Rechenvirtuosen

Rechenvirtuosen

Rechenvirtuosen (Schnellrechner), Personen, die verwickelte Rechnungen ungewöhnlich schnell ausführen. Bis zu einem gewissen Grad eignet sich wohl jeder praktische Rechner diese Fähigkeit an, wobei für das auf den Verkehr bezügliche (kaufmännische) Rechnen die sogen. welsche Praktik gute Dienste leistet. Es wird aber schon aus dem Altertum von einzelnen Männern berichtet, die in dieser Hinsicht Erstaunliches und geradezu Rätselhaftes leisteten (Simonides aus Keos, Hippias aus Elis u. a.); und die neuere Zeit hat eine Reihe ähnlicher Beispiele geliefert. Teils waren diese R. zugleich mehr oder weniger bedeutende Mathematiker, wie Ampère, Arago, Bailly, Bidder und Gauß, teils zeigte sich die virtuose Fähigkeit bei mathematisch ungeschulten oder gar mathematisch schwerfälligen Menschen, selbst bei Kindern und schlichten Landleuten. So hatte Tom Fuller (the Virginia calculator, gest. 1790) nie lesen und schreiben gelernt. Andre, wie Richard Whately (1787–1863, Erzbischof von Dublin), Zerah Colburn (1804–40), verloren bei fortschreitender allgemeiner Bildung die wunderbare Fertigkeit des kindlichen Alters. In Deutschland machte das größte Aufsehen Zacharias Dase (s. d.) aus Hamburg (1824–61), der nach einem Blick angab, wie viele Bände in einem Bücherborte standen, wieviel Schafe eine Herde zählte etc., aber auch verwickelte Rechnungen in unglaublich kurzer Zeit rein im Kopf ausführte. Ähnlich Hörkens, der seine staunenswerten Leistungen etwas später öffentlich vorführte und sein Verfahren dabei auseinandersetzte. In den letzten Jahrzehnten wurden besonders als R. genannt und bewundert Jacques Inaudi (geb. 1867 in Onorato, Piemont) und Ferrol (geb. 1864 in Heidelberg). Der psychologische Zusammenhang des innern Vorganges ist bei den R. um so schwieriger nachzuweisen, da einige angeben, sich ihres Verfahrens überhaupt nicht klar bewußt zu sein, andre sich auf triebartig geübte Anschauung, wieder andre auf mnemotechnische Hilfsmittel (s. Gedächtniskunst) bei guter Gedächtnisanlage (Ferrol) oder gar auf solche Kunsthilfen bei an sich schwachem Gedächtnis (Hörkens) berufen. Vgl. E. W. Scripture, Arithmetical prodigies (in »The American Journal of Psychology«, IV, 1, 1891); Möbius, Über die Anlage zur Mathematik (Leipz. 1900); Hörkens, Leitfaden der Gedächtniskunst (46. Aufl., Elberf. 1898). Weitere Literatur besonders in den angeführten Werken von Möbius und Scripture.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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