Nathnsĭus

Nathnsĭus

Nathnsĭus, 1) Gottlob, Industrieller, geb. 30. April 1760 in Baruth, gest. 23. Juli 1835 in Althaldensleben bei Magdeburg, lern le in Berlin bei einem Kleinhändler, konditionierte seit 1784 in dem Handelshaus Sengewald zu Magdeburg, wurde später Teilhaber (Richter u. N.), dann alleiniger Besitzer des Hauses und brachte es, namentlich durch Errichtung einer Tabakfabrik 1787, zu hoher Blüte. Nach Wiedereinführung des Tabakmonopols wurde er königlicher Generalfabrikdirektor, legte aber diese Stelle bald nieder und führte später die Fabrik, die bis dahin als Kronfabrik fortbestanden hatte, bis 1807 wieder auf eigne Rechnung. Er kaufte dann das Kloster Althaldensleben und das Gut Hundisburg und begründete hier neben musterhaftem landwirtschaftlichen Betrieb Brauereien und Branntweinbrennereien, Öl-, Graupen-, Kartoffel- etc. Mühlen, eine Obstkelterei, Zuckerfabrik, Ziegelei, Steingut- und Porzellanfabrik. Von seinen Sohnen wurde der älteste 1840, die übrigen vier 1861 geadelt.

2) Hermann Engelhard von, Tierzüchter, Sohn des vorigen, geb. 9. Dez. 1809 in Magdeburg, gest. 29. Juni 1879 in Berlin, studierte Naturwissenschaften, übernahm 1830 das Gut Hundisburg, führte edle Zuchttiere aus England ein und wirkte für die Hebung der Viehzucht mit großem Erfolg. Er war 1847 Mitglied des preußischen Vereinigten Landtags und wurde 1868 zum Präsidenten des preußischen Landesökonomiekollegiums, in das Ministerium für Landwirtschaft und in den Bundesrat berufen. Er sammelte ein ungemein großes Beobachtungsmaterial in seinen Herden und in seiner Skelettsammlung der Haustierrassen, und seine Schriften wurden zu grundlegenden Arbeiten für wissenschaftliche Behandlung der Tierzuchtlehre. Überall trat er als Gegner Darwins auf. N. gründete auch die Deutsche Ackerbaugesellschaft und die Berliner Mastviehgesellschaft und schrieb: »Erfahrungen und Ansichten über die Zucht von Fleischschafen« (Berl. 1856), »Über Konstanz in der Tierzucht« (das. 1860), »Über Shorthorn-Rindvieh« (2. Aufl., das. 1861), »Die Rassen des Schweines« (das. 1860), »Vorstudien für Geschichte und Zucht der Haustiere, zunächst am Schweineschädel« (das. 1864), sämtlich wieder abgedruckt im 3. Bande seiner »Vorträge über Viehzucht und Rassenkenntnis« (das. 1872 bis 1880, 3 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. 1890); »Über die sogenannten Leporiden« (das. 1876). Auch gab er das »Deutsche Gestütalbum«, Photographien vorzüglicher Pferde (Berl. 1868–70), »Wandtafeln für den naturwissenschaftlichen Unterricht« (das. 1871–1873, 2 Tle.) und seit 1872 mit Thiel die »Landwirtschaftlichen Jahrbücher« (das.) heraus. Vgl. W. v. Nathusius, Hermann v. N., Rückerinnerungen aus seinem Leben (Berl. 1880).

3) Philipp Engelhard von, Bruder des vorigen, geb. 5. Nov. 1815 in Althaldensleben, gest. 16. Aug. 1872 in Luzern, war seit 1848 Mitarbeiter der »Kreuzzeitung«, gab dann, um den Grundsätzen und Anschauungen seiner Partei bei der Landbevölkerung Eingang zu verschaffen, das »Volksblatt für Stadt und Land« heraus und ließ sich schließlich zu Neinstedt am Harz nieder, wo er eine Knabenerretkungsanstalt nach dem Vorbilde des Rauhen Hauses bei Hamburg gründete. Gegen die Union der protestantischen Bekennt ni sse schrieb er: »Zur Verständigung über Union« (Halle 1857); auch erschienen zwei Sammlungen Gedichte von ihm (1839 u. 1841). Vgl. Fürst in Eleonore Reuß, Philipp N.' Jugendjahre (Berl. 1896) und Philipp v. N, das Leben und Wirken des Volksblattschreibers (Neinstedt u. Greifsw. 1900).

4) Marie von, Gattin des vorigen, geborne Scheele, geb. 10. März 1817 in Magdeburg, verheiratet seit 1841, gest. 22. Dez. 1857 in Neinstedt, hat sich durch eine Reihe sittlich-schöner, aber pietistisch gefärbter Erzählungen, wie: »Tagebuch eines armen Fräuleins« (Halle 1854), »Elisabeth« (das. 1858), »Langenstein und Boblingen« (das. 1856), »Die alte Jungfer« (das. 1857) etc., die alle in zahlreichen Auflagen erschienen sind, literarischen Ruf erworben. Ihre »Gesammelten Schriften« (Halle 1858–69, 15 Bde.; 1889, 9 Bde.) enthalten auch ihr »Lebensbild« (Bd. 13–15). Vgl. »Marie N., ein Lebensbild, in neuer Darstellung von E. G.« (Gotha 1894).

5) Wilhelm von, Bruder von N. 2) und 3), geb. 27. Juni 1821 in Hundisburg, gest. 25. Dez. 1899 in Halle, studierte in Paris und Berlin Chemie, übernahm 1843 das Gut Königsborn bei Magdeburg, war 1852–78 Mitglied des Landesökonomiekollegiums und seit 1869 Direktor des Landwirtschaftlichen Zentralvereins der Provinz Sachsen. Er gehörte 1855–1859 im preußischen Abgeordnetenhaus der Fraktion Gerlach an und lebte seit 1888 in Halle. In seinen »Untersuchungen über nichtzelluläre Organismen, namentlich Krustazeenpanzer, Molluskenschalen und Eihüllen« (Berl. 1877) bekämpfte er die Zellentheorie. Er schrieb noch: »Das Wollhaar des Schafes« (Berl. 1866); »Die Vorgänge der Vererbung bei Haustieren« (das. 1891) und biographische Schriften über seine Brüder Hermann und Heinrich von N. (s. d. 2 u. 6).

6) Heinrich von N., Bruder des vorigen, geb. 14. Sept. 1824 in Althaldensleben, gest. 13. Sept. 1890 auf Sylt, 1854–63 Landrat des Kreises Neuhaldensleben, schrieb: »Über die Lage der Landespferdezucht in Preußen« (Berl. 1872); »Das schwere Arbeitspferd« (das. 1882); »Über die Zucht schwerer Arbeitspferde« (das. 1885). Vgl. W. v. Nathusius, Heinr. v. N., ein Lebensbild (Berl. 1891). – Sein Sohn Simon von N., geb. 24. Febr. 1865 in Althaldensleben, seit 1902 außerordentlicher Professor der Landwirtschaft in Jena, schrieb: »Unterschiede zwischen der morgen- und abendländischen Pferdegruppe am Skelett und am lebenden Pferd« (Berl. 1891); »Die Pferdezucht unter besonderer Berücksichtigung des betriebswirtschaftlichen Standpunktes« (Stuttg. 1902). Er gibt den »Atlas der Rassen und Formen unsrer Haustiere« (bisher 3 Tle., Stuttg. 1904, nach Zeichnungen von Th. v. Nathusius) und seit 1904 die Zeitschrift »Deutsche Pferdezucht« (das.) heraus.

7) Philipp von N.-Ludom, preuß. Politiker, Sohn von N. 3), geb. 4. Mai 1842 in Althaldensleben, gest. 8. Juli 1900 in Grunewald bei Berlin, studierte die Rechte und Geschichte, erlernte dann die Landwirtschaft und trat 1865 den Besitz des Rittergutes Ludom im Kreis Obornik an. Im Herbst 1872 übernahm er die Redaktion der »Kreuzzeitung«, legte sie 1876 nieder und kehrte nach Ludom zurück, behielt aber die Leitung des von ihm gegründeten »Reichsboten« und beteiligte sich auch an der Bildung der deutsch- (streng-) konservativen Partei. 1877–78 gehörte er dem Reichstag an. Er schrieb: »Konservative Partei und Ministerium« (Berl. 1872); »Die Zivilehe« (das. 1872); »Ständische Gliederung und Kreisordnung« (das. 1872) und »Konservative Position« (das. 1876).

8) Martin von, Sohn von N. 3), lutherischer Theolog, geb. 24. Sept. 1843 in Althaldensleben, gest. 9. März 1906 in Greifswald, wurde 1873 Pastor in Quedlinburg, 1885 in Barmen, 1888 ordentlicher Professor in Greifswald. Außer zahlreichen Predigten und Beiträgen zu den »Zeitfragen des christlichen Volkslebens« (z. B. »Die Inspiration der Heiligen Schrift und die historische Kritik«, Stuttg. 1895, und »Über wissenschaftliche und religiöse Gewißheit«, das. 1902) schrieb er: »Die Mitarbeit der Kirche an der Lösung der sozialen Frage« (Leipz. 1893–94, 2 Bde.; 2. Aufl., das. 1897), »Die christlich-sozialen Bewegungen der Reformationszeit und ihre Entstehung« (Gütersloh 1897); »Was ist christlicher Sozialismus?« (2. Aufl., Berl. 1896); »Der Ausbau der praktischen Theologie zur systematischen Wissenschaft« (Leipz. 1899); »Zur Charakteristik der Zirkumzellionen des 4. und 5. Jahrhunderts in Afrika« (Greifsw. 1900); »Handbuch des kirchlichen Unterrichts nach Ziel, Inhalt und Form« (Leipz. 1903–04, 3 Bde.). Er war Mitherausgeber der »Monatsschrift für Stadt und Land« (bis 1899 u. d. T.: »Allgemeine konservative Monatsschrift« erschienen).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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