- Bergsteigen
Bergsteigen. Die hygienische Bedeutung des Bergsports ist besonders durch Ortels Untersuchungen festgestellt worden. Männer, die den größten Teil ihres Lebens am Schreibtisch zubringen, und die Frauen der höhern Stände neigen zu übertriebener Fettablagerung im Unterhautzellgewebe und in der Muskelsubstanz selbst, namentlich erfolgt diese Fettablagerung auch bei dem Herzen, das nicht zu der erforderlichen Tätigkeit gezwungen wird, und kann bei höhern Graden mehr oder weniger rasch den Tod des Betreffenden bewirken. Energische, kräftige und zahlreiche Herzzusammenziehungen, die der Fettablagerung entgegenwirken, können nicht willkürlich hervorgebracht werden, wohl aber wird das Herz durch das B. zu einer erhöhten Tätigkeit angeregt. Dabei findet dann auch eine Beschleunigung des Blutlaufs statt, eine vermehrte Blutaufnahme in die Lungen, veranlaßt durch Vergrößerung der Einatmungen und Erweiterung des Brustkorbes, wodurch das Blut schneller mit dem nötigen Sauerstoff versehen wird. Durch die kräftigen Zusammenziehungen der großen Beinmuskeln wird das Blut in den Venen rascher zum Herzen hingetrieben, da jede Muskelzusammenziehung das Blut aufwärts preßt. Kranke, die an Atemnot infolge von andauernder mangelhafter Tätigkeit ihrer Lungen und ihres Herzens leiden, erfahren bedeutende Erleichterung, wenn ihnen durch zuerst sehr vorsichtige, allmählich sich steigernde Anstrengung durch B. eine größere Erweiterung ihrer Lungenbläschen verschafft wird. Durch die Anstrengung des Bergsteigens tritt eine Erregung der Blutgefäßnerven und dadurch eine Erweiterung der Blutgefäße ein und durch diese Erweiterung und stärkere Anfüllung der Arterien eine erhöhte Wärmeabgabe, sowohl durch die Haut als Schweiß oder im Innern als vermehrte Wärmeerzeugung. Durch das sehr starke Schwitzen bei anstrengenden Bergtouren wird der Körper von überflüssigen Wasseransammlungen im Innern befreit. Viel wirksamer als durch alle wassertreibenden Arzneimittel schwinden wassersüchtige Anschwellungen der Extremitäten und wassersüchtige Ergüsse in den serösen Höhlen durch methodisches B. Die durch das B. erzeugte Fähigkeit des Brustkorbes, sich tiefer und beweglicher auszudehnen, verliert nicht sofort mit dem Aufhören des Steigens ihre Wirksamkeit; die einmal hervorgerufene Veränderung des Lungenkreislaufes überdauert die Zeit des Bergsteigens, und durch wiederholte Bergbesteigungen kann also eine dauernde Verbesserung des Einatmens hervorgerufen werden. Nach Ortel sind die ausgiebigsten und zahlreichsten Zusammenziehungen des Herzmuskels und die bedeutendsten Erweiterungen des Brustkorbes nur durch das B. zu erzielen. Vgl. Buchheister, Über das B. (Hamb. 1889).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.