O'Connell

O'Connell

O'Connell, Daniel, berühmter irischer Agitator, geb. 6. Aug. 1775 zu Carhen in der Grafschaft Kerry, gest. 15. Mai 1847 in Genua, besuchte die Jesuitenschule in St.-Omer und das englische College in Douai, schlug, 1793 nach England zurückgekehrt, die juristische Laufbahn ein und ward 1798 Rechtsanwalt in Dublin. Er erwarb sich bald den Ruf eines ebenso ausgezeichneten Redners und gewandten Verteidigers als tüchtigen Patrioten. 1800 protestierte er vergeblich gegen die Union zwischen Irland und Großbritannien; seit jener Zeit begann er in Vereinen und Versammlungen seine Agitation für die Sache seines unterdrückten Volkes, unter dem er bald überaus populär wurde. 1815 hatte er mit dem der schroff protestantischen Koterie, welche die Stadtverwaltung Dublins beherrschte, eng verbundenen Schiffsleutnant d'Esterre ein Duell, in dem er seinen Gegner erschoß; ein ähnlicher politischer Zweikampf mit Sir Robert Peel wurde einige Monate später nur mit Mühe verhindert. O. gründete 1823 mit seinem Freund Shiel die »Great Catholic Association«, die sich bald mit zahllosen Zweigvereinen über die ganze Insel verbreitete, die er aber von offenen Gesetzesüberschreitungen fernzuhalten wußte. Als die Regierung 1825 diesen Verein unterdrückte, stellte ihn O. unter anderm Namen und in andrer Form wieder her. 1828 wurde er von der Grafschaft Clare ins Unterhaus gewählt, durfte jedoch nicht eintreten, da er als Katholik den Testeid nicht leisten konnte. Um die bei der steigenden Aufregung in Irland drohende Gefahr eines Bürgerkriegs abzuwehren, betrieb nun die Regierung selbst die Katholikenemanzipation, und O., zum zweitenmal gewählt, nahm 1829 seinen Platz im Unterhaus ein. Er beantragte die Abschaffung des protestantischen Pfarrzehnten in Irland und machte seit dem Sommer 1830 den Widerruf (repeal) der Union zwischen England und Irland zur Losung, mit der er die Massen entflammte. Eine Anklage, die deshalb gegen ihn erhoben wurde, blieb erfolglos; der Einfluß des Agitators, der seit 1832 Dublin im Unterhaus vertrat, stieg immer mehr; fast die Hälfte der 100 irischen Abgeordneten folgte seiner Führung. Mit dieser Macht, die man »O'Connells Schweif« (the O.-tail) zu nennen pflegte, unterstützte er die Reformbill, die Irland fünf Abgeordnete mehr gewährte. Da er sein Vermögen und Einkommen teilweise seinen politischen Bestrebungen aufgeopfert hatte, brachten seine Landsleute eine Rente für ihn auf, die sich jährlich auf 13–18,000 Pfd. Sterl. belief. Die Verhängung von Ausnahmegesetzen über Irland, wo die öffentliche Ordnung noch immer gestört war, vermochte O. 1833 nicht zu hindern. Dagegen gelang es ihm, dessen Enthüllungen im Unterhaus 1834 sogar einen Ministerwechsel hervorriefen, 1837 eine Armenbill für Irland und 1838 die Annahme eines Gesetzes durchzusetzen, das die Last des Zehnten für die irische Bevölkerung milderte. Als eine von O. eingebrachte Vorlage zur Regelung der Wahlfreiheit nicht einmal zur ersten Lesung kam, begründete er im April 1840 die »Loyal National Repeal Association« und begann die Repealagitation von neuem. Nach dem Sturz der Whigs im August 1841 und nachdem O. als Lord-Mayor von Dublin bei den Stadtbehörden den Antrag auf eine den Widerruf der Union verlangende Petition durchgesetzt hatte, nahm diese Agitation einen großartigen Aufschwung. Von den Geistlichen aufgefordert, strömte das Volk in ungeheuern Massen zu den »Monster-Meetings«, die häufig an Orte, die durch den Irländern heilige Erinnerungen geweiht waren, z. B. an den Königshügel von Tara, zusammengerufen wurden, und in denen O. mit glühenden Farben das Elend des Volkes schilderte und die Auflösung der Union als das Ende aller Leiden, Gewalt und Empörung aber als das Verderben Irlands darstellte. Die Regierung eröffnete gegen ihn und andre Führer der Bewegung einen Prozeß, der am 30. Mai 1844 mit seiner Verurteilung zu 2000 Pfd. Sterl. Geldbuße und einjähriger Hast endete. Doch legte O. gegen dies Urteil Berufung ein, das Oberhaus erklärte 4. Sept. das Verfahren wegen Formverletzungen für nichtig, und O. ward im Triumph aus dem Gefängnis abgeholt. Auf der nächsten Repealversammlung stellte er den Gedanken einer Föderation zwischen Großbritannien und Irland auf, den er im Parlament des folgenden Jahres mit Feuer vertrat. Dadurch aber entfremdete er sich einen großen Teil seiner Landsleute und namentlich die aus dem Schoß des Repealvereins hervorgegangene Partei »Jung-Irland«. Schon krank, trat er 1847 in Begleitung seines jüngsten Sohnes, Daniel, eine Reise nach Italien an, auf der er in Genua starb. Sein Herz ward seinem letzten Willen gemäß nach Rom, sein Körper aber nach Irland gebracht und in Glasnevin beigesetzt. In seiner Schrift »Historical memoir of Ireland and the Irish, native and Saxon« (Dublin 1843, 2. Aufl. 1846; deutsch, Leipz. 1843) zeigte er sich selbst als scharfblickenden Historiker. Seine Staatsreden, rhetorische Meistewerke, wurden von seinem Sohn John O. (»Life and speeches of Daniel O.«, Dublin 1846, 2 Bde.) und von Cusack (das. 1875, 2 Bde.), die »Political and private correspondence of Daniel O.« von Fitzpatrick (Lond. 1888, 2 Bde.) herausgegeben. Vgl. seine Biographie von Moriarty (Berl. 1843), Fagan (Lond. 1847), Cusack (das. 1872), Hamilton (das. 1888), Nemours-Godré (2. Aufl., Par. 1893) und Macdonagh (Lond. 1903); Lefevre, Peel and O., Irish policy of parliament (das. 1887); Dunlop, Daniel G. and the revival of national life in Ireland (das. 1900).

O'Connells ältester Sohn, Maurice O., gest. 18. Juni 1853, wurde 1827 Rechtsanwalt in Dublin und trat 1831 ins Unterhaus, wo er im Sinne seines Vaters zu wirken suchte. Der dritte Sohn, John O., geb. 24. Dez. 1810, gest. 24. Mai 1858, trat gleichfalls 1833 ins Parlament und stellte sich nach seines Vaters Tod an die Spitze des Repealvereins, der aber unter seiner Leitung immer mehr an Einfluß verlor und sich 1848 auflöste. Er erhielt 1857 von der Regierung die Sinekure eines Sekretärs der Schatzkammer beim irischen Kanzleigericht. Er schrieb außer der Biographie seines Vaters (s. oben): »Recollections and experiences during a parliamentary career from 1833 to 1848« (Lond. 1848, 2 Bde.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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