (Teillosung, Jus congrui), d.h. das N. des Besitzers einer Liegenschaft in Ansehung von Grundstücken, die früher mit den erstern zu einem Ganzen vereinigt waren; das Ganerbenrecht (Kondominalretrakt, Retractus ex jure condominii), das den Miteigentümern eines Grundstückes in Ansehung ihrer Anteile daran wechselseitig zustand; endlich das N. des Gutsherrn bei Veräußerung von Bauerngütern und des Lehnsherrn sowie der Lehnsfolger bei Veräußerungen des Lehnsgutes durch den Vasallen (Lehnsretrakt, Retractus feudalis), der selbst bei zulässigen oder durch Konsenserteilung gültig gewordenen Veräußerungen stattfindet. In allen diesen Fällen konnte aber das N. nur vermöge eignen Rechts geltend gemacht werden, eine Zession desselben war nicht zulässig; auch konnte das N. nur gegen Erstattung des Kaufpreises, der Kaufkosten und des etwaigen Aufwandes, den der Käufer bereits auf das Grundstück gemacht, ausgeübt werden. Die moderne Gesetzgebung hat das N. bis auf wenige Überreste beseitigt. Vgl. auch Vorkaufsrecht.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.