Hautkrankheiten

Hautkrankheiten

Hautkrankheiten treten sehr häufig nicht als selbständige Erkrankungen der äußern Körperbedeckung auf, sondern als Teilerscheinung von Allgemeinkrankheiten, die eventuell auch ohne Beteiligung der Haut verlaufen können. Von solchen Allgemeinkrankheiten sind zu nennen: 1) Die als akute exanthematische oder Ausschlagkrankheiten bekannten ansteckenden oder wenigstens übertragbaren Fieber, wie Masern, Scharlach, Röteln, Pocken, ferner Typhus, Blutfleckenkrankheit. 2) Die Syphilis, die in, ihrem Verlauf die verschiedenartigsten Formen der H. hervorbringt und dadurch aufs engste mit der Lehre von den H. verbunden ist. Diesen und andern als Teilerscheinungen andrer Krankheiten aufzufassenden H. stehen die selbständigen 3) rein örtlichen H gegenüber und bieten eine große Fülle von Formen und Krankheitsbildern dar, von denen die wichtigsten unter besondern Artikeln abgehandelt sind. Man kann nach Hebra, einem der Begründer der Lehre von den H. (Dermatologie), zwölf Klassen von H. unterscheiden, je nachdem zugrunde liegen: Blutfülle der Haut oder Blutmangel der Haut, krankhafte Absonderung der Hauttalgdrüsen, Ausschwitzungen, Blutaustretungen, Massenzunahme oder Massenverminderung, gutartige oder bösartige Neubildungen, Verschwärungen, Nervenkrankheiten, Schmarotzerkrankheiten. Besonders häufige Erscheinungsformen verschiedener H. sind folgende: Der Fleck (macula), verschiedengestaltete, punkt- bis über bohnengroße flache Hautverfärbung, wie Sommersprossen, Leberflecke, die Roseola bei Typhuskranken und syphilitischen Personen und eine ganze Gruppe von Ausschlagkrankheiten, wie Scharlach, Masern etc. Die zweite Form der flachen Quaddel (pomphus, urtica) kommt in reiner Form vor beim Nesselausschlag. Etwas größer ist das Tuberculum (Knötchen) oder die Papel (papula), die außer bei Syphilis z. B. im Anfang der Pocken beobachtet wird. Das Bläschen (vesicula) wird bei dem Hitzausschlag oder Schweißfriesel in reinster und kleinster Form gefunden. Ungleich größer sind die Blasen (bullae) beim Hautbrand oder dem Pemphigus; sie enthalten eine wässerige Flüssigkeit und unterscheiden sich dadurch von der Eiterblase oder Pustel, die der Akne (Finne) oder dem vorgeschrittenen Pockenausschlag eigen ist. Am vielgestaltigsten ist das Ekzem (s. d.), die häufigste Hautkrankheit; trocknet es ein, so bildet sich ein Schorf (eschara); ist die Wucherung der Oberhaut sehr reichlich, so entsteht die Schuppenflechte (Psoriasis). Eine eigentümliche, oft über den ganzen Körper verbreitete Wucherung und Verdickung der Oberhaut sieht man bei Fischschuppenkrankheit. Die vielfach verbreitete Furcht, daß durch das Vertreiben von H. schwere innere Krankheiten entständen, ist durchaus grundlos. Die Hauptheilmittel gegen H. sind Bäder und Waschungen in den verschiedensten Formen, Seifen, ätzende Arzneikörper, Teere und die Karbolsäurepräparate, bei Syphilis und andern hartnäckigen Ausschlägen Quecksilber- und Arsenikpräparate, Jod, Lebertran etc. In neuester Zeit hat das Lichtheilverfahren, weniger die Anwendung der Röntgenstrahlen bei Behandlung der H. größere Bedeutung gewonnen. Vgl. Hebra, Atlas der H. (Wien 1876); J. Neumann, Lehrbuch der H. (5. Aufl., das. 1880) und Atlas der H. (2. Aufl., das. 1895); Lesser, Lehrbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten, 1. Teil (11. Aufl., Leipz. 1904) und Enzyklopädie der Haut- und Geschlechtskrankheiten (das. 1900); Leloir u. Vidal, Symptomatologie und Histologie der H. (deutsch von Schiff, Hamb. 1890–93); Unna: Histopathologie der H. (Berl. 1894), Histologischer Atlas zur Pathologie der Haut (Hamb. 1897 ff.), Internationaler Atlas seltener H. (mit andern, das. 1889 ff.) und Allgemeine Therapie der H. (Wien 1899); Kaposi, Pathologie und Therapie der H. (5. Aufl., das. 1899) und Handaltlas der H. (das. 1900); Jarisch, Die H. (in Nothnagels »Spezieller Pathologie und Therapie«, das. 1900); Joseph: Lehrbuch der Haut- und Geschlechtskrankheiten, 1. Teil (4. Aufl., Leipz. 1902), Dermatohistologische Technik (mit Löwenbach, 2. Aufl., Berl. 1900) und Atlas der Histopathologie der Haut (mit Meißner, das. 1899); E. Lang, Lehrbuch der H. (Wiesb. 1902); Besnier, Brocqu. Jacquet, La pratique dermatologique (Par. 1900–02, 3 Bde.). »Monatshefte für praktische Dermatologie«, hrsg. von Unna (Hamb., seit 1882).

Bei den Haustieren ist die Haut bei vielen Infektionskrankheiten, wie Rotz, Rotlauf, Maul- und Klauenseuche, Hundestaupe, Milzbrand, Beschälseuche, Wildseuche, auch Katarrhalfieber, in Mitleidenschaft gezogen (der Bläschenausschlag [s. d.] betrifft die Geschlechtsteile, nicht die Haut). Eine selbständige Infektionskrankheit der Haut sind die Pocken (s. d.), auch die mit jenen nicht verwandte Acne contagiosa (s. unten). Durch pflanzliche Parasiten erzeugte ansteckende H. sind ferner die Flechten (s. Flechte), bei Tieren auch Grind genannt, doch wird dieser Name althergebracht auch auf einige andre Hautaffektionen bezogen (s. unten). Eine übertragbare, durch tierische Parasiten (verschiedene Milbenarten) erzeugte Erkrankung ist die bei allen Haustieren, einschließlich des Geflügels, vorkommende Räude (s. d.). Besonders häufig und mannigfaltig sind jene selbständigen H., die sich unter das Ekzem (s. d.) einreihen lassen, je nach Form und Stadium mit Abschuppung, Bildung von Bläschen (unrichtig auch Bläschenflechte genannt), Knötchen, Eiterbläschen (Pusteln) einhergehen, eine durch entzündliche Ausschwitzung nässende Hautfläche (nässendes Ekzem, unrichtig Salzflechte) oder trocknen, borkigen Hautbelag erzeugen und akut oder chronisch verlaufen können. Beim Hunde, namentlich bei ältern fetten Stubenhunden, ist besonders häufig das chronische, schuppende, trockne Ekzem längs des Rückens (sogen. Fetträude). Beim Pferde kommt Ekzem mit Bläschen und Knötchen infolge der Reizung durch Schweiß und Staub als Hitzausschlag oder Sommerräude vor. Seit Einführung des neuen Armeesattels bildet sich ein solcher Hitzausschlag (Hitzpocken) im Manöver besonders häufig unter dem hintern Sattelrand; nicht wenige Pferde müssen deswegen einige Tage außer Dienst gestellt werden (Behandlung mit Prießnitzumschlag). Der sogen. Kopf-, Mähnen- u. Schweifgrind ist chronisches Ekzem, meist eine Folge schlechten Putzens, die am Schweif zum Kahlwerden (Rattenschwanz) führen kann. Auch die Mauke (s. d.) beginnt als nässendes Ekzem. Über Schlempemauke (beim Rind) s. d. Die Regenfäule (s. d.) und die Hungerräude (s. d.) des Schafes gehören ebenfalls hierher. Auch der Ruß (s. d.) der Ferkel ist ein Ekzem. Die Akne, d. h. eiterige Erkrankung der Haarbälge, die zur Bildung von Furunkeln, d. h. größern Eiterungen um abgestorbene Haarbälge (Furunculosis), führen kann, kommt infolge mechanischer Einwirkungen (Druck und Scheuern) namentlich beim Pferd in der Sattel- und Geschirrlage und beim Hund auf dem Nasenrücken und am Kopf (Maulkorbdruck) vor. Bei Pferden siedeln sich oft in den wundgewordenen Akneknoten Botryomyces (s. d.) an, und es entstehen dann größere Geschwülste. Beim Hund entsteht eine spezifische Akne durch Acarus-Milben (s. Räude). Als Acne contagiosa der Pferde, besser Dermatis contagiosa pustulosa (unrichtig als englische Pocke wird eine aus Kanada nach England und von da auf den Kontinent verschleppte ansteckende, herdförmige eiternde Hautentzündung bezeichnet (nicht zu verwechseln mit Stomatitis contagiosa pustulosa). Sie entsteht meist in der Sattel- und Geschirrlage, breitet sich aber aus, bildet zahlreiche größere Herde mit vielen Pusteln, heilt stets, wenn auch manchmal erst nach acht Wochen, ist ansteckend und wird durch einen Pilz erzeugt. Ebenfalls pflanzlich-parasitären Ursprungs ist der in Frankreich bei Rindern an Bauch und Beinen vorkommende Farcin du bœuf (Hautwurm), bei dem charakteristische strangförmige Schwellung der Lymphgefäße auftritt. (Hautwurm des Pferdes, soviel wie Rotz, s. d.) Haarausfall ohne ersichtliche Hauterkrankung (Alopecia) kommt bei Tieren ebenfalls vor, sowohl als Ausdruck von Gesundheitsstörungen (A. symptomatica) und dann manchmal über den ganzen Körper verbreitet, wie selbständig in Form runder Flecke (A. areata), den Flechten ähnlich. Seltenere akute entzündliche H. sind: die Nesselsucht (s. d.), mit schnell auffahrenden Quaddeln oder ausgebreiteten Anschwellungen (Nesselfieber oder Backsteinblattern des Schweines sind Rotlauf, s. d.); der Sonnenbrand, eine durch Sonnenstrahlen auf weißen Hautstellen erzeugte Entzündung; Buchweizenausschlag (s. d.) und Kleekrankheit (s. d.) sind den beiden vorigen verwandt. Entzündung mit Bildung großer Blasen (Pemphigus) ist beim Pferde beobachtet. Beim Schaf (auch Pferd) kommt der sogen. Maulgrind vor, bei dem rasch Bläschen auffahren, die unter Borkenbildung heilen (Teigmaul, s. Flechte). Zu erwähnen sind noch einige durch tierische Parasiten verursachte, jedoch nicht übertragbare H.; häufig und wichtig sind nur die durch Oestrus-Larven erzeugten Dasselbeulen (s. Bremen, S. 376) des Rindes. Bei Pferden u. Hunden finden sich Fadenwürmer in Hautknötchen, bez. Pusteln. Der Schrotausschlag (s. d.) des Schweines wird durch Coccidien bedingt. Zu Geschwülsten in der Haut neigt besonders das Rind, bei dem oft Warzen und Fibrome über den ganzen Körper, öfters auch Sarkome vorkommen (operative Behandlung erfolgreich). Knieschwamm und Stollbeule (s. d.), die als Hautgeschwülste erscheinen können, entstehen unter der Haut, ebenso der Einschuß (s. d.), eine pflegmonöse Entzündung im Unterhautgewebe.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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