Matthīas [2]

Matthīas [2]

Matthīas, 1) deutscher Kaiser, dritter Sohn Kaiser Maximilians II. und Marias von Spanien, geb. 24. Febr. 1557 in Wien, gest. 20. März 1619, ward von dem gelehrten Diplomaten Busbecq erzogen. Von seinem argwöhnischen Bruder, Kaiser Rudolf II., von den Regierungsgeschäften fern gehalten, ging er gegen Rudolfs Willen, von einigen niederländischen Großen gerufen, als Oberstatthalter in die Niederlande und zog im Januar 1578 in Brüssel ein. Infolge seiner beschränkten Rechte ohnmächtig, legte er gekränkt 1581 seine Würde nieder und kehrte nach Deutschland zurück, lebte auf Rudolfs Wunsch in Linz und erhielt erst 1593 an Stelle des Erzherzogs Ernst die Statthalterschaft in Österreich. Hier war Khlesl (s. d.), der 1602 Bischof von Wien wurde, sein einflußreichster Ratgeber, der ihn zur Unterdrückung des Protestantismus antrieb. Wegen Rudolfs Regierungsunfähigkeit von den übrigen Gliedern des österreichischen Hauses 25. April 1606 förmlich zu dessen Haupt erklärt, beendigte er einen Aufstand der Ungarn unter dem Magnaten Stephan Bocskay durch den Frieden zu Wien 23. Juni 1606 und nötigte mit Zustimmung der überwiegend protestantischen Stände von Ungarn und Österreich den Kaiser, indem er mit bewaffneter Macht in Böhmen auftrat, im Vertrag von Lieben 25. Juni 1608 zur Abtretung von Mähren, Ungarn und Österreich und Zusicherung der Nachfolge in Böhmen. Als M. aber nach Österreich zurückkam, verweigerten ihm die Stände die Huldigung, solange er sich ihren Forderungen freier Religionsübung nicht füge, und rüsteten, als er sich zu Gewaltmaßregeln neigte. Die »Resolution« vom 19. März 1609 erfüllte das Verlangen der Stände, aber auf Wunsch der spanischen Partei wandte der Kaiser Böhmen dem Erzherzog Leopold zu. Die Böhmen riefen M. herbei, und dieser zog nach Zerstreuung der kaiserlichen Truppen unter allgemeinem Jubel in Prag ein, wo er 23. Mai 1611 gekrönt wurde und ihm Rudolf 11. Aug. 1611 gegen eine Jahrespension auch Böhmen, Schlesien und die Lausitz abtrat. Nach Rudolfs Tod, 20. Jan. 1612, erfolgte 13. Juni seine Wahl zum deutschen Kaiser. Im Deutschen Reich standen sich die Glaubensparteien schroff gegenüber, und als M. 3. April 1617 sowohl die Union (s. d.) als die Liga (s. d.) aufheben wollte, achtete kein Teil auf seinen Machtspruch. Mit den Türken, die mit einem Angriff drohten, mußte er, da es an Mitteln zur Kriegführung fehlte, Frieden schließen. Überdies kränkelnd, willigte er in die Krönung des bigotten Erzherzogs Ferdinand, nachmaligen Kaisers Ferdinand 11., zum König von Böhmen (1617) und von Ungarn (1618). Zwar versprach dieser, sich bei Lebzeiten des Kaisers aller Einmischung in die Regierung zu enthalten, allein in den kirchlichen Angelegenheiten war sein Einfluß doch zu bemerken. Die Unierten hintertrieben daher 1618 Ferdinands Wahl zum römischen König, und in Böhmen brachen 28. Mai 1618 jene Unruhen aus, die das Vorspiel des Dreißigjährigen Krieges wurden. M. gelang es nicht mehr, die Unruhen zu unterdrücken. Vermählt war er seit 1611 mit Anna, der Tochter seines Oheims, des Erzherzogs Ferdinand; doch blieb die Ehe kinderlos.

2) M. I. Corvinus, der Große, König von Ungarn, zweiter Sohn des Joh. Hunyadi, geboren wahrscheinlich 23. Febr. 1443 zu Klausenburg in Siebenbürgen, gest. 6. April 1490 in Wien, kam nach seines Vaters Tod als Gefangener des Königs Ladislaus V. Posthumus nach Prag und ward nach dessen Tod (1457) trotz des Widerstrebens einiger Oligarchen mit großer Begeisterung 24. Jan. 1458 zum König von Ungarn gewählt, worauf ihn Georg Podiebrad, Gubernator von Böhmen, um hohes Lösegeld und das Versprechen, daß M. seine Tochter eheliche, aus der Gefangenschaft entließ. Allein der Hussitenführer Johann Giskra und mehrere Große (Gara, Ujlaki) verweigerten ihm den Gehorsam und boten die Krone dem Kaiser Friedrich III. an (1459), der sich auch krönen ließ. Nach längerm Kampf verzichtete aber Friedrich III. 1462 gegen 60,000 Dukaten auf die ungarische Krone. Hierauf schlug M. die Türken bei Jajcza und ließ sich in Stuhlweißenburg 29. März 1464 feierlich krönen. Der innern Unruhen des Adels und der Hussiten ward er durch entschlossenes Handeln bald Herr, und den Türken machte er sich durch Organisierung einer starken stehenden Armee furchtbar. Am bedeutendsten waren seine Siege bei Schabatz und der seiner Feldherren am Brotfeld (s. Broos), wodurch er sich die Oberhoheit über Bosnien, die Moldau und Walachei sicherte. 1481 half er seinem Schwiegervater, dem König Ferdinand von Neapel, die Türken aus Otranto vertreiben. Von hohem Ehrgeiz getrieben, suchte er auch im Westen Einfluß und Macht zu gewinnen und stand zeitweise mit Ludwig XI., den Schweizer Kantonen, mit Sforza von Mailand und Venedig im Bund. Aus Eroberungslust beteiligte er sich an dem Kreuzzuge gegen seinen ersten Schwiegervater Georg Podiebrad, bemächtigte sich Schlesiens, Mährens und der Lausitz (1468–1478), besiegte Podiebrads Nachfolger, den polnischen Prinzen Wladislaw und dessen Vater, den König Kasimir von Polen, bei Breslau und zwang beide zum Frieden zu Olmütz, der Wladislaw Böhmen und M. Mähren, Schlesien und die Lausitz sicherte. Die Hilfe, die der wortbrüchige Friedrich III. den Polen in diesem Kriege geleistet hatte, entzündete 1477 einen dreifachen Krieg zwischen M. und dem Kaiser, wobei ein großer Teil der Alpenländer Österreichs und 1485 auch Wien in M.' Hand fiel; hier starb dieser eines plötzlichen Todes. M. war ein Mann von außerordentlichen Talenten und ebensolcher Arbeitskraft. Kein Aktenstück verließ seine Kanzlei, das er nicht selbst diktiert oder revidiert hätte. Dabei war er als typischer Vertreter der Renaissancezeit ein leidenschaftlicher Humanist und Freund der Wissenschaften und Künste. So hatte er in Florenz stets vier Schreiber im Sold, die ihm die Schriften der Klassiker kopieren mußten. Seine kostbare Bibliothek (Corvina, s. d.) ward bei der Eroberung Ofens durch die Türken 1526 zerstreut. Er stiftete im Bunde mit dem Primas Vitéz die Universität Preßburg und eine theologische Hochschule in Ofen, errichtete eine Sternwarte und zog eine große Anzahl fremder Gelehrten (Bonfini, Galeotto, Regiomontanus, Celtis), Dichter, Künstler (Fra Filippo und dessen Sohn) und Handwerker in das Land. Unter ihm errichtete Propst Karai die erste Buchdruckerei (in Ofen). Schon bei seiner Thronbesteigung hatte M. eine Reihe vortrefflicher Gesetze gegeben: Heeresorganisation auf den Reichstagen von 1458 und 1463, Errichtung des stehenden Heeres und Einführung von neuen Steuern 1467, Reform des Justizwesens und der Palatinwürde 1486. Bei alledem war seine Regierung oft willkürlich und entbehrte in den letzten Zeiten der Mithilfe der Stände. Daß er aber auch die Großen die Härte der Gesetze fühlen ließ, sicherte ihm die Anhänglichkeit und Bewunderung des Volkes, das noch heute seiner Gerechtigkeitsliebe sprichwörtlich gedenkt. Seit seiner zweiten Vermählung mit Beatrix von Neapel (1477) führte er einen glänzenden Hofhalt. Beide Ehen M.' waren kinderlos. Sein natürlicher Sohn, der zum Nachfolger erkorne Johannes Corvinus, mußte nach M.' Tod zugunsten Wladislaws (s. d.) von Böhmen entsagen und starb 1504. Vgl. »Matthiae Corvini epistolae ad romanos pontifices« (hrsg. von Fraknói, Budap. 1891 f., 2 Bde.); Fraknói, M. Corvinus, König von Ungarn (deutsch, Freiburg 1891); Graf J. Teleki, Hunyadiak kora (»Das Zeitalter der Hunyadis«, 1852 ff., 12 Bde.; unvollendet, aber von D. Csánki fortgeführt: »Geographie Ungarns zur Zeit der Hunyade«, bis jetzt 3 Bde.); Fischer, König M. Corvinus und seine Bibliothek (Wien 1878); Schober, Die Eroberung Niederösterreichs durch M. Corvinus (das. 1879); A. Hoffmann, Kaiser Friedrichs Beziehungen zu Ungarn (3 Hefte, Glogau 1887 f.); Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte im Zeitalter Friedrichs III. und Max' I., Bd. 2 (Leipz. 1894).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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