Rind

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I. Steppenrassen. Die Steppenrasse, graues Steppenvieh, ost- und südeuropäisches Grauvieh (nach Rütimeyer wie die Niederungsrassen vom Ur abstammend), in Asien und Südosteuropa, in Rußland, den Balkanstaaten, in Ungarn und als romanische Rasse in Italien verbreitet, hat silbergraue (weiße) bis grau braune, niemals gefleckte Haarfarbe, stark entwickeltes Vorder- und schwach entwickeltes Hinterteil. Kopf lang und schmal, Hörner, namentlich bei den Ochsen, von erheblicher Länge, Hals ohne Wamme, Rumpf etwas flachrippig, starkes Knochengerüst, Beine ziemlich hoch, aber kräftig gestellt. Die Tiere leben auf den ausgedehnten Steppenweiden ihrer Heimat in großen Herden und sind selbst in den heißen Sommermonaten, wo sie oft Mangel an Futter und Wasser leiden, sehr genügsam. Große Verluste entstehen in den Steppenherden durch die Rinderpest, die in den russischen und asiatischen Landstrichen niemals vollständig aufhört. Die Rinder der grauen Rasse, die wieder in die ungarisch-siebenbürgischen (Fig. 1) und in die russischen Steppen-, auch podolisch-bessarabischen Rassen unterschieden werden, haben eine starke, zur Lederverarbeitung sehr geeignete Deckhaut; die Ochsen liefern ausgezeichnete Zug- und Masttiere; dagegen geben die Kühe wenig, aber fettreiche Milch. In Italien ist die romanische Rasse von der Lombardei bis nach Sizilien verbreitet; sie ist der ungarischen in den Körperformen sehr ähnlich, gelblich oder auch silbergrau gefärbt. Vgl. Freytag, Rußlands Rindviehrassen (Halle 1877); Grund, Das Kalmückenrind (Wien 1905); Stegmann, Rußlands Rinderrassen (Riga 1906).

II. Die Niederungsrassen, Marschrassen, Tieflandrassen (Fig. 2–4), in den grasreichen Niederungen an der Nord- und Ostsee und den anschließenden Landstrichen heimisch. Kopf häufig lang und schmal, Hörner wagerecht abstehend mit einwärts gekehrten Spitzen. Hals fast ohne Wamme. Vorderteil weniger als das kräftig ausgebildete Hinterteil entwickelt. Lange trockene Beine. Feine glatte Haare scheckig (bunt, doppelfarbig), schwarz, aber auch rot, braun, weiß und mausfarbig. Milchergiebigkeit berühmt, je doch geringer Fettgehalt, gut mastfähig; schlechte Zugtiere. Zu den Niederungsrassen gehören: 1) die holländische Rasse, 2) die Oldenburger u. ostfriesische Rasse, 3) die jütische Rasse; 4) die schleswig-holsteinische Rasse; 5) das Niederungsvieh in West- und Ostpreußen; 6) verwandte Viehschläge in Belgien, die Rassen von Flandern und der Normandie, die lang-, kurzhornigen und ungehörnten englischen Rassen. Die erste Gruppe umfaßt das milchreiche Niederungsvieh in den weidereichen Marschen von Holland. Am berühmtesten sind die Viehschläge in Nord- und Südholland sowie in Westfriesland. Das holländische Vieh (Fig. 3) ist schwarz-, braun-, auch blau- und graufleckig; einfarbige Tiere sind selten. Lebendgewicht der Kühe 600–700 kg. Bei ausgezeichneter Milchergiebigkeit ist die Mastfähigkeit mittelmäßig. In Belgien schließen die Schläge von Limburg, von Furnes-Ambach u. der Ardennenschlag sich nahe an, erreichen die holländischen Schläge aber nicht in ihren Vorzügen, was dagegen mehr bei dem Viehschlag in Ostfriesland der Fall ist, der von dem holländischen hauptsächlich durch seine braunrote Farbe mit und ohne weiße Flecke sich unterscheidet, in den Körperformen, im Lebendgewicht und den sonstigen Eigenschaften ihm aber fast gleichsteht. Das oldenburgische Vieh (vgl. Wesermarschstier, Fig. 2) ist meistens schwarzbraun, auch einfarbig schwarz, mit derben Knochen, etwas starkem Kopf mit starken Hörnern und von im allgemeinen kräftigem Bau, weshalb es sich besser zu Arbeitsvieh eignet als das holländische; die Milchergiebigkeit ist beim Marschvieh sehr gut. Die Viehschläge in Schleswig-Holstein zerfallen wie die Oldenburger in Marsch- und Geestvieh. In den Landschaften Eiderstedt und Dithmarschen, wo Fettgrasung getrieben wird, ist das Vieh vielfach mit englischen Mastviehrassen durchkreuzt, meistens schwarz- oder blaubraun, während in Wilstermarsch (Fig. 4) und namentlich in Breitenburg das Vieh reinblütig gezüchtet wird. Diese beiden Schläge haben als milchreiches, gut gebautes Vieh großen Ruf und werden vielfach ausgeführt; die Farbe ist braunscheckig oder weiß mit braunen Flecken. Von dem Geestvieh unterscheidet man die Schläge in Angeln (Fig. 5), Tondern, Hadersleben und Jütland. Am meisten bekannt als milchreiches u. für den Weidebetrieb geeignetes Vieh sind die beiden erstem, besonders das Anglervieh. Beide Schläge sind rotbraun mit dunkel gefärbten Extremitäten. Von den Viehschlägen in Westpreußen ist das Danziger Niederungsvieh dem holländischen nahe verwandt, aber eckig und schmal in den Formen, dabei jedoch sehr milchergiebig. Meistens schwarz- und braunfieckig gefärbt, tritt es im Körpergewicht den schwersten Schlägen an die Seite, ist aber als Arbeitsvieh wenig brauchbar. Vgl. Ellerbrock, Die holländische Rindviehzucht (2. Aufl., Braunschw. 1866); v. Mendel, Rindviehzucht in Oldenburg (Brem. 1883); Wegner, Die Rindviehschläge Ostfrieslands (Emden 1885); Padelt, Das schwarzbunte Niederungsvieh (Neudamm 1898); Ramm u. Parey, Deutsches Rinder-Merkbuch (Berl. 1898); Rasch, Das westpreußische Rind (Leipz. 1904); Groß, Das ostfriesische Rind (das. 1905); Hofmann, Das Holländer Rind (das. 1905); H. Müller, Das Jeverländer Rind (das. 1904).

III. Einfarbiges Gebirgsvieh. Einfarbiges Alpenvieh, kurzhorniges Vieh (Brachyceros-Typus nach Rütimeyer), im Alpengebiet der mittlern u. östlichen Schweiz, Tirol und Vorarlberg, Apenninen und Pyrenäen. Die Farbe geht vom dunkeln Schwarzbraun (Braunvieh) bis zum hellen Grau. Hellere Haarfärbung am Maul (Rehmaul), am innern Rande der Ohrmuschel, auf dem Rücken (Aalstrich), dem untern Teile des Bauches und an der Innenseite der Füße. Das einfarbige Gebirgsvieh hat kurzen, in der Stirn breiten Kopf mit weitem Kehlgang, starke Wamme, die bereits vorn am Kehlkopf beginnt und den Kopf kürzer erscheinen läßt, Rücken gerade, vor dem Becken mitunter etwas erhöht und dann im Kreuz nach hinten abfallend; Hüften breit und hoch, Gliedmaßen kurz und kräftig gestellt. Flotzmaul, Hörner und Klauen fast immer dunkel gefärbt. Größe je nach dem Schlage sehr verschieden. Durch den Aufenthalt auf den Alpweiden sind die Tiere körperlich kräftig entwickelt; sie eignen sich für die Benutzung zur Arbeit, nähren sich verhältnismäßig leicht und sind mittelmäßig im Milchertrag, der in der besten Milchzeit 8–10 Lit. pro Tag beträgt, die Milch hat mittlern Fettgehalt. Die Mastfähigkeit wird gerühmt. Schläge: A. Braunvieh, in der Schweiz: Braunvieh, Schwyzer (Fig. 6), Rigi-, schwarzbraune oder graubraune Schweizer Rasse; in Vorarlberg: Montavoner, Walser- und Klosterthal, Bregenzerwälder Schlag; B. Grau-(Gelb-)vieh in Tirol: semmel- oder tierfarbige Oberinntaler, Lechtaler, Etsch- und Wipptaler Schlag; in Bayern: Algäuer Schlag (Fig. 7), wegen seiner Milchergiebigkeit berühmt, fast hellgrau, Gewicht bis höchstens 450 kg; in Steiermark ostalpines Grauvieh: dachsgraue Mürztaler, das den Übergang des Gebirgsviehes zu dem ungarischen Rind vermittelt, semmelfarbiges Murbodener Rind. Vgl. Abt, Das schweizerische Braunvieh (Frauenfeld 1905); Anderegg, Das schweizerische Braun- und Fleckvieh (Brem. 1892); Kaufmann, Das schweizerische Braun- und Fleckvieh (Bern 1896).

IV. Bunte Gebirgsrassen, bunte Tallandrassen, großstirnige Alpenrassen (Frontosns-Typus, nach Rütimeyer) in der nordwestlichen Schweiz und in den Alpenländern Süddeutschlands, unterscheiden sich vom Braunvieh durch schwerern Körperbau und besonders durch gefleckte Haarfärbung (Fleckvieh). Die sehr starke und breite Stirn, das kräftige Genick und der kurze, starke Hals machen die Tiere zur Arbeitsleistung mit dem Stirnjoch durch ihren überaus kräftigen Körper mit breiter Brust und kräftigen, gut gestellten Gliedmaßen sowie durch ihre starke Konstitution besonders geeignet. Die Kühe besitzen gute Milchergiebigkeit bei 3,5–4 Proz. Fettgehalt der Milch, und die Ochsen zeigen sich sehr mastfähig. Einzelne Schläge zeichnen sich durch hohes Körpergewicht aus, das bei erwachsenen männlichen Tieren bis zu 1500 kg heranreicht. A. Rot- und Schwarzbuntvieh: 1) Fleckvieh der Schweiz, rote, rotscheckige oder schwarzscheckige Schweizer, Berner Rasse; die besten Schläge derselben sind der Freiburger, semmelgelbe Simmentaler (Fig. 8), Emmentaler Schlag; 2) Tiroler Vieh, Unterinntaler Vieh und zwar: a) Tuxer, b) Pustertaler Vieh. B. Rotbuntvieh: Zillertaler Vieh. 3) Scheckiges Vieh in Salzburg und Kärnten: a) Pinzgauer (Fig. 9), berühmteste österreichische Alpenrasse, gleich geeignet zu allen drei Nutzungsrichtungen; b) Pongauer, c) Lungauer (Übertaurer), d) Landler, e) Brixentaler, f) Mölltaler in Kärnten. C. Ostalpines Blondvieh: 4) Weißes norisches Vieh: a) Mariahofer in Steiermark, b) Lavantaler in Kärnten. Vgl. Kaltenegger, Die österreichischen Rinderrassen (Wien 1879–1904); Kaltenegger und v. Blaas, Album der Rinderrassen der österreichischen Alpenländer (das. 1894–96); Gierth, Pinzgauer Viehzucht (2. Aufl., Salzb. 1897); Martiny, Geschichte des Mölltaler Rindviehschlages (Klagenf. 1880); Mottony, Mölltaler Rindviehschlag (Wien 1883); Schuppli, Monographie des schweizer. Braunviehes (Aarau 1891); Nörner, Schweizer Fleckvieh (2. Aufl., Neudamm 1894); Kaufmann u. Müller, Das schweizerische Braun- und Fleckvieh (Bern 1895); Detlweiler, Die Simmentaler und ihre Zucht (Leipz. 1902); Käppeli, Das Fleckvieh der Schweiz (Bern 1902).

V. Die Landrassen. Das mitteldeutsche und österreichische, meist rote, rotbraune u. rotgelbe Landvieh zeigt infolge der Vermischung zahlreiche Übergänge, die gegen die Niederung mehr Ähnlichkeit mit dem Niederungsvieh, gegen die Höhe mehr Verwandtschaft mit dem Gebirgsvieh aufweisen. Schläge nach Kraft: A. Österreichische Rinder in Böhmen: a) Egerländer Rind, b) Brüxer Landschlag, c) Böhmerwaldschlag; in Mähren: d) Kuhländer Rind; in Niederösterreich: e) Waldviertler Vieh (Arbesbacher, Gföhler, Zwettler Schlag), f) Stockerauer Schlag, g) Helmvieh (Helmete); in Oberösterreich: h) Lichten, Weiserschecken, Engelzeller, i) Innviertler Schecken. B. Mittel- und süddeutsche Rinder nach Lydtin und Werner: a) Mischlinge von Tief- und Höhenlandrindern: 1) Ansbach-Triesdorfer Vieh (Fig. 10), 2) Rosensteiner in Württemberg, b) Gelbe, einfarbige Tallandrinder: 3) Franken- oder Marientaler Schlag (Rhönschlag), 4) Scheinfelder, Bayrisch-Mittelfranken, 5) Glan-Donnersberger, Rheinpfalz, 6) Limpurger, Württemberg, c) Einfarbig rotes und rotbraunes Vieh: 7) Vogtländer (Sechsämter), 8) Harzer, 9) Vogelsberger, Oberhessen. d) Braun- und rotblässige Rinder: 10) Kehlheimer, 11) Westerwälder. e) Rückenschecken mit Rückenblässe: 12) Vogesenschlag (Fig. 11), 13) ober- und niederbayrisches Landvieh, 14) Hinterwälder. f) Großes Höhenfleckvieh (Simmentaler): 15) Miesbacher, 16) oberfränkische (Bayreuther) Schecken, 17) Meßkircher, Oberbaden, 18) Schwarzwaldschlag (Wäldler, Waldvieh), 19) Albschlag, 20) Teckschlag, 21) Neckarschlag, 22) schwäbisch-hällischer Schlag. C. Schlesisches Rotvieh. Vgl. Lydtin u. Werner, Das deutsche Rind (Berl. 1899); Heizmann u. Utz, Der Meßkircher Rindviehschlag (das. 1884); »Mitteilungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft« (das.); Sieglin, Die Rinderzucht in Württemberg (Stuttg. 1888); Lehnert, Rasse und Leistung unsrer Rinder (3. Aufl., Berl. 1896); Holdefleiß, Die Rinderzucht Schlesiens (Bresl. 1896); Leithiger, Das Vogelsberger Rind (Gießen 1896); Adametz, Studien über das polnische Rotvieh (Wien 1901); Matthiesen, Beitrag zu einer Monographie des Harzrindviehes (Brem. 1894); Strebel, Die Hohenheimer Rindviehherde (Stuttg. 1901).

VI. Die englischen Rassen. An Stelle der frühern Einteilung in langhornige, mittelhornige, kurzhornige, ungehörnte und Alderney-Rasse werden gegenwärtig in England unterschieden: 1) die Shorthorn- (Fig. 12), hochgezogene Kurzhorn- oder New Durham-Rasse. In Ostengland, besonders in den Grafschaften Durham, York, Lincoln u.a., sind milchreiche Viehschläge der Niederungsrasse seit langer Zeit verbreitet gewesen, deren Mastfähigkeit aber zu wünschen übrig ließ. Die Brüder Colling in der Grafschaft Durham verbesserten daher um 1770 diese Rasse mit außerordentlichem Erfolg, indem sie alle nutzbaren Teile, besonders den Rumpf, in der Gestalt eines Langwürfels auszubilden suchten, dagegen Kopf, Beine etc. zurücktreten ließen. Nebstdem wurde Frühreife und leichte Ernährung angestrebt. Die Shorthornrasse ist jetzt die berühmteste englische »Kulturrasse«, vereinigt Mastfähigkeit und Milchergiebigkeit, während sie als Arbeitsvieh wenig brauchbar ist. Die Haarfarbe zeigt zahlreiche Nuancen, nur Schwarz und Braun kommen nicht vor; am häufigsten sind neben ganz weißen Tieren Rotschecken und Rotschimmel (roan), bevorzugt ist sternblumenartige Zeichnung; die feinen Hörner sind gelb, das Flotzmaul rot. Die Körperformen werden von keinem andern Viehschlag übertroffen; 2) Herefordrasse, zunehmend von den Shorthorns verdrängt; 3) Devonrasse; 4) Sussexrasse; 5) Ayrshirerasse, berühmteste schottische Milchviehrasse; 6) Kerryrasse; 7) Inselvieh, Kanalinselvieh, und zwar Jersey (Fig. 13), Guernsey und Alderney auf den britischen Kanalinseln. Erstere werden besonders in den Vereinigten Staaten von Nordamerika als »Butterkühe«geschätzt. 8) Ungehörnte Rassen (polled cattle), meist in Schottland, wie das kleine mastfähige Gallowayvieh u. das große schwarze für Milchnutzung geeignete Aberdeen-, Angusvieh. Vgl. Coleman, Englische Viehrassen (deutsch von Zöppritz, Stuttg. 1887).

VII. Die französischen Rindviehrassen. 1) In Nordfrankreich schließen sich die Viehschläge der Niederungsrasse (Bos primigenius) an, 2) in Mittel- und Südfrankreich dem Braunvieh der Schweiz und 3) in Ostfrankreich dem Schweizer Fleckvieh. In neuester Zeit wurde zur Verbesserung der Mastfähigkeit vielfach Durham vieh (Shorthorns) aus England benutzt. Unter den gemischten Rassen von Ostfrankreich ragt besonders hervor: die weiße Rasse von Charolais (Fig. 14), die sich den besten englischen Rassen zur Seite stellt. Vgl. P. Meyer, Rinderrassen und Käsefabrikation in Frankreich (Brem. 1897).


Rinderrassen.
Rinderrassen.

http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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