- Drahtseile
Drahtseile, aus Eisen-, Stahl-, Kupfer- oder Messingdraht hergestellte Seile. Die Drähte werden mit oder ohne Hanfeinlage zu einer Litze und mehrere Litzen meist um einen Hanfkern zu einem Seil zusammengedreht (Fig. 1). Mehrere Seile um einen Hanfkern zusammengedreht, bilden ein Kabel, das sehr biegsam ist, für seine Tragfähigkeit aber einen unverhältnismäßig großen Durchmesser hat.
Flach- oder Bandseile bestehen aus nebeneinander liegenden Rundseilen, die mit Draht oder Drahtlitzen zusammengenäht oder durch Nieten oder Klammern verbunden werden. Werden D. in tiefen Schachten benutzt, so muß man sie zum Tragen des eignen Gewichtes durch Vermehrung der Drähte in den Litzen allmählich verstärken (konische D.). Verwendung finden D. als Schachtförderseile, Schachtführungsseile anstatt der Spurlatten, Bremsbergseile, Streckenseile, Pumpen- und Abteufseile, Leit-, Zug-, Gierseile bei Fähren und Trajekten, als Laufseile bei Seilbahnen, als Zugorgan für Krane, Auszüge etc., auf Schiffen als Wanten, als Brückenseile etc. Brückenseile werden von Felten u. Guilleaume in Köln auch für die größten Spannweiten mit Vorteil in verschlossener Konstruktion (s. unten), aber ohne Hanfeinlage hergestellt. Bei der ältesten Herstellungsart (altes Machwerk) drehte man (schlagen) Litzen und Seil in gleicher Richtung (Albertsches Geflecht). Später wurde der sogen. Kreuzschlag die Regel, bei dem jeder folgende Schlag die entgegengesetzte Drehung des vorhergehenden erhält (Spiralseil). Das Albertsche Geflecht gestattet. unbeschadet der Biegsamkeit des Seiles, dickere Drähte zu benutzen, so daß solche D. unter gewissen Verhältnissen haltbarer sind als die andern.
Die D. verschlossener Konstruktion (Fig. 2 u. 3) von Felten u. Guilleaume in Köln werden nicht oder doch nur teilweise aus runden Drähten zusammengesetzt. Obwohl man sie auch als Litzenseile herstellt, werden sie doch meist als Spiralseile verwendet. Um einen Kern aus einem oder aus sieben runden Drähten legen sich eine oder mehrere Lagen Drähte mit kreissegmentförmigem Querschnitt, während die Decklage aus Drähten besteht, die so geformt sind, daß jeder Draht über seinen Nachbar greift, daß also alle Deckdrähte unter sich einen festen Verschluß haben, der das Herausspringen einzelner Drähte, bez. der Enden gebrochener Drähte verhindert.
Diese D. haben eine sehr glatte Oberfläche, daher höchst geringe mechanische Abnutzung, kleinern Durchmesser und geringeres Gewicht bei gleichem metallischen Querschnitt und gewähren daher Ersparnis an Kraft u. Schmiermitteln. Sie dienen hauptsächlich als Förderseile, Schachtführungsseile, Laufseile bei Luftseilbahnen, Leitseile bei Trajektanstalten, Brückenseile etc. Die genannte Firma fertigt auch von Ellingen erfundene hohle D. aus einer einzigen Lage verschlossener Formdrähte, die sich gegenseitig in ihrer Lage hatten. D. aus Kupferdraht dienen zu Blitzableitern und andern elektrischen Leitungen, Messingdrahtseile zu ornamentalen Zwecken, als Steuerseile bei Personenaufzügen, als Geländerseile etc. – D. wurden ursprünglich nur auf der Seilerbahn hergestellt, und ihre Länge war durch die Länge der Bahn begrenzt. Bei der neuern Maschinenseilerei benutzt man Litzenmaschinen zur Anfertigung von Litzen aus einzelnen Drähten und Seilschlagmaschinen zur Anfertigung von Seilen. Beide Maschinen unterscheiden sich von Seilmaschinen nur durch starke Bauart und die gewöhnlich horizontale Lage. Auf solchen Maschinen fertigten Felten u. Guilleaume ein Tauereiseil für den Oberrhein, das bei einem Durchmesser von 45 mm und einem Gewicht von 7 kg auf 1 m eine Länge von 30,000 m hat. Je nach der benötigten Tragfähigkeit oder Biegsamkeit fertigt man die D. aus geglühtem Eisen-, Flußstahl- oder Bessemerstahldraht, aus desgleichen blankhartem Draht oder aus gehärtetem Stahldraht. Bei Bestimmung des metallischen Querschnittes von Seilen für gewisse Anlagen rechnet man auf eine sechsfache oder, wenn Menschenleben in Betracht kommen, auf acht- bis zwölffache Sicherheit. Für die Biegsamkeit des Seiles sind bestimmend der Durchmesser der Windetrommel, auf die das Seil sich aufwickeln muß, und der Durchmesser der kleinsten Scheibe, über die das Seil laufen soll. Bei starker mechanischer Abnutzung wählt man dicke Drähte aus hartem Material. Gegen Rosten schützt man die D. durch Einfetten mit säurefreier Schmiere oder durch Verzinken oder Verbleien der Drähte. Die erste Anwendung fanden D. 1827 in einer Grube bei Klausthal durch den Oberbergrat Albert, kurze Zeit darauf verbesserten Felten u. Guilleaume in Köln die Herstellung der D. durch Anwendung der Litzen und führten durch ihre Gußstahldrahtseile eine förmliche Umwälzung im bergbaulichen Förderbetrieb herbei. Wurm in Wien konstruierte die erste Maschine, welche die Handarbeit nachahmte. Die Benutzung der D. zur Kraftübertragung gab Hirn 1854 an (Drahtseilmaschine). Vgl. Hrabák, Die D. (Berl. 1902); Baur, Das elektrische Kabel (das. 1903).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.