- Hillel
Hillel, 1) H. hassaken (»der Alte«), der berühmteste jüdische Gesetzlehrer und Präsident des Synedrions im ersten vorchristlichen Jahrhundert, um 60 v. Chr. geboren, soll in seinem 40. Jahr nach Jerusalem gekommen sein und daselbst unter den größten Entbehrungen bei Schemaja und Abtaljon studiert haben. Er und Schammai waren bald die Hauptautoritäten der rabbinischen Schul- und Schriftgelehrsamkeit, und zwar so, daß die Gesetzesauffassung Hillels, der ein Muster der Sanftmut und Bescheidenheit war, der strengern des Rabbi Schammai, Vizepräsident des Synedrions, mehrfach entgegengesetzt war. H. konzentrierte die halachische Schriftauslegungsmethode in sieben Hauptregeln und führte den Prosbol (griech. Prosbole, d. h. Übergabe einer Deklaration oder protokollarische Erklärung) ein, der die mosaische Vorschrift (5. Mos., 15, 1–11) vom Schuldenerlaß im Sabbatjahr dadurch unwirksam machte, daß dem Gläubiger durch eine vor Gericht abgegebene Erklärung es ermöglicht wurde, seine Schuld jederzeit einzufordern. Die mildere Praxis Hillels bei Gesetzesbestimmungen erhielt sich in der Schule Hillels, neben der die Schule Schammais mit strengerer Observanz wirkte. Seine Richtung, die man vielfach mit dem Geiste der Bergpredigt und der ursprünglichen Lehre Jesu in Vergleich gebracht hat, läßt sich aus seinen im Talmud aufbewahrten Sprüchen erkennen. Vgl. Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi (3. Aufl., Leipz. 1898, S. 360 ff.).
2) H. II., ein Abkömmling des vorigen, im 4. Jahrh. n. Chr., Vorsteher der Schule in Tiberias, stellte 359 n. Chr. auf Grund des von dem griechischen Astronomen Meton eingeführten neunzehnjährigen Mondzyklus den jüdischen Kalender fest, für den er die Berechnung nach der Sichtbarwerdung des Mondes aufgab.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.