- Achromatismus
Achromatismus (Achromasie, griech., »Farblosigkeit«), Ablenkung des weißen Lichtes durch Prismen und Linsen ohne Zerlegung desselben in seine farbigen Bestandteile. Die durch ein Prisma abgelenkten und zu einem Spektrum ausgebreiteten Sonnenstrahlen werden durch ein zweites ganz gleiches Prisma, dessen Schneide nach der entgegengesetzten Seite gewendet ist, wieder an ihre ursprüngliche Stelle zurückgelenkt und zusammengeschoben, so daß statt des Spektrums ein weißer Lichtfleck in der Richtung der einfallenden Strahlen erscheint. Um nur die Farbenzerstreuung, nicht aber auch die Ablenkung aufzuheben, müßte das zweite Prisma für sich allein ein ebenso langes Spektrum entwerfen, dasselbe aber weniger ablenken als das erste. Nun gibt ein Flintglasprisma ein etwa doppelt so langes Spektrum wie ein Kronglasprisma, wenn der Winkel an der Kante bei beiden gleich groß ist, jedoch bei weitem nicht die doppelte Ablenkung. Ein Flintprisma, dessen Winkel etwa halb so groß ist wie derjenige des Kronprismas, bringt daher zwar ein ebenso langes Spektrum, aber eine beträchtlich geringere Ablenkung hervor als dieses und wird, mit ihm in entgegengesetzter Lage vereinigt, die Farbenzerstreuung desselben beseitigen, die Ablenkung dagegen nicht völlig aufheben. Die Vereinigung beider Prismen bildet ein achromatisches (farbloses) Prisma, das auf dem Schirm einen zur Seitegelenktenweißen Lichtfleck erzeugt. Ähnliches gilt für Linsen. Infolge der ungleichen Brechbarkeit verschiedenfarbiger Strahlen faßt eine gewöhnliche Sammellinse die Strahlen, die von einem Punkt ausgehen, nicht wieder genau in einem Punkte zusammen; die stärker gebrochenen blauen Strahlen vereinigen sich in einem der Linse näher gelegenen, die weniger brechbaren roten erst in einem entferntern Punkte. Die Bilder, die eine solche Linse entwirft, sind nicht scharf begrenzt, sondern von farbigen Säumen umgeben (Farbenabweichung, chromatische Aberration), und man gelangte daher erst zu wirklich brauchbaren Linsenfernrohren, als es gelungen war, Linsen ohne Farbenabweichung (achromatische Linsen) zu verfertigen.
Um die Farbenzerstreuung einer Sammellinse aus Kronglas (A B der Figur) aufzuheben, bringt man unmittelbar hinter sie eine Zerstreuungslinse aus Flintglas (C D), die nur eine halb so große Ablenkung, aber die gleiche Farbenzerstreuung wie jene hervorbringt, und zwar beides in entgegengesetztem Sinne wie jene. Der weiße Lichtstrahl L wird von der Kronglaslinse in einen Farbenfächer ausgebreitet, dessen roter Strahl die Achse in p, dessen violetter Strahl sie in v trifft. Durch die Flintglaslinse werden die Strahlen wieder von der Achse so weggelenkt, daß sie, zu einem weißen Strahl vereinigt, die Achse in dem Punkte p´ schneiden. Die beiden Linsen miteinander vereinigt, bilden eine achromatische Linse. Durch das Zusammenwirken der Kron- und der Flintglaslinse erzielt man die Vereinigung zweier bestimmter Strahlen des Spektrums, z. B. des roten Strahles, welcher der Fraunhoferschen Linie B entspricht, und des violetten Strahles G. Wären in den Spektren des Kron- und des Flintglases die zwischenliegenden Farben in denselben Verhältnissen ihrer Abstände verteilt, so würden auch diese Strahlen sich mit jenen beiden genau vereinigen und einen vollkommen farblosen Bildpunkt geben. Dies ist jedoch nicht der Fall, und daher bleibt noch eine geringe Farbenzerstreuung übrig, die man als sekundäres Spektrum bezeichnet. Abbe und Schott in Jena haben optische Gläser hergestellt, deren Spektren proportionale Farbenverteilung zeigen und vollkommen farblose Linsenbilder liefern. Man nennt solche besonders zu Mikroskopobjektiven verwendete Linsen apochromatisch.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.