- Hoffnung
Hoffnung (Spes), derjenige Affekt, der aus der Vorstellung eines zukünftigen Angenehmen, wie die Furcht (s. d.) aus jener eines zukünftigen Unangenehmen, entspringt. Die H. ist durch die Annehmlichkeit des Gehofften der Freude, durch dessen Abwesenheit der elegischen Gemütsstimmung (Wehmut) verwandt, von jener durch die Beimengung der Trauer über die Abwesenheit des Erfreulichen, von dieser als rückwärts gekehrtem Affekt durch den Umstand unterschieden, daß das Erfreuliche nicht hinter, sondern vor dem Hoffenden liegt. Da die Vorstellung eines Angenehmen den Wunsch danach erzeugt, so kommt der Affekt, der dessen Erreichung voraussieht, dem letztern entgegen; auf den Fittichen der Phantasie schwebt die H. dem Wunsche voraus, spornt den Geist zur Tätigkeit und erwärmt die sehnende Brust zu mutigem Aufschwung. Wird die H. von der (wenn auch nur subjektiv) sichern Überzeugung begleitet und getragen, daß das erhoffte Angenehme sich verwirklichen wird, so geht sie in Zuversicht über, wie die Furcht unter gleichen Umständen in Trostlosigkeit. Während H. und Furcht als reine Affekte der logischen Begründung entbehren und sich deshalb auch sehr häufig als töricht erweisen (wenn auch eingeräumt werden muß, daß ohne die Gabe der H. manches Gute und Große nicht unternommen werden würde, und durch die Gabe der Furcht manches Schlimme und Böse im Keim unterdrückt wird), so haben im Gegensatz dazu Zuversicht und Trostlosigkeit einen logischen (verständigen) Charakter. H. tröstet zwar, aber nur für den Augenblick und nur wie ein willkommener Rausch, der schmeichelhafte Traumbilder heraufführt; nur die auf Gründe (philosophische, religiöse, empirische) bauende Zuversicht gewährt nachhaltigen Trost. Jene ward daher wohl als beflügelten Schrittes einhereilende Göttin mit leichtem, durchsichtigem Gewande, diese dagegen, die als »göttliche Tugend«, mit Glauben und Liebe vereinigt, auch H. heißt, wird als ruhende Gestalt, auf einen ehernen Anker gestützt, dargestellt. Vgl. Spes.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.