- Kollision
Kollision (lat.), eigentlich das »Zusammentreffen« zweier harter Körper im Stoß; daher der (störende, verletzende) Zusammenstoß, z. B. von Schiffen (s. Seestraßenrecht), die Quetschung (Kontusion); dann das Zusammentreffen entgegengesetzter Dinge oder Interessen in Einem Punkt. In diesem Sinne spricht man von einer K. der Pflichten (s. Pflicht), auch wohl von einem sittlichen Konflikt, wenn an eine Person eine Mehrheit sittlicher Anforderungen herantritt, denen gleichmäßig zu genügen nicht möglich ist (Gewissens- oder Kollisionsfälle; vgl. Kasuistik). Im bürgerlichen Recht ist von besonderer Wichtigkeit die K. der Interessen. Ist eine K. der Interessen des Vaters und seiner Kinder zu fürchten, so ist die Vertretung durch ihn unzulässig und für den betreffenden Fall ein Pfleger für die Kinder zu bestellen. Ebenso ist dem Vormund oder dem Pfleger die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder für einen Kreis von Angelegenheiten zu entziehen, falls Interessenkollision zu befürchten ist (Bürgerliches Gesetzbuch, § 795 ff.). Bei K. einer Grunddienstbarkeit mit einer andern entscheidet der Rang der Rechte, bei Gleichung kann jeder Berechtigte eine billige Regelung verlangen (Bürgerl. Gesetzbuch, § 1024), das gleiche gilt für Nießbrauchrechte (s. Nießbrauch), § 1060.
Von K. der Gesetze wird in doppelter Beziehung gesprochen. Einerseits bezeichnet man damit Widersprüche in ein und derselben Gesetzgebung, anderseits den Widerstreit der Gesetze verschiedener Staaten, die auf einen Rechtsfall Anwendung finden können (K. der Statuten). In erster Beziehung ist es zunächst Aufgabe der Gesetzauslegung, den Widerspruch (Antinomie) zu entfernen. Zu dem Ende ist zu untersuchen, ob nicht etwa die eine Bestimmung als neueres Gesetz das ältere aufhebe (lex posterior derogat priori), oder ob die eine als Regel, die andre als Ausnahme, oder die eine als allgemeiner Grundsatz, die andre als nähere Ausführung anzusehen sei, oder ob etwa beide Bestimmungen verschiedenartige Gegenstände und Geltungsgebiete haben. Führt dies nicht zum Ziel, so würde der Ausspruch, der den Fragefall zu entscheiden bestimmt ist, einem andern, der ihn nur gelegentlich berührt, oder derjenige, der dem Sinn und Geist der ganzen Gesetzgebung entspricht, vorzuziehen sein; wäre auch hiernach eine Entscheidung nicht möglich, so heben die widersprechenden Bestimmungen sich gegenseitig auf, gleich als ob ein Gesetz über den betreffenden Gegenstand gar nicht vorhanden wäre. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen (Reichsverfassung, Art. 2). In zweiter Beziehung ist es eine Folge des internationalen Verkehrs, daß oftmals von den Gerichten des Inlandes bürgerliche Rechtsverhältnisse zu beurteilen sind, die im Auslande zur Entstehung lamen. Die Frage, welche Rechtsnormen hier maßgebend sind, ob die inländischen oder die des fremden Staates, bildet den Gegenstand des sogen. internationalen Privatrechts (s. Internationales Recht).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.