Rudimentäre Organe des Menschen

Rudimentäre Organe des Menschen

Rudimentäre Organe des Menschen, Körperteile, die ihres verkümmerten Zustandes wegen fast oder vollkommen leistungsunfähig sind. Sie sind aufzufassen als letzte Überreste von Organen, die bei den Vorfahren des Menschen wohl entwickelt und leistungsfähig waren, allmählich aber infolge von Nichtgebrauch im Laufe der Generationen rückgebildet wurden. Das Steißbein des Menschen (s. Tafel »Skelett I«, Fig. 2) ist der Rest eines Schwanzes, der im Embryo eine Zeitlang frei aus dem Körper hervorragt (s. Tafel »Embryo I«, Fig. 7 u. 8). In ihm befinden sich rudimentäre Muskeln, die früher zum Hervorbringen einer Bewegung dienten. Einer der ältesten rudimentären Muskeln dürfte der Pyramidenmuskel (musculus pyramidalis), der in der Sehnenscheide des geraden Bauchmuskels (s. Tafel »Muskeln«, Fig. 1) versteckt liegt, am Schambein entspringt und in der sehn igen Bauchwand unterhalb des Nabels endigt. Er ist bei Kindern stärker als bei Erwachsenen entwickelt und dürfte dem Beutelmuskel der Beuteltiere entsprechen. Auch unsre Ohrmuschel zeigt altererbte, jetzt nutzlose Eigentümlichkeiten. Auf der Außenfläche der Ohrknorpel, die die Muschel stützen, liegen fünf kleine Muskeln, die ehedem die Gestalt des äußern Ohres verändern konnten. Sie sind ebenso belanglos wie die andre Muskelgruppe, die vom Kopf aus an die Ohrmuschel herantritt, um sie nach vorn, rückwärts oder aufwärts zu ziehen. Durch andauernde Übung gelingt es zuweilen, diese ihre ursprüngliche Tätigkeit wieder zu wecken, ohne daß diese Bewegungen jemals ihre einstige Bedeutung für die Wahrnehmung der Schallrichtung auch nur andeutungsweise wieder erlangten. Das Haarkleid des Menschen, das im spätern Embryonalleben den Körper gleichmäßig überzieht (vgl. Lanugo), ist beim Erwachsenen am größten Teil des Körpers rudimentär geworden und meist nur auf dem Kopf, in der Achselhöhle, der Scham- und Aftergegend beider Geschlechter gut entwickelt. Der rudimentäre Säugeapparat des Mannes, der sich in Resten von Milchdrüsengewebe unter der Haut und äußerlich in der gut erhaltenen Brustwarze zu erkennen gibt, weist auf eine Zeit zurück, wo beide Geschlechter an der Ernährung der Säuglinge Anteil hatten. Die Zirbeldrüse des Zwischenhirns ist der Rest eines bei Reptilien der Jetztzeit und, wie das Loch zwischen den Scheitelknochen fossiler Formen zeigt, auch bei ältern Landbewohnern wohl entwickelten Scheitelauges (s. d.). Schließlich seien noch die rudimentäre Nickhaut des menschlichen Auges und der sogen. Wurmfortsatz des Darmes erwähnt, der den verkümmerten Rest eines ehemals stärker entwickelten Blinddarmes darstellt und jetzt nur noch als Sitz gefährlicher Erkrankungen von Bedeutung ist. Vgl. Darwinismus, S. 533.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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