Meyer 1 u. 2

Meyer 1 u. 2

Das Bibliographische Institut wurde 1826 von Joseph Meyer in Gotha begründet und 1828 nach Hildburghausen verlegt, von wo es 1874 mit dem Sohn des Begründers, Herrmann Julius Meyer, nach Leipzig übersiedelte. Näheres über die Entwickelung des Instituts, von dessen technischer Einrichtung die Tafel die hauptsächlichsten Beispiele zeigt, siehe in den biographischen Artikeln über die Genannten.

In Leipzig wurde das Institut 1873/74 im Osten der Stadterbaut, im Jahre 1890 erweitert. Es bedeckt einen von vier Straßen umgebenen Flächenraum von 6600 qm. Der Eingang von der Straße führt über einen weiten, gartenähnlichen, von drei Seiten des Vorderbaues umgebenen Vorhof; er sichert den fensterreichen Arbeitsräumen volles Licht und staubfreie Luft. Die nach dem großen Hofe führende Durchfahrt trennt den Bau in zwei Hälften, zu deren jeder ein eignes geräumiges Treppenhaus nach oben sowie hinab ins Kellergeschoß führt. Letzteres enthält in feuersichern Gewölben die Lager der Stereotypplatten, das Papierdefekten- und Makulaturlager, Magazin für Materialien, Lagerräume für Kohlen, Holz und alle denkbaren Abfälle sowie 2 Akkumulatorenanlagen für die elektrische Beleuchtung, ferner die Steinschleiferei mit 3 Steinschleifmaschinen; daran anschließend das Lager für die Originalsteine.

Grundriß des ersten Obergeschosses.
Grundriß des ersten Obergeschosses.

Da Kessel- und Maschinenraum bis zur Kellersohle hinabreichen und sich hier die mechanische Werkstätte mit vier Hilfsmaschinen, die Gasometer, Dampfkondensatoren und Wasserreservoire sowie die Dynamomaschinen befinden, so erstreckt sich auch von da aus das ganze System der Transmissionen und der über 10 km langen Dampf-, Wasser- und Gasleitungen sowie der gleich langen Leitung der elektrischen Beleuchtungs- und Kraftanlage unter dem Hause hin, an den Stellen, wo man ihres Dienstes bedarf, nach den obern Geschossen aufsteigend oder auch von da wieder zurückkehrend. Zwei mechanische Aufzüge zu beiden Seiten des Mittelbaues sowie ein dritter im linken Flügel und ein vierter Aufzug im Hinterhaus führen vom Keller bis zum Dachgeschoß, mit Ausgängen in jedem Stockwerk. Die Zeugschmelze für die Schrift- und Stereotypengießerei befindet sich in einem vom Hauptgebäude getrennten Raum, u. zwar unmittelbar neben dem Schornstein des Kesselhauses, in den die Gase direkt abgeführt werden.

Zu ebener Erde im linken Flügel befindet sich das Papierlager, an das sich die Papierkontrolle, die Papierfeuchte, der Satiniersaal mit 8 Schnellsatiniermaschinen, der Rotationsmaschinenraum mit 2 großen Rotationsmaschinen, der Trockenraum für die Buchdruckerei, die Bücherstube (in der die aus der Buchdruckerei hervorgehenden Druckerzeugnisse geglättet werden) mit 16 hydraulischen Glättpressen u. 6 dazu gehörenden Einsetzpressen sowie 2 Preßpumpen anschließen, so daß der Bogen in ununterbrochener Aufeinanderfolge aller Arbeitsprozesse bis zu dem auf dem andern Flügel des Hauses gelegenen Rohlager gelangt, ohne eine Stufe auf- oder absteigen zu müssen. Im Mittelbau liegen, zu beiden Seiten der Einfahrt und zunächst der Hausverwaltung, die Speditionsräume, teils der Buchhandlung, teils dem technischen Betrieb angehörig.

Im linken Flügel des ersten Stocks (vgl. den Grundriß) befindet sich der Maschinensaal der Buchdruckerei mit 29 Schnellpressen für Ein- und Zweifarbendruck, 3 Tiegeldruckpressen und einer Farbereibmaschine. An diesen Saal schließt sich die Steindruckerei mit 23 Schnellpressen, 2 Aufziehpressen, 10 Handpressen, 1 Bronziermaschine und 2 Farbereibmaschinen an. Zwischen den beiden Sälen befindet sich ein Raum zur Aufnahme der Druckwalzen.

Im rechten Flügel des ersten Stocks befinden sich das Hauptverlagslager mit zugehörigem Kontor der Lagerbuchführung und Kontrolle der Ablieferungen aus den Buchbindereien, ferner die Kantine mit den Speiseräumen für das männliche und weibliche Personal. Die Mitte des ersten Geschosses ist von der Hauptexpedition, Auslieferung und Kasse, also den Kontoren der Buchhandlung, in Anspruch genommen.

Der zweite Stock gehört mehr ruhigen und der Ruhe bedürftigen Beschäftigungen an. Den linken Flügel nimmt die Setzerei ein, mit einem abgeschlossenen Raum für den Faktor, den Revisor und die Korrektoren; nebenan befinden sich das Klischee- und Holzschnittlager, die Vertriebsabteilung, die Reisefirmenabteilung der Hauptexpedition und das Schriftmagazin, die Papierstereotypie, Stereotypengießerei und Schriftgießerei mit 16 Gieß- und Hilfsmaschinen, im Hinterbau reiht sich die Tischlerei mit 6 Holzbearbeitungsmaschinen, die Galvanoplastik mit 7 durch Elektromotoren angetriebenen Hilfsmaschinen sowie 2 Dynamomaschinen zur Erzeugung des für die verschiedenartigen Bäder erforderlichen Stroms sowohl als zur Ladung der außer der regelmäßigen Betriebszeit Verwendung findenden Akkumulatoren an. Im rechten Flügel des zweiten Stocks befinden sich die kartographische und die chromolithographische Anstalt sowie die Verlags- und Redaktionsbibliotheken, die Redaktionen und die Buchführung. Im Mittelbau reihen sich an die Setzerei die Bureaus der Materialienverwaltung, der technischen Leitung und der Chefs aneinander.

Das dritte Geschoß beherbergt die Buchbinderei, Putzerei, das Karten -und Bilderlager und die Trockenräume für die Steindruckerei. Die Buchbinderei arbeitet mit 5 Falzmaschinen, 2 Walzwerken, 19 Draht- und Fadenheftmaschinen, 14 Schneidemaschinen (darunter 2 Vierschneider, 3 Dreischneider und 4 mit selbsttätiger Einpressung), 3 Rückenrundmaschinen, 2 Abpreßmaschinen, 1 Pappenschere, 1 Pappenkreisschere, 1 Ritz- und Nutmaschine, 3 Lederabschärfemaschinen, 21 Stockpressen, 14 Vergoldepressen, 2 Farbdruckpressen für Dampfbetrieb, 5 Futteralheft- und Nutmaschinen, 3 Perforiermaschinen, 2 Messerschleifmaschinen und 12 kleinern Hilfsmaschinen.

Die Treppen und Aufzüge setzen sich ins Dachgeschoß fort, das in der Hauptsache als Rohlager dient. Daneben bietet es unter anderm Raum für 2 Wasserbehältnisse, die vermittelst einer Wanddampfpumpe (Patent ›Klein‹) aus dem Brunnen des Hauses gespeist werden, und von denen sämtliche Räume des Hauses ihren Bedarf an Wasser empfangen.

In jedem Geschoß sind für das männliche und weibliche Personal besondere Garderoberäume und Aborte vorhanden.

Bei den Transmissionen sind in fast sämtlichen Räumen Deckenlager und Winkelräder vermieden, die Wellen liegen an den Mauern oder in unterirdischen Kanälen, und alle Transmissionsverbindungen geschehen geräuschlos durch Riemen. Dadurch, daß alle Maschinen unter dem Boden ihren Antrieb haben, ist die Gefahr, welche Riemenführung in den Arbeitsräumen mit sich bringt, auf das geringste Maß eingeschränkt. Ein Teil der Maschinen wird durch Elektromotoren angetrieben; die letztern finden auch häufig nach der regelmäßigen Betriebszeit, also für Überarbeit, Verwendung, und zu diesem Zweck wird der in einer Akkumulatorenanlage aufgespeicherte Strom verwendet.

Der Maschinenbetrieb in den einzelnen größern Arbeitsräumen kann durch Friktionskuppelungen zu augenblicklichem Stillstand gebracht werden, auch können durch ebensolche Kuppelungen die beiden Dampfmaschinen vereinigt oder jede für sich für den Betrieb sowohl als für die der elektrischen Beleuchtung und der Kraftübertragung dienenden Dynamomaschinen Verwendung finden.

Zum Betrieb der vorstehend aufgeführten 200 Maschinen sowohl als der elektrischen Beleuchtung und elektrischen Kraftübertragungsanlagen sind eine mit Kondensation arbeitende Compound-Dampfmaschine von 300 Pferdekräften, auf deren Schwungradwelle eine Compound-Dynamomaschine von 165 Kilowatt Stromstärke eingebaut ist, und eine zweite Compound-Dampfmaschine von 120 Pferdekräften für drei weitere Dynamomaschinen von zusammen 132 Kilowatt für Licht- und Kraftanlage sowie 3 Kessel von 504 qm Heizfläche vorhanden, die auch den Dampf für Beheizung sämtlicher Räume, Gänge, Treppenhäuser und für technische Zwecke liefern. Zu erwähnen ist hierzu, daß im ganzen Haus kein Gramm Kohle direkt zu Heizzwecken verwendet wird, was nicht wenig die Reinhaltung der Räume erleichtert. Da alles Kondensationswasser aus den Dampfleitungen wieder nach dem Vorwärmer zurückgeführt wird, so ist der Kohlenverbrauch ein auffallend geringer._– Das den Kesseln seiner Kalkhaltigkeit halber sehr gefährliche Speisewasser wird vor der Verspeisung mittels eines Reisertschen Wasserreinigungsapparats, also außerhalb der Kessel, von den vorhandenen Kesselsteinbildnern mit gutem Erfolg befreit. Für Feuerlöschzwecke findet die in mehrfacher Abzweigung nach allen Korridoren geführte städtische Wasserleitung Verwendung.

Die Ventilation wird teils durch Luftbefeuchtungsapparate und Ventilatoren, teils durch Essenrohre oder Luftzüge in den Mauerpfeilern mit verstellbaren Jalousien vor denselben bewirkt.

Werfen wir nun einen allgemeinen Überblick auf die Gesamtanlage, wie sie in vorstehendem kurz geschildert, so lassen sich als leitende Gesichtspunkte erkennen, erstlich in der baulichen Anordnung: die Erreichung des kürzesten Weges für das Arbeitsprodukt, um vom Rohmaterial an von Hand zu Hand zu gehen und an das Ende seiner Bestimmung zu gelangen, also möglichste Zeit- und hierdurch Geldersparnis; sodann in den mechanischen Einrichtungen: tunlichste Ersparnis an mechanischer Menschenkraft, dafür aber ausgedehnteste Ausnutzung der Maschinenkraft, wobei alle Maschinen nur von bewährtester Konstruktion gewählt wurden, nach dem Grundsatz: das Beste ist das Billigste. Als eine Folge dieses Grundsatzes wollen wir auf den ungewöhnlich raschen Gang aller Maschinen hinweisen: er beträgt für die ausschließlich für Werkdruck Verwendung findenden Rotationsmaschinen 7000, für die übrigen Schnellpressen 1140 und 1320, die Satiniermaschinen 1200, die lithographischen Schnellpressen 600 und 700 Umdrehungen in der Stunde und erhebt somit die Leistungen derselben über die durchschnittliche Leistungsfähigkeit in den meisten Druckereien.

Wie aus dem eben beendeten Rundgang ersichtlich, wird das Buch in allen seinen Teilen an Ort und Stelle fertig gestellt, so daß das eingehende weiße Papier von hier aus als gebundenes Werk in die Welt wandert.

Der Umfang des Betriebs ergibt sich wohl noch daraus, daß jährlich für nahezu 700,000 Mk. Papier, für etwa 400,000 Mk. Farben, Kohlen und sonstige Materialien und 850,000 Mk. zu Gehältern und Löhnen gebraucht werden. Über die Leistungsfähigkeit der Hauptwerkstätten geben nachstehende Zahlen aus der jährlichen Durchschnitts-Produktion Aufschluß: Buchdruckerei 85 Mill. Drucke, Satiniersaal 75 Mill. Durchzüge, Buchbinderei außer 600,000 Broschüren 800,000 gebundene Bücher. Das Personal schwankt zur zeit zwischen 720 und 750 Personen.


Technische Werkstätten des Bibliographischen Instituts.
Technische Werkstätten des Bibliographischen Instituts.

http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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