- Vieheinfuhrverbote
Vieheinfuhrverbote und Einfuhrbeschränkungen bestehen in allen europäischen Staaten, am strengsten in England, gegenüber dem Ausland in verschiedenem Umfang. Sie haben zweifellos erheblichen Einfluß auf die Regulierung des Viehhandels (s. d.), auf die Fleischversorgung jedoch nur in beschränktem Maß, weil die Einfuhr von ausgeschlachtetem Fleisch bei den heutigen Verkehrsmitteln zu jeder Zeit und auf jede Entfernung möglich ist, wie besonders die reichliche Versorgung Englands mit amerikanischem und australischem, gefrornem Fleische zeigt. Die V. sind eine unentbehrliche Ergänzung der im Inland zur Unterdrückung von Viehseuchen getroffenen Maßnahmen (s. Viehseuchengesetz). Wenn schon der heutige Viehverkehr die Gefahr mit sich bringt und oft genug verwirklicht, daß von einem inländischen Seuchenherde aus, noch ehe er erkannt ist, eine Verschleppung (durch Bahntransport) in verschiedenen Richtungen und auf weite Entfernungen stattfindet und dadurch die Niederhaltung der Seuchen außerordentlich erschwert wird, so würden alle Vorkehrungen vollkommen erfolglos werden, wenn solche Einschleppungen auch noch ungehindert von den Grenzen stattfinden könnten. Dagegen schützen aber im allgemeinen nur dauernde Einfuhrverbote oder -Beschränkungen, weil es niemals gelingt, Seuchenherde im Ausland schnell genug zu erfahren, um die Grenzen dann noch rechtzeitig schließen zu können, weil häufig nicht zuverlässig festzustellen ist, aus welchem Landesteil Vieh kommt. und weil auch eine tierärztliche Untersuchung an der Grenze ohne längere Beobachtung die Seuchenfreiheit der Tiere nicht ermitteln kann. Eine solche Beobachtung an der Grenze ist zwar ausführbar in Quarantäneanstalten, die jedoch nur unter günstigen Bedingungen möglich sind. Andernfalls würden, wenn unter das aufgestapelte Vieh kranke Tiere kommen, solche Anstalten künstlich geschaffene Seuchenherde und dem eingebrachten Vieh verderblich werden. In Deutschland bestehen (nach Abschluß der neuen Handelsverträge) zurzeit folgende Beschränkungen des Viehverkehrs an den Grenzen: die Pferdeeinfuhr ist allgemein gestattet, darf jedoch überall nur an bestimmten Orten (Einbruchstationen) nach tierärztlicher Untersuchung stattfinden. Pferde aus Amerika unterliegen einer bis vierwöchigen Quarantäne. Rinder zu Zucht- und Wirtschaftszwecken dürfen unbeschränkt, jedoch nach tierärztlicher Untersuchung, eingeführt werden aus der Schweiz. Außerdem werden aus Dänemark magere Ochsen unter vier Jahren im Herbst und Frühjahr, jedoch nur über die Landquarantänestation in Hvidding, eingelassen, wenn sie nach zehntägigem Aufenthalt daselbst gesund befunden werden. Außerdem dürfen Schlachtrinder eingeführt werden aus Österreich-Ungarn (nicht aber aus dessen Hinterländern), aus Dänemark, Schweden und Norwegen. Die Einfuhr darf nur in plombierten Waggons direkt in eines der hierzu berechtigten etwa 220 Schlachthäuser erfolgen, wo. die Abschlachtung binnen vier Tagen vorzunehmen ist. Das aus Dänemark, Schweden und Norwegen stammende Rindvieh darf überdies nur auf dem Seeweg und über bestimmte Hafenplätze eingeführt werden. an denen sich Seequarantäneanstalten befinden. Nach Überstehen der zurzeit auf zehn Tage festgesetzten Quarantäne dürfen die Rinder den Schlachthäusern zugeführt werden. Hiernach kann also Deutschland jede für seinen Bedarf etwa nötige Menge von Schlachtrindern aus dem Ausland beziehen. Dagegen ist die Schweineeinfuhr sehr beschränkt. Aus Rußland dürfen wöchentlich 2500 Schweine in sechs Schlachthäuser im oberschlesischen Industriebezirk eingeführt werden, des gleichen aus Österreich-Ungarn (nach dem neuen Handelsvertrag) ein bestimmtes Wochenkontingent in drei Schlachthäuser an der bayrischen, bez. sächsischen Grenze. Zuchtschweine dürfen mit besonderer Genehmigung aus England eingeführt werden. Die Einfuhr von Schafen und Ziegen ist bedeutungslos. Ziegen dürfen aus der Schweiz, Schafe zu Zuchtzwecken mit besonderer Genehmigung aus England, beide außerdem aus Dänemark, Schweden und Norwegen über die Seequarantäneanstalten (mit zehntägiger Quarantäne) eingeführt werden. Für Grenzschlachthäuser liegt kein Bedürfnis vor, da Rinder lebend bis in die meisten Schlachthäuser des Inlandes gebracht werden dürfen und statt lebender Schweine Schweinefleisch eingeführt werden kann. Gegenüber bestimmten Ländern bestehen auch Fleischeinfuhrverbote, so für alles Fleisch aus Rußland, für frisches Rindfleisch aus Amerika und Belgien, für frisches Schweinefleisch aus Dänemark, Schweden und Norwegen. Vgl. auch Vieh- und Fleischhandel.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.