- Heilige Familie
Heilige Familie, Darstellung des Christuskindes und seiner Angehörigen. Die frühere Malerei des Mittelalters beschränkte sich bei dergleichen Darstellungen meist auf Maria mit dem Kind; erst die spätere schuf figurenreichere Familienbilder mit Joseph, Elisabeth, der heil. Anna, der Mutter Marias, und Johannes dem Täufer, welche die Madonna mit dem Kind umgeben. Die ausgezeichnetsten Darstellungen dieser Art aus der klassischen Kunstepoche sind von Leonardo da Vinci, Raffael, Giulio Romano, Andrea del Sarto, A. Dürer, Rubens, van Dyck, Rembrandt und Murillo. Ersterer hat in seinen beiden Hauptwerken, der Vierge aux Rochers und der heil. Anna selbdritt, der Madonna mit dem Kinde nur den kleinen Johannes und die Mutter der Maria beigesellt. Raffael, der die mannigfachsten Darstellungen dieser Art geschaffen, hat den Familienkreis erweitert. Auf der Grenze zum bloßen Madonnenbilde stehen seine Belle jardinière und seine Madonna del Cardellino, wo außer Maria nur die beiden Kinder Christus und Johannes dargestellt sind; dann folgt die h. F. aus dem Hause Canigiani in der Münchener Pinakothek, die, in symmetrischer Gruppe die beiden Kinder von ihren halb sitzenden, halb knieenden Müttern gehalten und den auf einen Stab gestützten Joseph darstellend, als Haupttypus dieses Genres gelten kann. Das Höchste in diesem Darstellungskreis erreicht Raffael in der großen Heiligen Familie Franz' I. (im Louvre) in völlig freier, geistreicher Auffassung. Bezeichnend ist es für die mittelalterliche Auffassung der Maria, daß Joseph immer als betagter, oft fast grämlicher Mann neben der hohen jugendlichen Schönheit der Gottesmutter erscheint. Dürer (in zahlreichen Kupferstichen und Holzschnitten, besonders im »Marienleben«) und Rembrandt (die heiligen Familien in der Münchener Pinakothek und im Louvre zu Paris, die sogen. Holzhackerfamilie in Kassel) kehrten mehr die gemütliche Seite des Familienlebens im Spiegel deutschen und holländischen Bürgertums hervor.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.