- Prolongationsgeschäfte
Prolongationsgeschäfte (Kostgeschäfte), Börsengeschäfte, durch welche die Spekulation in Differenz- oder Prämiengeschäften (s. Prämiengeschäfte) bei vermuteter Fortdauer, resp. Verbesserung der Chance fortgesetzt wird. Die Zeitgeschäfte, die den ganzen Monat über an der Börse per ultimo (s. Ultimo) abgeschlossen worden sind, müssen an diesem Termin abgewickelt oder sie müssen hinausgeschoben werden. Der Haussespekulant wird, wenn er vor Ultimo sein Engagement durch Verkauf auf Ultimo noch nicht gelöst hat, zu entscheiden haben, ob er die abzunehmenden Papiere bar bezahlen oder ob er sein Engagement prolongieren, d. h. auf den neuen Monat übertragen will, indem er die abzunehmenden Stücke einstweilen anderwärts unterbringt. Der Haussier wird nämlich oft am Ultimo mehr Effekten zu beziehen als zu liefern haben; er will aber die Stücke, die er zuviel hat, nicht weiterverkaufen, weil entweder der Kurs gesunken, oder nach seiner Ansicht noch nicht genug gestiegen ist und ein weiteres Steigen desselben in Aussicht steht. Ebenso ist es beim Baissier, wenn der Kurs der Stücke, die er im voraus (in blanco) verkauft hat, gegen seine Erwartungen gestiegen ist, oder wenn er ein weiteres Sinken des Kurses annehmen zu dürfen glaubt. Nun kann die Prolongation in der Weise bewerkstelligt werden, daß der Baissier die in blanco verkauften Stücke per ultimo des laufenden Monats kauft und per ultimo des folgenden Monats wieder verkauft, oder daß der Haussier die Stücke, die er abnehmen soll, per ultimo dieses Monats verkauft und per ultimo des nächsten wieder ankauft. Allein dies Verfahren wird in der Praxis wegen seiner Umständlichkeit und Kosten wenig angewendet. Das Prolongationsgeschäft wird vielmehr in der Regel vereinfacht durch das Reportgeschäft (unechte oder indirekte P.), falls nicht mit dem bisherigen Kontrahenten die einfache Hinausschiebung der Erfüllung der abgeschlossenen Zeitgeschäfte (reine oder echte P.) verabredet ist. Beim Reportgeschäft tritt ein Dritter für die einstweilige Erfüllung ein. Zwischen diesem und dem Prolongierenden erfolgt die Prolongation durch zwei Geschäfte entgegengesetzter Art. Der Haussier schließt mit jemand ab, der die Stücke für einen Monat abnimmt und dafür Geld gibt, der Baissier mit jemand, der die Stücke für einen Monat gegen Zahlung des Kaufpreises hergibt. Dies Dazwischentreten von Barzahlern wird um so nötiger, je mehr die Hausse- die Baissespekulation überwiegt, während beim Überwiegen der Baissiers die Effektenbesitzer mit ihren Vorräten (Leihstücken) dazwischentreten müssen. Wurden von der Kontermine in einer bestimmten Wertpapiergattung umfangreiche Engagements eingegangen und tritt zur Zeit der Versorgung (Eindeckung) ein großer Stückmangel (Découvert) ein, so kann diesem nur mittels Hereinnahme der Titres an andern Börsen durch die Arbitrage (Reportarbitrage) abgeholfen werden. Das Hergeben von Geld auf einen Monat geschieht in der Form des Kaufes per diesen und des Verkaufs per nächsten Ultimo; umgekehrt das Hergeben von Stücken. Der Geldgebende nimmt die Stücke herein, nimmt sie in Prolongation oder in Kost, der andre gibt sie hinein, gibt sie in Prolongation oder in Kost. Der Hereinnehmer nimmt dem Hineingeber die Stücke am Ultimo des laufenden Monats zum Liquidationskurs ab; dagegen werden dieselben am Ultimo des nächsten Monats vom Hereinnehmer an den Hineingeber zu einem etwas höhern oder etwas niedrigern Kurs zurückgeliefert. Der Betrag, der dem Kurs zugeschlagen wird, heißt Report (s. d., Kostgeld, franz. report, engl. contango), der Betrag, um den der Kurs ermäßigt wird, heißt Deport (Leihgeld, franz. déport, engl. backwardation). Die Höhe des Reports und des Deports wird beim Abschluß der P. vereinbart. Der Report nebst den laufenden Stückzinsen für einen Monat geht immer zugunsten des Hereinnehmers, der Deport zugunsten des Hineingebers, allerdings hier unter Gegenrechnung der laufenden Stückzinsen für einen Monat. Nimmt jemand per Ultimo Juni ein Wertpapier zu 198 Proz. herein, das mit den 4 Proz. Stückzinsen von 2 Mk. zusammen 200 Mk. für 100 Mk. Nennwert ausmacht, so erhält er für seine Geldausgabe bloß eine 2proz. Verzinsung (331/3 Pf. pro Monat für 200 Mk. Geldausgabe). Der Hereinnehmende (Kostnehmer) verlangt daher in dem Monatsreport einen entsprechenden Zinsenersatz. Daraus geht hervor, daß der Report immer größer wird, je höher der Börsenkurs steigt; wenn nicht etwa ein Stückmangel entgegenwirkt. Nimmt jemand aber per Ultimo ein Wertpapier zu 23 Proz. herein, das mit den 4 Proz. Stückzinsen von 2 Mk. zusammen 25 Mk. für 100 Mk. ausmacht, so erhält er für seine Geldausgabe, da die Stückzinsen vom Nennwert gerechnet werden, ebenfalls 331/3 Pf. pro Monat (= 16 Proz.). Es ist selbstverständlich, daß er von diesem Betrage, der eine viel zu große Verzinsung bilden würde, einen Teil dem Hineingeber zurückvergüten muß (Deport). Es kommt jedoch auch vor, daß weder ein Report noch ein Deport festgesetzt wird, so daß also Verkauf und Kauf zum nämlichen Kurs geschehen. Man spricht hier von einer glatten Prolongation, von glatt hereinnehmen und glatt hineingeben. Das Reportgeschäft dient übrigens nicht bloß zur Prolongation von Effektenspekulationen, sondern auch in großem Umfang zur Geldbeschaffung. Der Darlehnsnehmer verkauft einen Betrag Effekten an den Darlehnsgeber auf den Termin, zu dem er Geld braucht, und kauft sie gleichzeitig zu einem spätern Termin zurück Hier treten die Reportgeschäfte an Stelle der Lombardgeschäfte. Vgl. Salings Börsenpapiere, 1. Teil (10. Aufl., Leipz. 1905).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.