- Zeitungen
Österreich-Ungarn. Großen Aufschwung hat seit 1848 die österreichische Presse genommen. Der Schwerpunkt des österreichisch-ungarischen Journalismus liegt in Zisleithanien, wo 1906: 3320, mehr als zwei Drittel der gesamten periodischen Schriften des Reiches, herausgegeben werden. Hiervon sind 2034 deutsch, 694 tschechisch-slawisch, 265 polnisch, 102 italienisch, 65 slowenisch, 47 ruthenisch, 13 hebräisch, 7 französisch. Die meisten Blätter erscheinen in Niederösterreich. Nach dem Inhalt sind unter den Blättern Österreichs 966 politische Zeitungen, 330 volkswirtschaftliche, 383 gewerblich-technische, 236 für Theater, Musik, Sport, Mode und Kunst, 275 belletristische. Die ersten österreichischen Zeitungen kamen bereits 1615 in Wien heraus, doch müssen diese sehr dürftig ausgefallen sein, da über sie nichts Genaueres mehr bekannt ist. Die ersten bedeutendern Wiener Blätter, die von etwa 1620 ab erschienen sind, waren die ›Ordentlichen Postzeittungen auß Wien‹, die ›Ordinari Zeittungen‹ und die ›Ordentlichen Zeittungen auß Wien‹. Doch hatten auch diese nur einen kurzen Bestand, worauf Wien wieder mehrere Jahrzehnte ganz ohne eine Zeitung blieb, bis 1703 von dem Buchdrucker van Ghelen ein ›Posttäglicher Mercurius‹ und bald nachher von dem Buchdrucker Schönewetter das ›Wienerische Diarium‹ gegründet wurde. 1724 erfolgte sodann die Verschmelzung des ›Mercurius‹ mit dem ›Diarium‹, worauf das letztere zur Staatszeitung erhoben wurde. Im J. 1780 nahm das Blatt den Titel ›Wiener Zeitung‹ an und erscheint unter diesem noch jetzt als Amtsblatt, erweitert durch die ›Wiener Abendpost‹ (vgl. die Jubiläumsschrift ›Zur Geschichte der kaiserlichen Wiener Zeitung 1703. 1903‹, Wien 1903). Ein halbamtliches Blatt, das lange Zeit eine große Beachtung in ganz Deutschland erfuhr, war der 1810 von Friedrich v. Gentz gegründete ›Österreichische Beobachter‹, der aber 1848 einging. Als die bedeutendsten Wiener Blätter der neuern Zeit sind hervorzuheben: die ›Neue Freie Presse‹ (Organ der deutsch-liberalen Partei), die ›Presse‹ (seit 1848, 1896 eingegangen) und das ›Fremdenblatt‹ (offiziös), die ›Deutsche Zeitung‹ (Organ der Deutschnationalen), die ›Wiener Allgemeine Zeitung‹, ›Die Zeit‹, das ›Neue Wiener Tagblatt‹, das ›Wiener Tagblatt‹, das ›Illustrierte Wiener Extrablatt‹ (die drei letztern hauptsächlich Lokalblätter), das ›Deutsche Volksblatt‹ (antisemitisch), das ›Vaterland‹ (katholisch), die ›Arbeiterzeitung‹ (sozialdemokratisch) etc. In Prag sind die ›Bohemia‹ (deutsch-liberal), die ›Politik‹ (alttschechisches Parteiblatt) und die ›Narodní Listy‹ (jungtschechisches Organ) zu verzeichnen. In Ungarn ist die deutsche Presse außer durch den ›Pester Lloyd‹ durch das ›Neue Pester Journal‹ in Budapest und zahlreiche kleinere Zeitungen in Preßburg, Ödenburg, Temesvár, Hermannstadt, Kronstadt u.a.O. vertreten. Unter den ungarischen politischen Zeitungen sind ›Pesti Napló‹, ›Egyetértés‹, ›Nemzet‹, ›Budapesti Hirlap‹, ›Magyar Hirlap‹ und ›Pesti Hirlap‹ die bekanntesten. Die Zahl der juristischen, medizinischen, belletristischen und sonstigen fachwissenschaftlichen Zeitschriften in ungarischer Sprache hat in neuerer Zeit bedeutend zugenommen. 1906 erschienen in Ungarn 1430 periodische Zeitschriften, darunter 1200 ungarische, 159 deutsche, die übrigen in kroatischer, slowenischer, serbischer und rumänischer Sprache.
Es hat seinen Grund in der republikanischen Verfassung, daß die Schweiz journalistisch mit am reichsten entwickelt ist. Die ›Basler Nachrichten‹, die ›Basler Grenzpost‹, die ›Neue Zürcher Zeitung‹, die ›Zürcher Post‹, der ›Berner Bund‹, das katholisch-konservative ›Vaterland‹ in Luzern, das ›Journal de Genève‹ und die ›Gazette de Lausanne‹ dürften die bedeutendsten Zeitungen sein. In Tessin erscheinen überdies einige italienische, in Graubünden einige rätoromanische Blätter. 1907 erschienen 1005 Zeitungen und Zeitschriften (380 politische [davon jedoch nur 100 täglich erscheinende] und 625 nichtpolitische), 27 politische, täglich erscheinende Zeitungen sind in französischer Sprache. Vgl. ›Die Schweizer Presse‹, herausgegeben vom Verein der Schweizer Presse (Bern).
Großbritannien und Irland zählen unter ihren ca. 4400 periodischen Schriften (nach einer Statistik von 1905) ca. 2461 Journale vorwiegend politischen und ca. 2000 überwiegend nichtpolitischen Inhalts; letztere erscheinen fast ausschließlich in Form von Wochenblättern, Revuen oder ›Magazines‹. England hat 1881 Zeitungen (436 in London, 1445 in den Provinzen), Wales 111, Schottland 261, Irland 191, und auf den Inseln erscheinen 17. Die ›News Letters‹, die unter der Regierung Jakobs I. aufkamen, bilden den Anfang des englischen Journalismus. Die erste regelmäßige Zeitung, ein Wochenblatt, erschien 1622. Die Beseitigung des Zeitungsstempels (1855) und der Papiersteuer (1861) verursachten die Gründung von zahlreichen neuen Zeitungen. Von den bedeutendern, jetzt noch bestehenden Blättern stammen nur wenige aus dem 18. Jahrhundert. Die ›Times‹ (s.d.), immer noch das einflußreichste Blatt, wurde 1788 gegründet, während der konservative ›Standard‹, das gediegenste der Pennyblätter, der vielgelesene ›Daily Telegraph‹, die ›Daily News‹ (das Hauptblatt der Manchesterleute), ›Daily Chronicle‹, ›Daily Graphic‹, ›Daily Mail‹, ›Morning Leader‹ erst Schöpfungen der Neuzeit sind. Zahlreich sind auch die politischen Abendblätter, wie ›Pall Mall Gazette‹, ›Globe‹, ›Echo‹, ›Westminster Gazette‹ und ›Star‹, letzteres ein radikal-irisches Blatt. Unter den Wochenblättern allgemeinern Inhalts nehmen die ›Saturday Review‹, ›Observer‹ und einige Arbeiterzeitungen, wie ›Lloyd's Weckly Newspaper‹, einen hervorragenden Rang ein. ›Punch‹ behauptet noch immer den Vorrang unter den Witzblättern, während die illustrierte ›Graphic‹ der altern ›Illustrated London News‹ den Rang streitig macht und das ›Athenaeum‹ an der Spitze der rein literarischen Zeitschriften steht. Zahlreich und teilweise glänzend ausgestattet sind die monatlichen ›Magazines‹, die der Mehrzahl nach der bloßen Unterhaltung dienen, teilweise aber im Dienste der Wissenschaft, der Kirche (487), der Kunst und andrer Interessen stehen. Ehrwürdig durch ihr Alter sind hier die ›Edinburgh‹, die ›Westminster‹ und die ›Quarterly Reviews‹ mehr gelesen aber die ›Fortnightly‹ und das ›Nineteenth Century‹. Vgl. Andrews, The history of British journalism (Lond. 1859, 2 Bde.); Duboc, Geschichte der englischen Presse (nach Grant, Hannov. 1873); Fox-Bourne, English newspapers (Lond. 1887, 2 Bde.); ›Progress of British newspapers in 19. century‹ (das. 1901) und ›The Newspaper Press Directory‹ (das., jährlich).
Frankreich. Von großer Wichtigkeit als klarster Ausdruck der bewegten Volksstimmung ist immer die französische Presse gewesen. Sie hat sowohl den Leitartikel als das Feuilleton eingeführt. Gegenwärtig (1907) erscheinen in Frankreich 8548 Zeitungen, Revuen etc., davon in Paris 3218, wovon 167 der Politik gewidmet sind. In den Provinzen werden 5067, in den Kolonien 263 Zeitungen herausgegeben. Die erste täglich erscheinende Zeitung war das ›Journal de Paris‹ (1777–1819); bedeutend älter ist aber die 1631 begründete legitimistische ›Gazette de France‹. Von den 750 Zeitungen, die während der Revolutionszeit auftauchten, bestehen mehrere noch fort, so das ›Journal des Débats‹, jetzt das Hauptorgan des linken Zentrums, das sich unter allen Regierungen immer als ein Blatt ersten Ranges, namentlich in seiner Wirkung auf das Ausland, behauptet hat. Der einst vielgenannte ›Moniteur Universel‹, der bis 1869 Amtsblatt war, ging 1901 ein. Der ›Constitutionnel‹, 1815 gegründet, unter der Julimonarchie eine Macht und bis um die Mitte der 1870er Jahre wegen seiner literarischen und wissenschaftlichen Fachberichte geschätzt, ging seitdem in den Besitz von Spekulanten über und fristet als Soublatt ein kümmerliches Dasein. Das bedeutendste aller französischen Blätter ist der von Nefftzer 1861 gegründete ›Temps‹, der einer gemäßigt-republikanischen Politik huldigt, die besten literarischen Kräfte für sein Feuilleton und Fachberichte heranzieht und mit seinen gehaltvollen ausländischen Korrespondenzen in Frankreich einzig dasteht. Die ›République française‹, deren Gründer Gambetta war, ist das streitbarste Parteiblatt des Opportunismus. Zur Bildung einer Durchschnittsmeinung in den Massen, namentlich in der Provinz, trägt das sehr geschickt bearbeitete ›Petit Journal‹, das eine Auflage von mehr als einer Million hat, bei. Es fand eine Menge Nachahmer, und überdies suchten ihm die meisten radikalen und intransigenten Organe: ›Lanterne‹ und ›Intransigeant‹, ›Justice‹ (früher als Organ Clémenceaus von Bedeutung), ›Echo de Paris‹ und ›Bataille‹, durch die Herabsetzung ihres Preises auf 5 Centimes Konkurrenz zu machen; ja sogar der geistig vornehme ›Soleil‹, der Moniteur des Grafen von Paris, bequemte sich zu dieser demokratischen Ermäßigung. ›Univers‹ und ›Monde‹ dienen der klerikalen Politik. ›Figaro‹, ›Gaulois‹, ›Gil Blas‹, ›Événement‹, ›Voltaire‹, die man unter der Bezeichnung ›Boulevardblätter‹ kennt, haben es mehr auf Unterhaltung, geistreiche oder prickelnde Behandlung der Tagesereignisse abgesehen; der ›Figaro‹ hat sich seit der Niederlage des Boulangismus zur konservativen Republik bekehrt, doch zeigt er auch gelegentlich eine andre Gesinnung, je nachdem es sich macht. Außer dem seit 1814 bestehenden Annoncenblatt ›Galignani's Messenger‹, das vielfach vortreffliche Nachrichten hat, werden in Paris noch zwei andre Blätter in englischer Sprache herausgegeben: ›Paris Morning News‹ und eine eigne Ausgabe des ›New York Herald‹, die auf Kabeldienst beruht. Sonst brachte es trotz wiederholter Anstrengungen keine andre fremdsprachliche Zeitung zu nennenswertem Erfolg. Von den Zeitschriften sind zu erwähnen: die 1829 gegründete und seit 1831 regelmäßig zweimal monatlich erscheinende ›Revue des Deux Mondes‹, die deutschfeindliche ›Nouvelle Revue‹, die ›Revue politique et littéraire‹ (oder ›Revue bleue‹), die ›Revue de Famille‹, die Jules Simon leitete, die mit der ›Revue bleue‹ in engerm Rahmen wetteifernden ›Annales politiques et littéraires‹ (auch illustriert), die ›Revue blanche‹, die ›Revue de Paris‹, die ›Revue illustrée‹ und die ›Illustration‹, die unter andern Daudet, Zola, Ferdinand Fahre zu Mitarbeitern hatten, die gediegene ›Revue britannique‹, die sich nicht allein, wie ihr Name vermuten ließe, mit englischen Dingen beschäftigt, der ›Correspondant‹, von ausgesprochen reaktionärer Färbung, endlich die ›Vie parisienne‹, welche die Mitte hält zwischen der schöngeistigen Zeitschrift und dem Witzblatt, dessen Gattung durch den ›Charivari‹, das ›Journal amusant‹, die ›Caricature‹ vertreten ist. Die französische Provinzpresse lebt zumeist von der hauptstädtischen. An der Spitze der nicht zahlreichen Organe, die ein selbständiges Dasein führen, sind zu nennen: die ›Gironde‹ in Bordeaux mit der ›Petite Gironde‹, das ›Journal du Havre‹, der ›Petit Marseillais‹, ›Le Sémaphore‹ in Marseille, ›Le Phare de la Loire‹ in Nantes, ›Le Salut public‹ (klerikal) in Lyon. Vgl. Hatin, Histoire politique et littéraire de la presse en France (Par. 1859–61, 8 Bde.); Avenel, Histoire de la Presse française depuis 1789 (das. 1900) und La Presse française au XX. siècle (das. 1901), und das ›Annuaire de la Presse française‹ (hrsg. von Avenel).
Italien. Sehr reichhaltig, wenn auch wenig bedeutend, ist die italienische Presse. Besonders entwickelte sie sich, seitdem sie nach dem Regierungsantritt des Papstes Pius IX. einen freiern Ton anschlagen durfte, worauf allerdings das Reaktionsjahr 1849 folgte. Seitdem hat sie vielfache Wandlungen erfahren. Die bedeutendste Presse ist die in Rom. Das politisch wichtigste Blatt ist die 1883 gegründete ›Tribuna‹, am meisten gelesen wird der ›Popolo Romano‹, gegründet 1873. Weiterhin haben einen gewissen Einfluß das ›Giornale d'Italia‹, die ›Capitale‹, die in französischer Sprache erscheinende ›Italie‹ und der den Lokalklatsch pflegende ›Messaggero‹. Das amtliche Blatt der Regierung ist die ›Gazzetta ufficiale del Regno d'Italia‹. Das Organ des Vatikans ist der ›Osservatore Romano‹, außerdem kommt noch der ausgesprochen katholische, jedoch unabhängige ›Corriere d'Italia‹ heraus. Von den Provinzblättern behaupten die Mailänder ›Perseveranza‹, der dortige ›Secolo‹ (radikal, franzosenfreundlich) und der ›Corriere della Sera‹ den hervorragendsten Rang. Auch sind die Turiner ›Stampa‹, der Neapeler ›Mattino‹ und die ›Ora‹ in Palermo zu nennen. Die Gesamtzahl der italienischen Zeitungen schwankt sehr. Ende 1904 waren in Italien 2067 Zeitungen vorhanden; von diesen waren 318 im Laufe des Jahres 1903 neu gegründet, während 412 periodische Blätter eingegangen waren, unter diesen 172 der erst im selben Jahre neu begründeten. Vgl. Ottino, La stampa periodica in Italia (Mail. 1875); G. Giacchi, Il giornalismo in Italia (Rom 1883) und ›Nuovo Annuario della stampa periodica d'Italia‹ (Mail.).
In Spanien erschien seit der Mitte des 18. Jahrh. eine Hofzeitung; hundert Jahre später erschienen in Madrid allein 48 Blätter, darunter 19 täglich. Die journalistische Bewegung war infolge des raschen Wechsels der Ereignisse und des regen politischen Sinnes der Nation sehr lebhaft. Gegenwärtig beziffert man die Zahl der spanischen Zeitungen auf etwa 850. Die politisch bedeutendsten sind die in Madrid erscheinenden ›El Imparcial‹ (konservativ), ›El Globo‹, ›La Epoca‹ (klerikal-konservativ), die ›Gazeta de Madrid‹, ›El Liberal‹ und der ›Heraldo‹._– In Portugal ist die Presse von geringer Bedeutung, da eine außerordentlich strenge Zensur jedes freie Wort unterdrückt. Außer dem ›Diario do Governo‹, dem Organ der Regierung, und einigen Parteiblättern verschiedener Färbung ist kein Blatt zu verzeichnen, das das lokale Interesse überschritte.
Die frühzeitige hohe wirtschaftliche und politische Entwickelung der Niederlande war dem Gedeihen der Presse von jeher günstig. Die erste regelmäßig erscheinende niederländische Zeitung gelangte 1619 in Antwerpen zur Ausgabe; bald nachher hatte fast jede Stadt einen ›Courant‹. Im 18. Jahrh. erlangten die holländischen Zeitungen einen gewissen Weltruf, weil sie unter einer nachsichtigen Zensur alle politischen Nachrichten aus der ganzen gebildeten Welt ohne Rücksicht auf irgendwen bringen durften. Sie wurden daher in ganz Europa gelesen. Doch erschienen sie nicht in holländischer, sondern in französischer Sprache. Die wichtigsten waren die ›Gazette de Leyde‹, die ›Gazette d'Utrecht‹ und die ›Gazette de Amsterdam‹. Heute sind die bedeutendsten holländischen Blätter ›Het Nieuws van den Dag‹ (Amsterdam), ›Algemeen Handelsblad‹ (das.), ›De Tijd‹ (das.), ›Het Vaderland‹ (Haag), ›Nederlandsche Staats-Courant‹ (das.), ›Nieuve Rotterdamsche Courant‹. Einen lebhaftern Aufschwung nahm die Presse besonders nach Aufhebung des Zeitungsstempels 1869. Die Zahl der in Holland erscheinenden Zeitungen beträgt gegenwärtig ca. 760. Vgl. ›Tydschriften courant in 1906‹ (Amsterd. 1906)._– In Belgien hat sich mit der Gründung des Königreichs die Presse in französischem Sinne entwickelt. Es erscheinen dort täglich etwa 70 politische Zeitungen. Die bedeutendste belgische Zeitung ist die mit Frankreich sympathisierende liberale ›Indépendance belge‹ in Brüssel. Weiterhin sind zu nennen die ›Étoile belge‹ (Brüssel), das ›Journal de Bruxelles‹, der ›Soir‹ (das.), der ›Précurseur d'Anvers‹ und ›La Gazette de Liège‹. In neuester Zeit tauchen auch viele, allerdings meist kleine Blätter in flämischer Sprache auf. Man zählt deren bereits 130. Das verbreitetste von diesen ist die ›Vlaamsche Gazet‹ in Brüssel. Das Bestreben dieser Blätter ist, zu einer ›großniederländischen‹ Schriftsprache zu gelangen. Vgl. Warzée, Essai historique et critique des journaux belges (Gent 1845).
Neuesten Datums ist die norwegische Presse, die erst in den 1820er Jahren einigen Aufschwung nahm und ihre Hauptsitze in Christiania, Bergen und Drontheim hat. 1906 erschienen in Norwegen ca. 400 Zeitungen, von denen ›Morgenbladet‹, ›Aftenposten‹ und ›Verdens Gang‹, sämtlich in Christiania, die hervorragendsten sind. Die Anfänge der schwedischen Presse datieren bis in die Zeiten des Dreißigjährigen Krieges zurück. Außer dem lokalen ›Stockholms Dagblad‹ ist das bedeutendste Journal das ›Aftonblad‹, doch sind auch ›Dagens Nyheter‹ und ›Stockholms-Tidningen‹ hervorzuheben. Die Zahl der in Schweden erscheinenden Zeitungen wird auf etwa 350 angegeben._– Die dänische Zeitungsliteratur (etwa 220 Zeitungen) hat auch erst seit 1830 größere Fortschritte gemacht. Das älteste noch bestehende Blatt ist die in Kopenhagen seit 1749 erscheinende ›Berlingske Tidende‹, von der ursprünglich auch eine deutsche und französische Ausgabe gedruckt wurde. Weiterhin sind zu nennen ›Politiken‹, die verbreitetste Zeitung, ›Nationaltidende‹, ›Dagbladet‹, ›Dagens Nyheder‹ und ›Aftonbladet‹. Kopenhagen ist der Hauptverlagsort; wegen des regen politischen Lebens in den Provinzen erscheinen aber auch dort viele Zeitungen, ebenso auf Island, den Färöern und selbst in Grönland. Vgl. Stolpe, Dagspressen i Danmark (Kopenh. 1878), und J.A. Jørgensen, Den danske dagspresse (das. 1901).
In Rußland herrscht zurzeit (1907), wie im ganzen Staatsleben, so auch im Zeitungswesen, ein durchaus ungeordneter Zustand, der sich nicht selten bis zur Korruption steigert. Die Presse befindet sich daher im traurigsten Zustande. Alles ist verworren und unklar; beständig tauchen neue Zeitungen auf, während andre verschwinden; die öffentliche Meinung kommt dabei nur ganz unvollkommen zum Ausdruck. Bis zum 30. Okt. 1905 herrschte ein schwerer Zensurdruck; an diesem Tage verkündete ein Manifest des Kaisers die Freiheit der Presse, worauf sich im Umsehen ein wüstes Treiben im Zeitungswesen entwickelte. In kurzer Zeit erstanden z.B. nicht weniger denn 30 neue humoristisch-satirische Blätter in Petersburg. Bis zum Erlaß des Manifestes hatte es in Rußland 872 russische, 131 finnische und schwedische, 101 polnische, 56 deutsche, 16 lettische, 13 esthnische und je 7 armenische und französische Zeitungen gegeben, nach dem Erlaß des Manifestes nahm die Zahl der Zeitungen wesentlich zu, ging aber wieder stark zurück, als unterm 4. April 1906 eine neue Verfügung die Preßfreiheit abermals einschränkte. Die erste russische Zeitung wurde 1703 von Peter dem Großen in Moskau ins Leben gerufen und siedelte 1711 nach Petersburg über; sie führte den Titel ›Zeitung von militärischen und andern Sachen‹. Die zweite russische Zeitung wurde 1728 in Petersburg gegründet und erscheint noch heute unter dem Titel ›Petersburgskija Wedomosti‹ als Organ der Petersburger Akademie der Wissenschaften. Ein Jahr vorher (1727) war das erste deutsche Blatt in Rußland, die ›St. Petersburger Zeitung‹, erstanden, die ebenfalls noch heute existiert. Das amtliche Regierungsblatt ist der ›Prawitjelsstwjennyj Wjésstnik‹ (›Regierungsbote‹), gegründet 1868. Das französische ›Journal de St.-Pétersbourg‹, gegründet 1824, ist das Organ des Ministeriums des Auswärtigen, der ›Russkij Invalid‹ (›Russischer Invalide‹), gegründet 1813, ist offizielles Organ des Kriegsministeriums, der ›Wjésstnik finánssow‹ (›Finanzbote‹), gegründet 1883, offizielles Organ des Finanzministeriums. Die beiden größten Tagesblätter sind: ›Nówoje Wrémja‹ (›Neue Zeit‹), gegründet 1868, das Organ der russischen Nationalisten, und ›Nówosti‹ (›Neueste Nachrichten‹), gegründet 1870, das Organ der liberalen Doktrinäre. Das konservative Element vertreten die ›Peterbúrgskija Wédomosti‹, den panslawistischen Chauvinismus der ›Swjet‹ (›Welt‹), gegründet 1884. ›Russkoje Snamia‹ ist das Blatt des ›Verbandes der wahrhaft russischen Leute‹. Alle diese Blätter erscheinen in Petersburg. In Moskau ist das bedeutendste Blatt die ›Russkija Wédomosti‹ (›Russische Zeitung‹), gegründet 1871, während Katkows ›Moskówskija Wédomosti‹ (›Moskauer Zeitung‹), gegründet 1755, nach dessen Tod alle Bedeutung eingebüßt haben. Unter den Provinzblättern steht obenan der in Kiew erscheinende ›Kijewljanin‹ (›Der Kiewer‹); der in Warschau herausgegebene ›Warscháwsski Dnewnik‹ (›Warschauer Tageblatt‹) ist ein halbamtliches Organ und wird in der Kanzlei des Generalgouverneurs zensiert. Außerdem erscheint in Russisch-Polen auch eine Anzahl polnischer Zeitungen; die verbreitetste ist der ›Kurjer Warszawski‹ in Warschau. Das verbreitetste russische Unterhaltungsblatt ist die illustrierte Wochenschrift ›Niwa‹ (›Das Feld‹), 1889 begründet von einem Deutschen, Adolf Marcks, und das gediegenste illustrierte Blatt die ›Wssemirnaja Illustrázija‹ (›Allgemeine Illustrierte Zeitung‹), gleichfalls 1868 von einem Deutschen, Hermann Hoppe, begründet. Unter den Monatsschriften sind der ›Wjésstnik Jewrópy‹ (›Europäischer Bote‹), der Vertreter des westeuropäischen Liberalismus, und die ›Rússkaja Sstariná‹ (›Russisches Altertum‹) zu nennen. Den konservativen und nationalistischen Prinzipien dient die Revue ›Rússkij Wéstnik‹ (›Russischer Bote‹). Die Presse in Finnland ist in den letzten Jahren fast vollständig vernichtet worden; geordnete Zustände haben sich noch nicht wieder gebildet; es ist daher auch die Frage, ob sich das neugegründete Volksblatt in Helsingfors: ›Suomen Kansas‹, längere Zeit halten wird.
In Serbien besteht fast absolute Preßfreiheit, es existiert daher dort eine große Menge von Zeitungen (in Belgrad allein erscheinen 14 täglich), die aber alle nur geringe Bedeutung haben. Das Organ der Regierung ist ›Samou Prava‹._– In Bulgarien befindet sich die Presse noch auf einem sehr niedrigen Niveau. Alle Zeitungen leben nur von ihrer Partei, oder der Regierung, oder von beiden._– In Griechenland zählte man 1844: 20 periodische Blätter, unter ihnen 7 politische, die meist in Athen erschienen, heute gibt es etwa 130 griechische Zeitungen, die alle nur eine sehr kleine Auflage haben. Die verbreitetsten sind ›Asty‹ und ›Akropolis‹ in Athen._– In Rumänien erschienen 1906 etwa 80 politische Tageszeitungen, davon 12 in Bukarest und 4 in Jassy, und 49 fachwissenschaftliche, belletristische, gewerbliche, militärische etc. Blätter. Die literarischen Zeitschriften sind meist von kurzem Bestande._– In der Türkei entwickelte sich die Presse sehr spät. Erst um 1832 erschien die erste türkische Zeitung ›Tacvimi Vecahi‹ (›Zeitung der Ereignisse‹), worauf dann aber unter leidlicher Preßfreiheit rasch eine große Zeitungsliteratur emporsproß. 1876 gab es in Konstantinopel bereits 72 Zeitungen, darunter 16 in türkischer, 13 in armenischer, 12 in griechischer und 20 in französischer Sprache. Im J. 1877 wurde jedoch ein sehr strenges Preßgesetz erlassen, worauf die meisten Zeitungen eingingen. Unter den Blättern, die heute in Konstantinopel erscheinen, sind die verbreitetsten: in französischer Sprache ›Levant Herald‹ (französisch und englisch), ›Moniteur Oriental‹; in griechischer ›Konstantinúpolis‹; in türkischer ›Ikdam‹ (amtlich), ›Tarik‹, ›Seadet‹, ›Terdschumân-i-Hakîkat‹, ›Sabaha‹, ›Mahumat‹ (illustriert), ›Resimbli Gazetta‹ (illustriert), daneben einige Zeitungen in armenischer Sprache; andre erscheinen in Alexandria, Beirut etc. Die öffentliche Meinung vermögen die Blätter aber bei der strengen Zensur nicht wiederzugeben.
Amerika. Die großartigsten Dimensionen hat das Zeitungswesen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika angenommen. Der Zeitungsreichtum dieses Landes wird von keinem Lande der Welt erreicht. In einem Jahrhundert ist ihre Zahl von 37 auf 12,500 gestiegen. Am 25. Sept. 1690 erschienen zum ersten- und letztenmal in Boston die ›Public Occurrences‹, die sofort von der Regierung unterdrückt wurden. Mit den seit 1704 ebenfalls in Boston erscheinenden ›News Letters‹ hebt aber die Geschichte der amerikanischen Presse an. Ihr rasches Wachstum datiert vom Jahre 1750, in dem in sämtlichen Kolonien erst 20 Zeitungen erschienen. 1775 erschienen 35 Zeitungen, 1800: 150, 1885: 13,494 periodische Druckschriften, 1906 gegen 30,000. Die Zahl der täglich in diesem Jahre erschienenen Blätter betrug über 2300, davon waren etwa 600 Morgen- und etwa 1700 Abendblätter. Die Bruttoeinnahmen von Zeitungen in den Vereinigten Staaten werden mit rund 750 Millionen Mark veranschlagt, wovon 400 Millionen auf die Inserate und 350 Millionen auf den Zeitungsverkauf entfallen. Der Hauptverlagsort ist New York, wo 56 Tagesblätter erscheinen (›Herald‹, ›Daily News‹, ›World‹, ›Times‹, ›Morning Journal‹, ›Sun‹, ›New Yorker Staatszeitung‹, ›Morgen-Journal‹ etc.). (Vgl. Artikel New York und Vereinigte Staaten von Nordamerika, S. 53.)_– In Mittel- und Südamerika erscheinen etwa 1000 Zeitungen, davon etwa 300 in Brasilien. Unter den zahlreichen Blättern der Hauptstadt sind das ›Jornal do Commercio‹ und die ›Gazeta de Noticias‹ die gelesensten. In Rio de Janeiro erscheint unter andern auch eine ›Deutsche Allgemeine Zeitung‹, in den Provinzen erscheinen noch 4 deutsche Zeitungen.
Asien. Afrika. Australien. Was die übrigen Weltteile betrifft, so beschränkt sich das Zeitungswesen keineswegs mehr auf die europäischen Kolonien, wenigstens in Asien nicht, wo in China z.B. zu Peking ein amtliches Regierungsblatt, ›King-Pao‹, erscheint, das amtliche Veränderungen, Verordnungen u. dgl. enthält. Einen großartigen Aufschwung hat die Zeitungspresse in Japan genommen, wo die erste Tageszeitung 1864 herauskam. Darauf erschienen 1879 dort bereits 266 Zeitungen in japanischer Sprache, und jetzt (1907) gibt es, nachdem 1897 die Zensur aufgehoben worden ist, nicht weniger denn 750 Zeitungen und Zeitschriften in Japan, darunter über 20 tägliche Blätter in Tokio. 6 Zeitungen erscheinen in englischer Sprache, von denen eine, die ›Japan Times‹, von Japanern geschrieben und im japanischen Geiste geleitet wird. Die ›China Mail‹, der ›Japan Herald‹ und der deutsche ›Ostasiatische Lloyd‹ vermitteln hauptsächlich eine Verbindung Europas mit diesen Ländern. In Ägypten kommen schon seit einem halben Jahrhundert zu Kairo in türkischer und arabischer Sprache die ›Ägyptischen Begebenheiten‹ heraus. Ferner erscheint seit Ende 1907 in Kairo wöchentlich einmal die ›Deutsche Zeitung für Ägypten‹. In Algerien erscheinen einige Tagesblätter in französischer und in französisch-arabischer Sprache in Algier. Eine ›Deutsche Marokko-Zeitung‹ wurde Ende 1907 in Tanger ins Leben gerufen. In Südafrika bringen das Kapland und die Nachbarkolonien die meisten Zeitungen hervor, sie haben indes alle nur lokale Bedeutung. Vgl. Ratcliffe's ›Guide to the South African Press‹ (Lond. 1902). Am höchsten entwickelt ist die Presse in Ostindien, wo sie natürlich ganz nach englischem Muster eingerichtet ist. Die ›Calcutta Gazette‹, die seit 1874 besteht, die ›Bombay Times‹, die ›Times of India‹, die ›Madras Gazette‹ sind die gelesensten Zeitungen. Sie erscheinen in englischer Sprache. Dabei gibt es in den Sprachen des Landes noch eine Menge Zeitschriften, doch haben diese Blätter alle eine äußerst kleine Auflage, viele nur etwa 50 Abnehmer. Vgl. W.F.B. Laurie, Sketches of distinguished Anglo-Indians. With an account of Anglo-Indian periodical literature (2. Aufl., Lond. 1887). In Niederländisch-Indien zählte man etwa 30 Blätter. Von diesen werden 21 in holländischer und 9 in malaiischer, bez. javanischer Sprache gedruckt. Ein reiches Preßleben entwickelt auch Australien, wo die Zeitungen natürlich hauptsächlich in englischen Händen sich befinden. In Neusüdwales bestanden schon 1841: 29 Zeitungen, unter denen der ›Sidney Herald‹ heute noch die bedeutendste ist. In Adelaide allein erschienen schon 1851: 13 Zeitungen, darunter 2 deutsche; jetzt gibt es deren etwa 30, darunter auch illustrierte Wochenschriften und Witzblätter. In Melbourne ist die verbreitetste ›The Age‹. Vgl. J. Bonwick, Early struggles of the Australian press (Lond. 1890).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.