- Frei Schiff, frei Gut
Frei Schiff, frei Gut, Grundsatz des modernen Völkerrechts, wonach das auf neutralen Schiffen befindliche feindliche Privatgut im Seekrieg nicht weggenommen werden darf. Man pflegt dies auch durch den Satz auszudrücken: »Die Flagge deckt das Gut«. Der im Landkrieg bei allen zivilisierten Völkern anerkannte Grundsatz, daß das Privateigentum der Regel nach vom Feind respektiert wird, ist im Seerecht noch nicht zu allgemeiner Anerkennung gediehen; doch hat man seit dem Ausgang des 18. Jahrh. mehr und mehr wenigstens das Zugeständnis gemacht, daß die neutrale Flagge zugleich die Ladung decke. Dies ist eine Konsequenz der Tatsache, daß es auf offenem Meer keine Gebietshoheit eines einzelnen Staates gibt, vielmehr jedes Schiff unter der Staatshoheit jenes Landes steht, unter dessen Flagge es segelt. Darum kann auf einem neutralen Schiff ebensowenig wie in dem neutralen Staatsgebiet selbst die Wegnahme von Gütern erfolgen, die feindlichen Untertanen gehören. Auf dem Pariser Kongreß (1856) wurde der Grundsatz s. S., s. G. oder le pavillon couvre la cargaison, die Flagge deckt die Ladung, und der weitere, daß neutrales Gut unter feindlicher Flagge unverletzbar sei, durch eine besondere Deklaration (16. April) förmlich anerkannt. Vgl. außer den Lehrbüchern des Völkerrechts von Rivier, Liszt, Ullmann und Gareis noch Geßner, Le droit des neutres sur mer (2. Aufl., Berl. 1876); de Boeck, De la propriété privée ennemie sous pavillon ennemi (Par. 1882).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.