Theben [1]

Theben [1]

Theben, 1) alte Stadt in Oberägypten, am Nil, die »hunderttorige Stadt«, seit der Mitte des 2. vorchristlichen Jahrtausends die Residenz des Pharaonenreiches, heute nur ein ausgedehntes Ruinenfeld zu beiden Seiten des Nils, das durch die Ortschaften Luksor und Karnak auf dem Ostufer, Kurna und Medinet Habu auf dem Westufer bezeichnet wird. Die Stadt ist allmählich durch die Vereinigung mehrerer Gemeinden zusammengewachsen, nach deren wichtigster Weset sie auch genannt wurde. Daneben wurde sie auch kurz als Nut, »die Stadt«, bezeichnet, woraus die biblischen Namen No und No-Amon, »Amonsstadt«, entstanden sind. Die Griechen nannten sie in ähnlicher Weise Diospolis, »Stadt des Zeus« (d. h. des mit Zeus identifizierten Amon). Was die Griechen zu der Übertragung des mehrfach bei ihnen vorkommenden Stadtnamens Thebai auf die ägyptische Stadt bestimmte, ist nicht bekannt. – Die Gründung Thebens ist in Dunkel gehüllt. In die Geschichte tritt die Stadt erst nach dem alten Reich ein, als thebanische Fürsten (die 11. Dynastie von T.) die Reorganisation des zerfallenen Staates unternahmen. Nach der Vertreibung der Hyksos und namentlich seit Amosis (ca. 1550) begannen die herrlichen Bauten zu entstehen, die, im Laufe der folgenden elf Jahrhunderte verschönert, vergrößert und vermehrt, die Stadt zum Wunder der Alten Welt erhoben haben. Die Verlegung der Residenz unter der 21. Dynastie nach dem Delta, später der Aufschwung Alexandrias unter den Ptolemäern entzogen ihr die Lebenskraft. Sie versuchte zwar wiederholt noch, politisch hervorzutreten und wurde sogar vorübergehend der Sitz einheimischer Könige, die sich gegen die Ptolemäer erhoben hatten. Indessen brachten ihr diese Empörungen auch den Untergang; sie wurde von Ptolemäus X. nach dreijähriger Belagerung erobert und später nach einem neuen Aufstande gegen die Römer (29 v. Chr.) völlig zerstört, so daß Strabo hier nur noch ärmliche Dörfer vorfand.

2) (Thebae) die größte Stadt in der griech. Landschaft Böotien, wird schon von Homer als die Stadt der sieben Tore (Thebe Heptapylos) genannt und war in der historischen Zeit der wichtigste Ort des Böotischen Bundes. T. lag in quellenreicher, hügeliger Gegend über dem südlichen Rande der aonischen Ebene und hatte eine etwa 7,5 km lange Ringmauer. Als die ältesten Bewohner der Stadt werden die Kadmeier genannt; ihnen gibt die Sage den aus Phönikien eingewanderten Kadmos zum Stammvater, in dem neuere Forschung den Träger phönikischer Besiedelung hat erkennen wollen, und erzählt weiter von dem unglücklichen Geschick des Königs Ödipus (s. d.), dem durch den Streit seiner beiden Söhne Eteokles und Polyneikes veranlaßten Zug der »Sieben gegen T.« (s. d.), und von dem der Epigonen, den Söhnen jener Sieben (s. Epigonen). In der Zeit der dorischen Wanderung besetzten aus Thessalien kommende Böotier (s. Böotien) die ganze Landschaft, deren Städte sich zu einem Bunde vereinigten mit T. als Vorort. Sein Gesetzgeber war der Bakchiade Philolaos aus Korinth, seine Verfassung war aristokratisch. Die Geschichte wird in ihrem ersten Teil durch die Eifersucht auf die wachsende Macht Athens bestimmt; deshalb schloß sich T. an Sparta an und stand in den Kriegen mit den Persern auf deren Seite, verlor aber dadurch so sehr an Ansehen in den übrigen Städten Böotiens, daß diese sich in den Jahren 456 (nach der Schlacht bei Önophyta) bis 447 (Schlacht bei Koroneia) Athen zuwandten. Im Peloponnesischen Kriege gehörte T. zu dessen erbittertsten Feinden und forderte nach demselben sogar Athens Zerstörung. Dann aber trat Spannung mit Sparta ein, die zum Korinthischen Krieg (395–394) und später zur Besetzung der Kadmeia durch Phöbidas (382) und Vertreibung der Häupter der demokratischen Partei führte. 379 kehrte jedoch Pelopidas (s. d.) mit den übrigen Flüchtlingen nach T. zurück, stürzte die Aristokraten, erzwang mit Hilfe eines athenischen Heeres die Räumung der Burg, wies Einfälle der Lakedämonier mit Hilfe der Athener ab und unterwarf sich auch die übrigen böotischen Städte. Infolge allgemeiner Kriegsmüdigkeit kam es 371 zum Frieden von Sparta; nachträglich wollten sich ihm aber die Thebaner nicht fügen, weil die Spartaner die Auflösung des Böotischen Bundes forderten, und so begann der Thebanische Krieg. Des Epameinondas Sieg bei Leuktra (371) brach den Glauben an die Unüberwindlichkeit Spartas; auf wiederholten Einfällen in den Peloponnes stiftete Epameinondas den Arkadischen Bund, stellte die Unabhängigkeit Messeniens wieder her und strebte sogar nach einer Seeherrschaft. Jetzt glaubte selbst Athen, Thebens Übermacht fürchten zu müssen und trat auf Spartas Seite über, und nach des Epameinondas Sieg und Tod bei Mantineia (362) sank Thebens Macht wiederum, das nur durch das Genie seiner beiden größten Staatsmänner so hoch gestiegen war und durch seine Großtaten die Macht des einzigen Staates zersplittert hatte, welcher der von Norden drohenden Gefahr mit Erfolg hätte begegnen können. Allein war es dazu nicht imstande und beschleunigte dieselbe nur; denn als das Nachbarland Phokis zum Kriege gereizt hatte (dem zweiten Heiligen Krieg, 355–346) und in ihm unterlegen war, rief es Philipp von Mazedonien zu Hilfe und gab ihm Gelegenheit, sich in Hellas festzusetzen. Zu spät durchschaute es die Sachlage, verband sich nach der Besetzung von Elateia durch Philipp mit den Athenern, wurde aber bei Chäroneia (338) besiegt. Nach Philipps Tod (336) empörte sich T. gegen Alexander (335) auf die falsche Nachricht von dessen Tode. Aber schon nach zwölf Tagen stand dieser vor der Stadt und zerstörte sie nach dem Beschluß des korinthischen Synedrions; 6000 Thebaner fielen, 30,000 wurden als Sklaven verkauft. Erst 315 wurde T. von Kassandros mit Hilfe der Athener wieder aufgebaut und stand nun unter mazedonischer Herrschaft. Im Achäischen Kriege 146 schloß es sich der Kriegserklärung der Achäer an die Römer an; nach Verlust der Schlachten bei Skarpheia und Leukopetra flohen aber die Einwohner Thebens nach dem Peloponnes, und T. verödete seitdem. Pausanias fand nur noch die Burg und einige Tempel vor. Aus Thebens Gebiet stammte Pindar. An Stelle der phönikischen Burg Kadmeia erhob sich Thivä (s. d.). Vgl. Fabricius, T., Untersuchungen über die Topographie und Geschichte (Freiburg 1890); Bethe, Thebanische Heldenlieder (Leipz. 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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