Rädertierchen

Rädertierchen

Rädertierchen (Rotatoria, Rotiferi, Kristalltierchen), Klasse der Würmer, mikroskopisch kleine Tiere, die fast sämtlich im Wasser leben. Man unterscheidet an ihnen (s. Abbildung) den die Eingeweide einschließenden Vorderleib und den fußartigen Hinterleib, der gegabelt sein kann und zur Fortbewegung, auch zur Fixierung verwendet wird. Vorn befindet sich bei den meisten Arten ein einziehbarer Wimperapparat (das sogen. Räderorgan R), der in Tätigkeit wie ein sich drehendes Rad aussieht und sowohl zur Bewegung des Tierchens als auch zur Herbeistrudelung der Nahrung dient. Vom Rücken aus läuft eine zweite Reihe sehr zarter Wimpern an beiden Seiten zum Mund herab und leitet durch ihre Bewegungen die vom Räderorgan gesammelten festen Teilchen in den Mund. Die Verdauungsorgane bestehen aus einem Schlundkopf mit eigentümlichen Kiefern K darin, einer engen Schlundröhre, Speicheldrüsen S, einem bewimperten Magen M und Enddarm mit oder ohne After. Blutgefäße fehlen; die Atmung erfolgt einfach durch die Haut. Das Nervensystem besteht aus einem Ganglion über dem Schlund und den davon ausstrahlenden Nerven; Augen und Tastorgane sind vorhanden. Als Nieren dienen zwei lange Kanäle (Protonephridien), die an kurzen Seitenzweigen sogen. Wimpertrichter W mit Wimperflammen tragen und hinten direkt oder durch eine kontraktile Blase B mit dem Enddarm ausmünden.

Rädertierchen (Hydatina senta), vergrößert. 1 Weibchen; 2 Männchen.
Rädertierchen (Hydatina senta), vergrößert. 1 Weibchen; 2 Männchen.

Die R. sind getrennten Geschlechts; die Männchen (von manchen Arten noch nicht gefunden) sind viel kleiner als die Weibchen, von abweichender Form und ohne Darm (Fig. 2). Sie verlassen völlig ausgebildet das Ei, nehmen keine Nahrung ein und leben nur kurze Zeit. Die Weibchen legen in der Regel dünnschalige Sommereier, die sich ohne Befruchtung entwickeln können und gewöhnlich Männchen liefern, sowie befruchtete dickschalige Wintereier. Die Entwickelung verläuft ohne oder mit unbedeutender Metamorphose, meist in wenigen Tagen, daher treten die R. oft in großen Mengen auf. Die sehr zahlreichen Arten der R. bewohnen meist das süße Wasser oder das Meer, schwimmen frei umher oder legen sich mittels des zweizangigen Fußes an festen Gegenständen vor Anker. Einige leben in Gallerthülfen und zarten Röhren (Melicerta, Stephanoceros, Brachionus, s. Tafel »Süßwasserfauna I«, Fig. 11, 12, 14), andre stecken mit ihrem Fuß in einer vielen Einzeltieren gemeinsamen Gallertkugel und sind zu einer schwimmenden Kolonie vereinigt (z. B. Conochilus volvox), wenige leben parasitisch. Einige Arten (aus der Familie der Philodiniden) leben im Moos und zeigen sogar eine Art von Symbiose mit Lebermoosen. Die R. ertragen, an häufigen Wassermangel gewöhnt, auch absichtliches Austrocknen eine Zeitlang und leben bei Befeuchtung wieder auf, können es dann aber nicht lange im Wasser aushalten. – Von Ehrenberg wurden die R. mit den Infusorien zusammengeworfen, weil sie gleich diesen mikroskopisch klein sind und sich gewöhnlich in Gemeinschaft mit ihnen vorfinden. In neuerer Zeit hat man sie auch wohl zu den Gliederfüßern gestellt, rechnet sie jedoch jetzt allgemein zu den Würmern. Man unterscheidet zahlreiche Arten. Vgl. Ehrenberg, Die Infusionstierchen als vollkommene Organismen (Leipz. 1838); Leydig, Bau und Stellung der R. (»Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie«, Bd. 6, 1854); Plate, Beiträge zur Naturgeschichte der Rotatorien (Jena 1885) und Rotatorienfauna des Bottnischen Meerbusens (Leipz. 1889); Hudson und Gosse, The Rotifera, or Wheel-Animalcules (Lond. 1866–89).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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