- Dyskrasie
Dyskrasie (griech., Blutkrankheit), »fehlerhafte Mischung« der Körpersäfte, insbes. des Blutes und der Lymphe. Die ältere Anschauung, daß gewisse Krankheiten, die man nicht auf greifbare Ursachen zurückzuführen vermochte, auf einer fehlerhaften Zusammensetzung der Körpersäfte oder auf einer Beimengung von dem Körper fremden Bestandteilen beruhen, wurde nur in relativ seltenen Fällen bestätigt. Sie entsprang der falschen Vorstellung, daß dem Blut eine selbständige Stellung zukomme und von seiner primären Veränderung die Organerkrankungen abhingen. In der Mehrzahl der Fälle, wo überhaupt eine D. vorhanden ist, ist sie nicht die Ursache der Organerkrankungen, sondern umgekehrt, eine ursprünglich örtliche Erkrankung eines Organs hat erst sekundär zu einer abnormen Zusammensetzung des Blutes geführt, die meisten Dyskrasien sind also nicht als Ursachen, sondern als Folgen gewisser Erkrankungen der Organe und Gewebe des Körpers zu betrachten. Versteht man unter D. jede Abweichung von der normalen Zusammensetzung des Blutes, so lassen sich folgende Formen unterscheiden: 1) Abnorme Mengenverhältnisse der normalen Bestandteile des Blutes (Anämie, Bleichsucht, Leukämie, Hydrämie etc); 2) Vorkommen fremdartiger Stoffe, die normalerweise gar nicht oder doch nur in ganz geringen Mengen im Blut enthalten sind: Harnbestandteile (Urämie und Gicht), Zucker (Zuckerharnruhr), Gallenbestandteile (Gelbsucht) etc.; 3) Beimengung fremdartiger geformter Bestandteile zum Blut: Pigmentkörner bei Melanämie, Bakterien bei Infektionskrankheiten. Meistens wird jedoch nach altem humoralpathologischen Brauch unter D. erstens die angeborne oder erworbene, in ihren Ursachen unbekannte Neigung gewisser Individuen zu gewissen Krankheiten (Tuberkulose, Skrofulose) und zweitens das durch das Bestehen von Krebs, Tuberkulose, Syphilis bedingte allgemeine schlechte Ernährungsverhältnis des gesamten Organismus verstanden. Im gewöhnlichen Leben spricht man von einer Schärfe des Blutes (Blutschärfe), wenn am Körper häufig Geschwüre, Pusteln, Furunkeln ohne sonst nachweisbare Ursache entstehen.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.