Gärungspilze

Gärungspilze

Gärungspilze, mikroskopisch kleine, einzellige Organismen, die regelmäßige Begleiter und Erreger der Gärung (s.d.) sind und teils zu den Schizomyzeten gehören, teils Sproßformen von Pilzen aus verschiedenen andern Gruppen des Systems sind. Die in ihren Wirkungen am genauesten erforschten G. sind die Hefepilze (Saccharomyces Meyen), welche die Alkoholgärung zuckerhaltiger Flüssigkeiten hervorrufen, und aus denen die in der Bierbrauerei, Bäckerei und in der Branntweinbrennerei verwendeten, nach bestimmten Methoden rein gezüchteten Heferassen (s. Hefe) bestehen. Auch andre Pilze, wie einige Arten von Mucor, Torula u. a., verursachen Alkoholgärung. Bei der Weingärung sind einige spontan auftretende Hefen (Saccharomyces ellipsoideus Hansen und S. apiculatus Rees), bei der Gärung des Milchweins (Kefir) S. Kefyr Beyerinck wirksam. Die bei andern Gärungen auftretenden G. gehören zu den Schizomyzeten. Der bei der Buttersäuregärung auftretende Bacillus butyricus Hpp., zarte, lebhaft bewegliche Stäbchen, bringt das Kaseïn der Milch zum Gerinnen und erzeugt Ammoniak und andre Verbindungen, wobei die Milch einen bittern Geschmack annimmt. Das Harnferment, das die ammoniakalische Gärung des an der Luft stehenden Harns bewirkt, ist Micrococcus ureae Cohn, kugelförmige oder ovale Zellchen von 1,25–4 Mikromillimeter Durchmesser, die bald einzeln, bald zu mehreren kettenförmig verbunden vorkommen. Auch mehrere andre Bakterien (Urobacillus Miq. u. a.) erregen die Harnstoffgärung durch Ausscheidung eines denselben zersetzenden Ferments (Urase). Der durch kurze und dicke Stäbchen ausgezeichnete Bacillus acidi tactici Hpp. veranlaßt das Sauerwerden und Gerinnen der Milch, wobei der Milchzucker in Milchsäure und Kohlensäure gespalten wird (Milchsäuregärung); er ist auch bei Herstellung des Sauerkrautes, saurer Gurken u. dgl. wirksam. Der bei der Essiggärung des Alkohols tätige Fermentorganismus, die sogen. Essigmutter, Bacterium aceti Zopf, oxydiert unter Sauerstoffaufnahme aus der Luft den Alkohol zu Essigsäure. Andre Gärungsarten sind die schleimige, Mannit- oder Dextrangärung, bei der alkoholische Flüssigkeiten und Milch durch Bakterien (Bacillus sacchari Kram., B vini Kram. und B. lactis vinosus Adam) eine fadenziehende Beschaffenheit annehmen; die Zellulose- oder Sumpfgasgärung (mit Bacillus amylobacter van Tiegh.), bei der sich die Zellulose unter Wasseraufnahme in Kohlensäure und Sumpfgas zerlegt; die Tabaksfermentation, die ebenfalls auf der Wirkung von Spaltpilzen beruht, u. a. Den Wirkungen der G. sind die der fäulniserregenden Pilze (s. Fäulnisbakterien) und auch der pathogenen Bakterien (s. d., S. 288) an die Seite zu stellen. Vgl. Jörgensen, Die Mikroorganismen der Gärungsindustrie (4. Aufl., Berl. 1898); Koch, Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den Gärungsorganismen (Braunschw., seit 1890). Vgl. auch Literatur bei Artikel »Hefe«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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