Quecksilbervergiftung

Quecksilbervergiftung

Quecksilbervergiftung (Merkurialismus, Hydrargyriasis, Hydrargyrosis, Hydrargyrismus), Vergiftung durch Quecksilber und dessen Salze, die in der Technik und in der Medizin vielfach Verwendung finden, auch nicht ganz selten zu Mord- und Selbstmordzwecken benutzt werden. Akute Q. wird meist hervorgebracht durch Sublimat, das zur Ungeziefervertilgung, zur Wund- und Körperhöhlenausspülung, auch in vielen technischen Betrieben benutzt wird. Es verursacht zunächst starke Reizung in Mund, Speiseröhre und Magen mit weißen, festhaftenden Schorfen, sehr bald folgen die Zeichen der Allgemeinvergiftung, nämlich Speichelfluß und Mundentzündung, geschwürige Darmentzündung und Diphtherie des Dickdarms, Nierenentzündung, die mit Eiweißausscheidung verläuft und zum völligen Versagen der Nierenfunktion führen kann, schließlich Herzlähmung, die schon nach einer halben Stunde aus gebildet sein kann. Zur Bekämpfung wird der Magen ausgespült und Milch und Eiweißwasser als Getränk gegeben. Q. kommt hauptsächlich bei Hüttenarbeitern, Spiegelbelegern, Thermometer- und Barometermachern, Hutmachern, Kürschnern, Gürtlern, Feuervergoldern, Glasbläsern, Chemikern vor. Geringe Grade von Q. werden bei fast jeder Quecksilberkur beobachtet, erreichen aber bei der nötigen Vorsicht nie einen schädlichen Grad. – Unter den Erscheinungen steht obenan die Mundentzündung mit Speichelfluß, übelm Geruch des Mundes und Mundschleimhautgeschwüren; weiter erscheinen Verdauungsstörungen mit erheblicher Abmagerung, große Reizbarkeit und Erregung (Erethismus mercurialis), unaufhörliches Zittern der Glieder, Neuralgien, Schlaflosigkeit, Nierenentzündungen. Bei längerer Dauer führt die chronische Q. zu einem qualvollen Tode. – Die Verhütung der chronischen Q. ist Sache der Fabrikhygiene. In der Spiegelindustrie in Fürth wurden bis zur Mitte der 1880er Jahre fast alle Spiegelarbeiter quecksilberkrank; seit aber die vereinigten Fabrikanten sich zu freiwilligen Schutzeinrichtungen bereit finden ließen, ist Q. mit Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorgekommen. 1889 erschien die staatliche Verordnung über Einrichtung und Betrieb der Spiegelbeleganstalten in Preußen, Bayern, Baden, wurde aber in der Folge teilweise abgeschwächt. – Die Behandlung der Q. verlangt völlige Sistierung der Quecksilbereinfuhr in den Körper, sorgfältige Mundreinigung mit chlorsaurem Kali, gute Luft, reizlose Ernährung. Jodkalium gilt als Spezifikum gegen die Q., bis zu einem gewissen Grad auch Schwefelbäder, z. B. in Aachen. Vgl. Kußmaul, Untersuchungen über den konstitutionellen Merkurialismus (Würzb. 1861); Hermann, Über die Wirkung des Quecksilbers auf den menschlichen Organismus (Berl. 1878); Kaufmann, Die Sublimatintoxikation (Bresl. 1888); Leutert, Über die anatomischen Veränderungen durch Sublimatintoxikation (Berl. 1895).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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