- Panslawismus
Panslawismus, das Einheitsstreben der slawischen Stämme (Russen, Ruthenen, Tschechen, Wenden, Slowaken, Kroaten, Slowenen, Serben, Bosnier, Bulgaren u.a.), das infolge ihrer örtlichen und staatlichen Zersplitterung, ihrer religiösen Spaltung, ihrer teilweisen Unterdrückung durch fremde Herrschaft in hervorragenden Geistern, besonders der westlichen Slawenstämme, im 4. Jahrzehnt des 19. Jahrh. erwachte. Eine literarische geistige Vereinigung der Slawen wurde zuerst angeregt durch den Slowaken Johann Kollár (s. d. 1), fand besondern Anklang bei den Tschechen und führte zu einer ersten Manifestation des P. in dem Slawenkongreß zu Prag im Juni 1848. Die panslawistischen Ideen wurden dann von Agitatoren in Österreich weiter gepflegt, auch nach Rußland verpflanzt, wo sie anfangs einen republikanisch-sozialistischen Anstrich annahmen, und durch die russischen Slawophilen (s. d.) Aksakow, Katkow u.a. in Rußland eifrig befördert, das, damals der einzige selbständige slawische Staat und die meisten Slawen umfassend, sich, zunächst allerdings nur in Zeitungen und Vereinen, zum Protektor aller Slawen aufwarf und bei der ethnographischen Ausstellung in Moskau im Mai 1867 von zahlreichen Deputationen slawischer Stämme auch als solcher gefeiert wurde; nur die Polen schlossen sich entschieden aus. Seitdem haben die panslawistischen Tendenzen einer politischen Einigung aller Slawen unter russischer Ägide in Rußland immer mehr Anklang und in der Moskauer Wohltätigkeitsgesellschaft ein Zentrum gefunden als ein Mittel zur Förderung ihrer politischen Pläne, und besonders in der orientalischen Frage tritt Rußland nicht mehr bloß als Beschützer der griechischen Christen, sondern auch als der Hort der Slawen auf. Seitdem durch den österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 die Slawen in Österreich politisch zurückgedrängt wurden, suchten auch die österreichischen Slawen, besonders die Tschechen, ihren Mittelpunkt in Rußland, dessen Kaiser »Kaiser aller Slawen« genannt wird, und wo die Panslawisten hoffen, daß einst »alle slawischen Bäche ins russische Meer fließen« werden.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.