Säule

Säule

Die drei Hauptteile jeder Säulenordnung sind: das auf der Säule ruhende Gebälk, diese selbst und der wagerechte, sie unterstützende Unterbau (Säulenstuhl, Stylobat). Das Gebälk zerfällt von unten nach oben wieder in drei Teile, den Architrav, den Fries und das Kranzgesims (Geison; Fig. 1 u. 9). An der Säule unterscheidet man den Knauf oder das Kapitell, den Schaft und die Basis (Fig. 9). Die einzelnen Teile des Gebälks und der Säule gestalten sich in den einzelnen Säulenordnungen in folgender Weise:

In der dorischen Säulenordnung, die, wie uns die Überreste der besten dorischen Tempel, z.B. in Pästum (Fig. 1 u. 1 a), der Parthenon in Athen (Fig. 2 u. 2a; s. auch Tafel ›Architektur III‹, Fig. 6), der Tempel des Nemëischen Zeus (Fig. 3), lehren, in sehr verschiedenen Verhältnissen auftritt, besteht das Geison nur aus einer mit einfacher Kranzleiste gekrönten Platte, deren Unterfläche durch hervortretende, mit Tropfen besetzte Platten a charakterisiert ist. Der Fries besteht aus den mit Dreischlitzen (Triglyphen) versehenen Trägern b (bei Fig. 1) des Geison und den zwischen ihnen befindlichen Feldern (Metopen) c, die meist durch glatte oder mit Reliefs geschmückte Platten ausgefüllt waren. Unter dem Fries befindet sich der glatte Architrav, nur von einer dünnen, etwas vorspringenden Platte abgedeckt, an die, dem Triglyphon entsprechend, kleine Leisten mit hängenden Tropfen ansetzen. Der Säulenschaft, nach oben sich verjüngend, mit einer Anschwellung (Entasis), wird durch etwa 20 Kannelierungen e belebt. Das Kapitell besteht aus einem Wulst (Echinus) etwa von der Form einer mehr oder weniger ausladenden Schüssel, mit einer Hohlkehle oder einigen Riemen d über dem Schafte (der durch leichte Einschnitte begrenzte »Säulenhals«, Fig. 1a u. 2a), und einer quadratischen Deckplatte, dem Abakus. Dagegen hatte die dorische Säule keine besondere Basis. Die Höhe der Säule mißt bei den Monumenten der besten Zeit 51/2, bei den frühern und spätern Tempeln bez. 4 und 61/2 ihrer untern Durchmesser, während der Säulenabstand etwa 11/3 untere Durchmesser und das Verhältnis ihrer Gebälk- zu ihrer Säulenhöhe bez. etwa 1: 2,4, 1: 3 und 1: 4 beträgt. Legt man den untern Halbmesser der Säule als Einheit (Modulus) zugrunde und teilt ihn in 30 Teile (Partes), so ergeben sich die in Fig. 1, 2 und 3 eingetragenen Verhältniszahlen zwischen der Säule, dem Gebälk und deren Teilen.

In der ionischen Säulenordnung, die, wie uns die Überreste der besten ionischen Tempel, z.B. am Ilissos in Athen (Fig. 4), der Athene Polias in Priene (Fig. 5), der Athene Polias in Athen (Fig. 6), zeigen, ebenfalls in verschiedenen Verhältnissen auftritt, besteht das Geison aus einer meist unterschnittenen Hängeplatte, die oben durch ein bisweilen mit Ornamenten geschmücktes Glied (Kymation) bekrönt und unten durch ein etwas ausgeladenes, gleichfalls ornamentiertes Glied, ohne oder mit Zahnschnitten (Fig. 6 u. 5), unterstützt wird. Der ionische Fries, den übrigens nicht alle Bauten haben (Fig. 5, Priene), ist glatt oder mit durchlaufenden Skulpturen in Relief geschmückt und oben mit einem durch eine Perlschnur angehefteten, mit Blattwerk geschmückten Vermittelungsglied (Kymation) versehen. Durch ein glattes oder ornamentiertes Trennungsglied geschieden, folgt der meist durch schwache, bisweilen durch Perlschnüre vermittelte Vorsprünge in drei wagerechte Streifen zerlegte Architrav, der hierdurch ein wesentlich leichteres Ansehen erhält. Durch Vermittelung einer mit Blattwerk geschmückten quadratischen Platte nimmt die Säule den Architrav, bez. das Gebälk auf. Sie zerfällt in das (aus einem durch eine Perlschnur angehefteten Kymation [Eierstab] und einer die Vermittelung des wagerechten Architravs als Last und der lotrechten Säule als Stütze herstellenden Doppelspirale bestehende) Kapitell (Fig. 4a_– 6a), den mit meist 24 durch schmale Stege voneinander getrennten Kannelüren versehenen Schaft und die meist durch eine Hohlkehle mit ihm vermittelte, oben und unten durch zwei wulstförmige Trennungsglieder begrenzte Basis (Fig. 4b u. 6b). Zu dieser attischen Basis, die unmittelbar auf dem gemeinsamen Stylobat ruht, tritt bei der ionischen Basis (Fig. 5b), als Vermittlerin zwischen diesem und dem zentralen Säulenschaft, noch eine quadratische Unterlagsplatte. Die Höhe der Säule mißt 81/2–91/2, der Säulenabstand 2 untere Durchmesser, während das Verhältnis der Gebälk- zur Säulenhöhe 1: 4 bis 1: 4,5 beträgt. Legt man auch hier den untern Halbmesser der Säule als Einheit zugrunde und teilt ihn in 30 Teile, so ergeben sich die in Fig. 4–6 eingetragenen Verhältniszahlen zwischen der Säule, dem Gebälk und deren Teilen.

Die korinthische Säulenordnung, so genannt nach der Stadt Korinth, schließt sich, wie Fig. 7 zeigt, in ihren Hauptteilen der ionischen Ordnung an. Das Kapitell bildet ein Blattkelch, aus dem gewöhnlich noch volutenförmige Ranken herauswachsen. Eins der zierlichsten Kapitelle zeigt das Monument des Lysikrates in Athen (Fig. 7 u. 7a und Tafel ›Architektur III‹, Fig. 9). Viel einfacher sind die Kapitelle vom Turm der Winde in Athen (s. Tafel ›Architektur III‹, Fig. 11). Wenn die korinthische Ordnung (das Kapitell ausgenommen) auch keine eigenartige Ausbildung zeigt, so sind doch die vermehrte Leichtigkeit ihrer Verhältnisse, ihre reichere Ausstattung und die größere Mannigfaltigkeit ihrer Einzelformen für die Folgezeit, zunächst für die römische Baukunst, von hoher Bedeutung geworden.

Die römische Säulenordnung schließt sich den griechischen Säulenordnungen, insbes., wie Fig. 8 zeigt, der griechisch-korinthischen, mehr oder minder eng an. Die römisch-dorische Säulenordnung fügt der Säule eine aus Wulst und Plättchen bestehende oder die attische Basis mit quadratischer Fußplatte hinzu, bedient sich eines glatten Säulenschaftes mit bandartigem Säulenhals und eines aus gegliederter Deckplatte und aus im Querschnitt viertelkreisförmigem, meist mit dem sogen. Eierstab geziertem Echinus zusammengesetzten Kapitells, während der Architrav erniedrigt, der Triglyphenfries erhöht und das Kranzgesims mannigfaltiger gegliedert erscheint. Die römisch-ionische Ordnung beschränkt sich auf eine steife Umgestaltung des Kapitells und eine reichere Gliederung und Ornamentierung des Gebälks; dagegen wurde die korinthische Ordnung, wie z.B. bei dem Tempel des Jupiter-Stator in Rom (Fig. 8), meist mit mehr Pracht ausgestattet, die besonders dem mit Zahnschnitten und Konsolen geschmückten, reich dekorierten Hauptgesims gugute kam. Bisweilen wurde das Kapitell in seinem untern Teil aus korinthischen, in seinem obern Teil aus ionischen Elementen zusammengesetzt und hierdurch die unvermittelte Form des Komposit- oder römischen Kapitells geschaffen, bisweilen auch, wie an dem Pantheon in Rom, an die Stelle des kannelierten der glatte Schaft gesetzt (Fig. 9).


Säulenordnungen.
Säulenordnungen.

http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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