Elterliche Gewalt

Elterliche Gewalt

Elterliche Gewalt. Die durch die Natur für die Eltern begründeten Machtbefugnisse über ihre Kinder werden vom Bürgerlichen Gesetzbuch § 1626–1698 unter dem Namen der elterlichen Gewalt im wesentlichen dahin geordnet: Die e. G. wird während der Ehe grundsätzlich vom Vater ausgeübt, von der Mutter nur dann, wenn der Vater lie auszuüben rechtlich oder tatsächlich behindert ist. Auch kann der Mutter hierzu durch letztwillige Anordnung des Vaters, auf ihren eignen Antrag, sowie unter besonders schwierigen Umständen ein Beistand bestellt werden, oder sie kann hierbei sonst beschränkt sein, wenn wegen Fehlen des Naters für die Kinder ein Vormund oder Pfleger bestellt wurde. Wurde die Ehe durch Scheidung aufgelöst, so geht die e. G., soweit sie die Sorge für die Person des Kindes umfaßt, auf den nichtschuldigen Teil über, sind aber beide Teile für schuld ig erklärt, so geht die Sorge für die Tochter und den noch nicht 6 Jahre alten Sohn auf die Mutter, für den Sohn über 6 Jahre auf den Vater über, jedoch kann das Vormundschaftsgericht im Interesse des Kindes anders bestimmen. Erfolgte die Scheidung aber wegen Geisteskrankheit des Vaters, so muß das Vormundschaftsgericht der Mutter auf ihren Wunsch die Sorge für das Wohl und die Person des Kindes übertragen. Die Sorge für das Vermögen des Kindes und die Vertretung desselben hat der Vater jedoch auch dann, wenn er der alleinschuldige Teil ist. Ebenso hat jeder der Ehegatten ein Recht auf persönlichen Verkehr mit seinen Kindern. Die e. G. umfaßt Pflicht und Recht, für Person und Vermögen des Kindes (regelmäßig in allen Beziehungen) zu sorgen, insbes. das Kind zu vertreten, zu erziehen, zu beaufsichtigen, zu züchtigen, dessen Aufenthalt zu bestimmen, es jedem unbefugten Inhaber abzuverlangen. Zu Handlungen der Vermögensverwaltung bedarf es jedoch der Genehmigung des Gerichts in den meisten der Fälle, in denen der Vormund derselben bedarf; auch ist Geld regelmäßig verzinslich anzulegen und eine Schenkung nur insofern zulässig, als sie durch eine sittliche Pflicht oder durch den Anstand geboten wird. – Die e. G. umfaßt auch den Nießbrauch an demjenigen Gute des Kindes, das dieses weder selbst erwarb noch als frei vom elterlichen Nießbrauch zugewandt erhielt. Dieser Nießbrauch hindert jedoch Gläubiger des Kindes nicht an der Zwangsvollstreckung; er endet auch mit rechtmäßiger Heirat des Kindes und besteht in einigen Fällen überhaupt nicht für die Mutter. Vater und Mutter verwirken die e. G., wenn sie wegen eines an dem Kinde verübten Verbrechens oder vorsätzlich verübten Vergehens zu Zuchthausstrafe oder zu einer Gefängnisstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt werden. Die e. G. kann aber sowohl hinsichtlich des Vermögens als hinsichtlich der Person des Kindes seitens des Vormundschaftsgerichts durch Maßregeln verschiedener Art beschränkt werden, wenn Vater oder Mutter sonstwie ihre Pflichten der Unterhaltung, der Verwaltung, der geistigen Fürsorge in einer Weise verletzen, daß die Wohlfahrt des Kindes gefährdet erscheint. Das Gericht kann insbes. den Vater oder die Mutter anhalten, das Vermögen des Kindes zu verzeichnen, Rechnung über die Verwaltung zu legen, Wertpapiere zu hinterlegen oder Sicherheit zu bestellen; es kann dem Vater oder der Mutter die Verwaltung und auch die Nutznießung entziehen; es kann das Kind in Fürsorgeerziehung (s. d.) geben. – Bei Wiederverheiratung geht die Mutter der elterlichen Gewalt verlustig, der Vater aber ist schuldig, das Vermögen des Kindes dem Vormundschaftsgericht zu verzeichnen und, sofern eine Vermögensauseinandersetzung erforderlich wird, solche herbeizuführen. Vgl. Kuby, Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder, insbesondere die e. G. (Kaisersl. 1903); Boschan, Eltern und Vormundschaftsrecht (Berl. 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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