- Riementrieb
Riementrieb (Riemenräderwerk), Verbindung von Rädern (Scheiben, Riemenscheiben) durch einen umgelegten, endlosen Riemen (Treibriemen) derart, daß eine Bewegungs- und Kraftübertragung zwischen diesen und den zugehörigen Wellen (Achsen) möglich ist. Der R. gehört zu den indirekt wirkenden Reibungsrädergetrieben. Es wird sowohl der Riemen von der treibenden Scheibe als auch die getriebene Scheibe von dem Riemen durch Reibung mitgenommen. Damit der Riemen auf dem Scheibenumfange nicht gleitet, muß der Reibungswiderstand zwischen Riemen und Scheibenumfang gleich oder größer sein als die zu übertragende Tangentialkraft am Scheibenumfange (Umfangskraft). Zur Erzeugung der nötigen Reibung wird in der Regel der Riemen beim Aufbringen auf die Scheiben gedehnt, wodurch infolge seiner Elastizität Spannungen wachgerufen werden (R. mit Dehnungsspannung). In Fig. 1 u. 2 sei A die treibende, B die getriebene Scheibe; die Drehung erfolge in der Pfeilrichtung. Dann heißt c d ziehender oder führender, e f gezogener oder geführter Riementeil (Riementrum). Die Spannung im ziehenden Riementeil ist um die zu übertragende Umfangskraft größer als im gezogenen Riementeil. Das Verhältnis der Spannungen in den beiden Riementeilen ist abhängig von dem Reibungskoeffizienten (s. Reibung) zwischen Riemen und Scheibenumfang und von dem kleinern der beiden Zentriwinkel a, die den von dem Riemen umspannten Bogen entsprechen, außerdem von der Wirkung der Zentrifulgalkraft auf den Riemen.
Günstig für die Spannungsverhältnisse sind ein großer Reibungskoeffizient und große umspannte Bogen. Die nötige Spannung im Riemen wird in manchen Fällen auch durch eine Spannrolle erzeugt, die unter dem Einfluß einer Gewichts- oder Federbelastung steht und, wie in Fig. 3, gegen den Riemen drückt, oder auch in andrer Weise angeordnet sein kann (R. mit Belastungsspannung). Von zwei zusammengehörigen Scheiben ist gewöhnlich mindestens die eine am Umfange schwach gewölbt (ballig) gestaltet. Bei balliger Scheibe hat der Riemen das Bestreben, sich immer in der Scheibenmitte zu halten, wodurch der Gefahr des Ablaufens des Riemens von der Scheibe wirksam begegnet wird. Bezüglich des Übersetzungsverhältnisses s. Rädergetriebe.
Nach der gegenseitigen Lage der durch einen Riemen zu verbindenden Wellen und auch nach sonstigen Verhältnissen und Erfordernissen richtet sich die Anordnung des Riementriebes. Für parallele Wellen ergibt sich der offene Riemen (oder auch R.), wenn dieser einfach ringförmig um die Scheiben gelegt ist (Fig. 1), der gekreuzte Riemen, wenn er sich zwischen den Scheiben kreuzt, also die Form einer 8 bildet (Fig. 4). Bei offenem Riemen drehen sich beide Scheiben in gleichem Sinne, bei gekreuztem in entgegengesetztem Sinne. Kreuzen sich die in verschiedenen Ebenen liegenden Wellen, so erhält man den geschränkten Riemen (Fig. 5). Bei dieser Anordnung hält sich der Riemen nur dann auf den Riemenscheiben, wenn bei jeder Scheibe das auslaufende Trum des Riemens in der Scheibenebene liegt. Das ist in jedem bestimmten Fall aber nur bei einer Drehrichtung möglich, so daß der geschränkte R. nicht wie die vorigen eine Änderung der Drehrichtung gestattet. Als halbgeschränkt wird der Riemen bezeichnet, wenn die Scheibenebenen einen rechten Winkel bilden. Offene, gekreuzte und geschränkte Riemen heißen selbstleitend im Gegensatz zu allen andern Riementrieben, bei denen der Riemen sich nur mit Hilfe von Leitrollen auf den Scheiben halten kann (R. mit Leitrollen). Fig. 6 (1,1 sind die Leitrollen) zeigt ein Beispiel eines solchen Riementriebes für sich schneidende Wellen.
Auch für die Anordnung der Leitrollen gilt die Regel, daß der auslaufende Riementeil in die Scheiben-, bez. Leitrollenebene fallen muß.
Bei weitem am häufigsten von allen Riementrieben wird der offene Riemen verwendet, sei es zur Kraftübertragung von Motoren auf Transmissionswellen, zur Verbindung von Transmissionswellen, zum Antrieb von Arbeitsmaschinen etc. Der R. kann dadurch aus- und eingerückt werden, daß man den Riemen abwirft oder wiederauslegt, doch wendet man diese Art der Ausrückung zweckmäßig nur da an, wo das Aus- und Einrücken selten geschieht. Da das Auflegen und Abwerfen des Riemens mit der Hand nicht ungefährlich ist, so benutzt man zur Vermeidung von Unglücksfällen bei diesen Verrichtungen häufig einen besondern Riemenaufleger, der in seiner einfachsten Form aus einer Stange mit seitlichem Arm besteht. Wo, wie z. B. bei dem Antrieb von Werkzeugmaschinen von einer Transmissionswelle aus, ein häufiger Wechsel von Anhalten und Wiederingangsetzen erforderlich ist, bringt man sehr oft eine Ausrückvorrichtung in der Weise an, daß man auf der einen Welle neben einer zur Kraftübertragung bestimmten, mit der Welle fest verbundenen Riemenscheibe (festen Scheibe, Festscheibe) eine lose. drehbare Scheibe (Losscheibe, lose Scheibe, Leerscheibe) anordnet und der Scheibe der andern Welle eine entsprechende (doppelte) Breite gibt. Durch Überleiten des Riemens mittels einer Riemengabel (Riemenführer, Riemenausrücker) von der festen auf die lose Scheibe oder umgekehrt, kann die getriebene Welle nach Belieben zum Stillstand gebracht oder in Bewegung versetzt werden. Wendet man hier zwei feste Scheiben mit dazwischenliegender Losscheibe an, deren eine der Maschine eine rechts gehende Bewegung und deren andre ihr eine links gehende Bewegung erteilt, so hat man ein Wendegetriebe (s. d.). Soll die Umdrehungszahl der getriebenen Welle wechseln, so versieht man beide Wellen mit nebeneinander sitzenden Riemenscheiben von verschiedenem Durchmesser (Stufenscheiben) in solcher Anordnung, daß die größern Scheiben der einen Welle den kleinern Scheiben der andern Welle gegenüberliegen. Eine stetige Veränderlichkeit der Geschwindigkeit erhält man bei Anwendung von konoidischen Trommeln (Riemenkonusse, Riemenkonoide, s. Wechselgetriebe).
Breite und Dicke des Riemens sind von der zu übertragenden Kraft und von der Festigkeit des Riemenmaterials abhängig. Als solches kommt vorwiegend Leder aus Ochsenhäuten in Betracht. Diese liefern Streifen von etwa 1,5 m Länge, aus denen die Treibriemen durch Nähen oder Leimen zusammengesetzt werden. Sehr breite Riemen sind auch der Breite nach zusammengesetzt. Einfache Riemen sind bis 8 mm dick. Dickere Riemen werden aus zwei oder drei miteinander verbundenen Lagen hergestellt (Doppelriemen, dreifache Riemen). Man kann auch zwei Riemen lose übereinander laufen lassen. Gliederriemen sind nach Art der Gelenkketten aus einzelnen Laschen von Leder hergestellt. Riemen werden ferner gefertigt aus Hanf, Baumwolle (Hanfgurt, Baumwollgurt oder -Band, Hanfgurttrieb, Baumwollbandtrieb), Gummi, Haaren, Draht etc. Die Riemenenden werden zweckmäßig durch Zusammennähen oder vermittelst sogen. Riemenschlösser verbunden. Letztere sind niet-, schrauben-, klammer- oder schnallenförmige Verbindungsstücke, deren sehr mannigfaltige Konstruktionen zwar die Riemenverbindung erleichtern, jedoch im Betrieb sich gewöhnlich mehr oder minder nachteilig erweisen. Den Kranz der Riemenscheiben macht man etwas breiter als den Riemen. Die Scheiben bestehen aus Gußeisen, Schmiedeeisen, seltener aus Holz oder Papiermasse. Gußeiserne und schmiedeeiserne Scheiben bestehen aus einem dünnen Kranz, der durch Arme oder Speichen mit der Nabe verbunden ist. Schmiedeeiserne Scheiben sind leichter als gußeiserne. Scheiben aus Holz sind aus mehreren Stücken zusammengeleimt und -geschraubt. Vgl. Reuleaux, Der Konstrukteur (4. Aufl., Braunschw. 1899); Bach, Maschinenelemente (9. Aufl., Stuttg. 1903, 2 Bde.); Keller, Berechnung und Konstruktion der Triebwerke (3. Aufl., Münch. 1898); Rebber und Pohlhausen, Berechnung und Konstruktion der Maschinenelemente (6. Aufl., Mittweida 1905).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.