Schwabenspiegel

Schwabenspiegel

Schwabenspiegel, deutsches Rechtsbuch, in den Handschriften bis zum 15. Jahrh. als »Land- und Lehnrechtsbuch«, seitdem auch als »Kayserrecht«, »Spiegel kayserlichen und gemeinen Landrechts«, im 17. Jahrh. als S. bezeichnet. Der S. ist in oberdeutscher Mundart von einem unbekannten Verfasser geschrieben. Die Entstehung des Rechtsbuches ward mit Recht von Ficker und andern um 1275 angesetzt; Rockinger dagegen verlegt die erste Abfassung in das Jahr 1259 nach Bamberg, eine Überarbeitung vor Ende 1265 nach Würzburg. Die Hauptquelle des Schwabenspiegels ist der »Sachsenspiegel«, der jedoch nicht unmittelbar, sondern in derjenigen Umarbeitung benutzt wurde, die sich »Spiegel aller deutschen Leute« benennt. Dieser »Deutschenspiegel«, der erst 1857 in der Innsbrucker Universitätsbibliothek wieder aufgefunden wurde, ist entstanden zwischen 1235 und 1268; er folgt in der Hauptsache dem Sachsenspiegel, beseitigt aber die auf Sachsen bezüglichen Stellen und manches, was antiquiert erschien. Dagegen enthält er bis zu Buch II, Art. 12, § 13, Zusätze aus dem römischen und kanonischen Recht, aus den Reichsgesetzen und dem Augsburger und Freiburger Stadtrecht, der Kaiserchronik, der Bibel und aus andern Quellen. Von jener Stelle an ist der Deutschenspiegel meist eine flüchtige, oft inkorrekte hochdeutsche Übersetzung des Sachsenspiegels. Der S. folgt nur im ersten Teile des Landrechts dem Deutschenspiegel ziemlich genau; im zweiten Teile desselben und im Lehnrecht ist er frei; er benutzt römisches und kanonisches Recht, fränkische Reichsgesetze, alemannisches und bayrisches Volksrecht, Aufzeichnungen des Augsburger Stadtrechts, die Bibel, Predigten u. a. Der S. will das in ganz Deutschland geltende Recht darstellen, hat aber öfter Beziehungen auf Schwaben. Wie der Sachsenspiegel, erlangte er auch im Ausland maßgebendes Ansehen in den Gerichten und ward ins Lateinische, Französische und Tschechische übersetzt. Auf der Grundlage des Schwabenspiegels verfaßte der Fürsprech Ruprecht von Freising für die Stadt Freising ein Rechtsbuch, von 1328; ungefähr zu gleicher Zeit wurde der S. für das Land Freising zu einem Landrechtsbuch verarbeitet; beide wurden im 15. Jahrh. zu einem Rechtsbuche vereinigt und waren namentlich von Einfluß auf das Recht bayrischer Städte (Münchener Stadtrecht) und das Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern. Die ersten Ausgaben des Schwabenspiegels, ohne Orts- und Jahresangabe, reichen bis in das 15. Jahrh. zurück. Die erste mit Datum versehene ist von 1480. Kritisch gesichtet sind erst die Ausgaben von Laßberg (Tübing. 1840) und von Wackernagel (Zürich 1841). Eine Handausgabe mit Wörterbuch besorgte Gengler (2. Aufl., Erlang. 1875). Das Lehnrecht mit einem guten Kommentar ist enthalten in Schilters »Codex juris alemannici feudalis« (1696, 1728). Vgl. Ficker, Zur Genealogie der Handschriften des Schwabenspiegels (Wien 1862) und Über die Entstehungszeit des Schwabenspiegels (das. 1874); Rockinger, Berichte über die Untersuchung von Handschriften des sogen. Schwabenspiegels (bis jetzt 16 in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie) und Über die Abfassung des kaiserlichen Land- und Lehnrechts (Münch. 1888–89); Haiser, Zur Genealogie der Schwabenspiegelhandschriften (Weim. 1876–77, 2 Hefte). Eine kritische Ausgabe wird von Rockinger vorbereitet. Der Deutschenspiegel wurde von Ficker (Innsbr. 1859) herausgegeben, das Rechtsbuch Ruprechts von Freising von G. L. v. Maurer (Stuttg. 1839).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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