- Memel [2]
Memel, Kreisstadt im preuß. Regbez. Königsberg, die nördlichste Stadt des Deutschen Reiches, an der Mündung der schiffbaren Dange in das Memeler Tief, welches das Kurische Haff mit der Ostsee verbindet, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Osterode-M. und M.-Bajohren, hat 2 evangelische, eine englische und eine kath. Kirche, Synagoge und (1905) mit der Garnison (ein Bataillon Infanterie Nr. 41) 20,687 Einw., davon 862 Katholiken und 899 Juden.
An gewerblichen Etablissements bestehen eine Fabrik zur Herstellung chemischer Produkte, 2 Schiffswerften, ferner Eisengießereien, Maschinenfabriken, eine Seifenfabrik, Zellulose-, Zigaretten-, Essig-, Kerzen- u. Tauwerkfabrikation, Bierbrauerei u. Branntweinbrennerei. Der Handel wird durch ein Vorsteheramt der Kaufmannschaft, durch 12 Konsulate fremder Länder und eine Reichsbankstelle (Umsatz 1904: 223,5 Mill. Mk.) unterstützt und ist bedeutend in Holz, Leinsaat, Flachs, Hanf, Steinkohlen, Düngmitteln und Fischen (besonders Heringen) etc. Die Reederei zählte 1904 außer einer größern Anzahl von Küstenfischerei-Fahrzeugen etc. 15 Dampfschiffe zu 8168 Reg.-Ton. Raumgehalt. In dem geräumigen, durch Molen geschützten und mit einem Leuchtturm versehenen Hafen belief sich der Seeverkehr 1903 auf 570 angekommene Seeschiffe zu 201,110 Reg.-Ton. und 598 abgegangene zu 207,550 Reg.-Ton. M. ist Sitz eines Landgerichts, eines Hauptzollamts, einer Prüfungskommission für Lotsen und Seefahrer, eines Lotsenkommandos und einer Rettungsstation für Schiffbrüchige und hat ein Gymnasium, Schullehrerseminar, Präparandenanstalt, Navigationshauptschule, ein Waisenhaus und ein Aussätzigenheim. Zum Landgerichtsbezirk M. gehören die vier Amtsgerichte: Heydekrug, M., Prökuls und Ruß. In der Nähe die großen Dörfer Bommelsvitte und Königlich Schmelz (s. d.) und das Forsthaus Försterei mit Seebad. – M. wurde 1252 unter den Mauern der Deutschordensburg Memelburg gegründet und bekam lübisches Recht. Ein Drittel der Stadt gehörte dem Bischof von Kurland, zwei Drittel besaß der livländische Schwertorden. Letzterer übertrug 1326 seinen Anteil dem Deutschen Orden, der 1328 die ganze Stadt erhielt und sie 1404 aufs neue befestigte. In den Kriegen mit den Litauern und Polen im 13.–15. Jahrh. hatte die Stadt viel zu leiden, brannte wiederholt ab, war eine Zeitlang im Besitz der Schweden und wurde 1757 von den Russen besetzt. Nach der Schlacht bei Jena (1806) weilten zu Anfang 1807 König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise hier, und 28. Jan. d. J. schlossen hier Preußen und England Frieden. Am 27. Dez. 1812 wurde M. infolge der Kapitulation zwischen Trabenfeld und Paulucci von den Russen besetzt. M. erhielt erst 1875 Eisenbahnverbindung. M. ist Geburtsort des Dichters Simon Dach (1605). Vgl. Sembritzki, Geschichte der königlich preußischen See- und Handelsstadt M. (Memel 1900) und M. im 19. Jahrhundert (das. 1902).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.