Würzburg [2]

Würzburg [2]

Würzburg (Virteburch, Wirceburgum, Herbipolis, hierzu der Stadtplan mit Register), Hauptstadt des ehemaligen Fürstbistums W., jetzt unmittelbare Stadt und Hauptstadt des bayr. Regbez. Unterfranken, liegt in reizender Gegend zu beiden Seiten des Mains, über den hier drei Brücken führen, 181 m ü. M. Die Stadt galt bis 1866 als Festung. Der Hauptteil dieser, der Marien- oder Frauenberg, liegt am linken Mainufer auf dem 265 m hohen Leistenberg und war von 1261–1720 Sitz der Bischöfe. Die mit einem Ring von prächtigen Anlagen sowie einer Ringstraße und dem Mainkai umschlossene Stadt ist im Innern unregelmäßig gebaut. Unter den 36 Kirchen (darunter 2 evangelische) ist die Domkirche (862 gegründet, 1042 neu erbaut) mit der prachtvollen Schönbornschen Kapelle und vielen Denkmälern von Bischöfen die hervorragendste.

Wappen von Würzburg.
Wappen von Würzburg.

Die Haugerstiftskirche, ein stolzer Bau im Stil der italienischen Renaissance, mit Doppeltürmen und hoher Kuppel, ward 1670–91 erbaut und neuerlich geschmackvoll restauriert. Die ursprünglich romanische Neumünsterkirche (von 1000?) bewahrt in der Krypte die Gebeine des heil. Kilian. Ferner sind zu nennen: die Universitätskirche mit der Sternwarte (auf dem Turm), die Deutschhauskirche und die Marienkapelle, zwei der schönsten Denkmäler gotischer Baukunst, letztere mit 20 Statuen von Tilman Riemenschneider aus dem 15. Jahrh., und die Kirche auf der Festung, die älteste in Franken. Außerdem hat die Stadt eine Synagoge. Unter den übrigen öffentlichen Gebäuden zeichnen sich aus das durch Balthasar Neumann von 1720–44 erbaute königliche Residenzschloß (früher Residenz der Fürstbischöfe, dann des Großherzogs), mit dem Kaiser- und dem Spiegelsaal, letzterer mit Gemälden auf Spiegelglas, und herrlichem Garten; das große, reiche und trefflich eingerichtete Juliushospital, das Gebäude der Universität, das neue Rathaus u. a. Vor dem Juliushospital steht die Statue des Fürstbischofs Julius (von Widnmann, von Miller in Erz gegossen); ein Denkmal zur Erinnerung an Walther von der Vogelweide (von Halbig, seit 1843) befindet sich in einer Nische der Neumünsterkirche, in deren Kreuzgang der Dichter 1230 begraben ward. W. hat außerdem Denkmäler des Bürgermeisters Zürn, des Japanreisenden v. Siebold, des Komponisten Val. Becker, des Prinz-Regenten Luitpold, einen Luitpold- und einen Kiliansbrunnen und einen Bismarckturm.

Die Bevölkerung beläuft sich (1905) mit der Garnison (ein Infanterieregiment Nr. 9,2 Feldartillerieregimenter Nr. 2 und 11 und 2 Kompanien Train Nr. 2) auf 80,327 Seelen, davon 15,341 Evangelische und 2535 Juden. Die Industrie besteht in Fabrikation von Tabak, Möbeln, Maschinen, chirurgischen, mathematischen und musikalischen Instrumenten, Kunstwolle, Eisenbahnwagen, Hartsteinen, Spielkarten, Goldleisten, Lampen, Metallwaren, Essig, Likör, Malz, Schokolade, Schaumwein etc., in Bierbrauerei, Eisengießerei und Ziegelbrennerei. Großartig sind die früher in dem ehemaligen Cistercienserkloster Oberzell (s. d.) von König und Bauer gegründeten, 1901 auf das rechte Mainufer verlegten Etablissements zur Herstellung von Buchdruckschnellpressen. Außerdem sind noch zu nennen: Schiffbau, Kunst- und Dampfsägemühlen, Obst-, Getreide-, Gemüse-, vor allem aber Weinbau. In der ganzen Umgebung der Stadt liegen zahlreiche Weinberge (ca. 1200 Hektar), die in guten Jahren einen Ertrag von 5 Mill. Mk. liefern. An dem südlichen Abhang des Frauenbergs, der sogen. Leiste, wächst der berühmte Leistenwein, an dem nach Veitshöchheim a. M. sich hinziehenden Steinberg der Steinwein (s. Frankenweine). Der Handel, unterstützt durch die Handels- und Gewerbekammer von Unterfranken, durch einen Handelsverein, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1906: 526,6 Mill. Mk.), die königliche Filialbank, Bayrische Notenbank, Bayrische Bodenkreditanstalt und zahlreiche andre Bankgeschäfte sowie durch das Eisenbahnnetz und die Mainschiffahrt, für die W. einen Hafen besitzt, ist besonders bedeutend in Wein, Holz, Gerste, Chemikalien, Metallwaren, Mühlenfabrikaten etc. Auch hat W. drei Messen, einen Wollmarkt, eine Getreideschranne, Viktualien- und Viehmärkte. Den Verkehr in der Stadt vermittelt eine elektrische Straßenbahn. Für den Eisenbahnverkehr ist die Stadt Knotenpunkt der bayrischen, bez. badischen Staatsbahnlinien Treuchtlingen-Aschaffenburg, Bamberg-W., Passau-Nürnberg-W. und Heidelberg-W.

Unter den Bildungsanstalten ist zunächst die Universität zu nennen. Dieselbe wurde 1403 vom Bischof Johann von Eglofstein gegründet, ging aber bald wieder ein. Erst 1582 gründete der Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn eine neue Hochschule, die seit der Vereinigung Würzburgs mit Bayern (1815) den Namen Julius Maximilians-Universität erhielt. Zur Beförderung der medizinischen Studien dient vornehmlich das Juliushospital, mit dem ein Entbindungshaus und ein Krankenhaus für Epileptische sowie eine Augenheilanstalt (v. Welzsche Marienstiftung) und ein hygienisches Institut in Verbindung stehen. Die Bibliothek enthält über 100,000 Bände (meist aus alten Klöstern). Die Zahl der Studierenden belief sich im Sommersemester 1907 auf 1408 (worunter beinahe die Hälfte Mediziner). Ferner hat W. 2 Gymnasien, ein Realgymnasium, eine Oberrealschule, ein Priester-, ein bischöfliches Knaben- und ein Schullehrerseminar, Schulen des Polytechnischen Vereins, eine Landwirtschaftsschule, eine jüdische Lehrerbildungsanstalt, eine Handelsschule, eine Baugewerkschule, eine Fachschule für Maschinenbau und Elektrotechnik, ein adliges Erziehungsinstitut, eine Mädchenbesserungsanstalt, ein Kindergärtnerinnenseminar, eine Musikschule (gegründet 1804; vgl. die Denkschrift von Kliebert, Würzb. 1904), eine Taubstummen- und eine Blindenanstalt, eine Hebammenschule etc. sowie die Wagnersche Kunstsammlung der Universität, eine städtische Gemälde- und Münzsammlung und ein Theater. Unter den Vereinen sind eine Physikalisch-medizinische Gesellschaft, eine Gesellschaft zur Beförderung und Vervollkommnung der Künste und Gewerbe, der fränkische Kunst- und Altertumsverein, die Gesellschaft für fränkische Geschichte, ein Historischer Verein für den Regbez. Unterfranken und ein Weinbauverein nennenswert. An Wohltätigkeits- und andern Anstalten besitzt W. mehrere Spitäler, ein Waisenhaus, eine Irrenanstalt, 9 Klöster, eine Diakonissenanstalt, ein Zuchthaus etc. Die städtischen Behörden zählen 20 Magistratsmitglieder und 42 Stadtverordnete. Die Stadt ist Sitz der Regierung für Unterfranken, eines Bezirksamts, eines Landgerichts, einer Oberpost- und einer Eisenbahndirektion, eines Hauptzollamts, ferner eines Bischofs und eines bischöflichen Konsistoriums und eines Distriktsrabbinats. Von militärischen Behörden befinden sich dort das Generalkommando des 2. bayrischen Armeekorps, der 4. Division, der 7. Infanterie- und der 4. Feldartilleriebrigade. In der Nähe von W. liegt der Nikolausberg mit der Wallfahrtskirche Käppele und reizender Aussicht. Der lateinische Name Herbipolis (»Kräuterstadt«) wurde der Stadt im 12. Jahrh. beigelegt. Zum Landgerichtsbezirk W. gehören die elf Amtsgerichte zu Arnstein, Aub, Brückenau, Dettelbach, Gemünden, Karlstadt, Kitzingen, Marktbreit, Ochsenfurt, Wiesentheid und W.

W. geht auf eine keltische Niederlassung zurück, erhielt aber erst nach der Errichtung des Bistums (741) Bedeutung. Wie in allen Bischofsstädten suchte sich auch in W. die Bürgerschaft der bischöflichen Herrschaft zu entziehen, trachtete nach der Reichsfreiheit und schloß sich deshalb, namentlich unter König Heinrich IV., an das Königtum an, während ein dauernder Kampf zwischen Bürgerschaft und Bischof stattfand. Endlich unterlag die Stadt in der Schlacht bei Argtheim 1400. Aus dem Anschluß der Stadt an das Königtum erklärt sich die häufige Abhaltung von Reichstagen in W.: 1180 wurde hier Heinrich der Löwe geächtet, 1209 die Verlobung Ottos IV. mit Beatrix, der Tochter Philipps, beschlossen. Im Bauernkrieg führte die Gegnerschaft zum Bischof und die Hoffnung auf Reichsfreiheit zum Anschluß der Bürgerschaft an die Bauern, aber der tapfere Widerstand der Feste Marienberg veranlaßte die Wendung des Kampfes. 1558 ward W. von Wilhelm v. Grumbach überrumpelt. Die glänzendste Zeit für W. war die Regierung des Bischofs Julius Echter von Mespelbrunn, der das Juliushospital und die Universität (1582) gründete. Im Dreißigjährigen Kriege ward die Stadt 18. Okt. 1631 von Gustav Adolf besetzt. Eine neue Blüte erlebte W. im 18. Jahrh. unter den Bischöfen aus dem Hause Schönborn, die den genialen Architekten Balthasar Neumann beschäftigten. Am 3. Sept. 1796 siegten hier die Österreicher unter Erzherzog Karl über die Franzosen unter Jourdan. 1803 fiel W. an Bayern, 1805 an den Erzherzog Ferdinand als Hauptstadt eines Großherzogtums, 1815 an Bayern zurück. Im Herbst 1848 tagte hier eine Versammlung der deutschen Bischöfe, die in einer Denkschrift (29. Nov.) die Trennung von Staat und Kirche verwarfen, für letztere aber volle Selbständigkeit verlangten. Vom 23.–27. Nov. 1859 fand hier die unter dem Namen Würzburger Konferenzen bekannte ergebnislose Zusammenkunft der Bevollmächtigten der deutschen Mittel- und Kleinstaaten behufs engern Zusammenwirkens in Bundesangelegenheiten statt. Ebensowenig Erfolg hatten die von ebendiesen am 18. und 19. Febr. 1864 gehaltenen Konferenzen zum Zweck gemeinsamen Verhaltens in der schleswig-holsteinischen Frage. Am 27. Juli 1866 wurde die Festung von den Preußen beschossen; nach dem Waffenstillstand besetzten die Preußen 2. Aug. die Stadt, die Festung blieb jedoch in den Händen der Bayern. Vgl. Heffner, W. und seine Umgebungen (2. Ausg., Würzb. 1871); Führer von Rehbinder (1893), Stahel (1895), Beckmannn (1906) u. a.; Scharold, Beiträge zur ältern und neuern Chronik von W. (Bamb. 1818–1819, 2 Bde.); Ögg, Entwickelungsgeschichte der Stadt W. (hrsg. von Schäffler, Würzb. 1881); Urlichs, Die Baugeschichte Würzburgs (das. 1878); Wegele, Geschichte der Universität Wirzburg (das. 1882); Cronthal, Die Stadt W. im Bauernkriege (das. 1888); Göbl, W., die Stadt des Rokoko (7. Aufl., das. 1908); v. Loesen, Die Feste Marienberg (das. 1896); Gurlitt, Historische Städtebilder, Bd. 2: Würzburg (Berl. 1901); Holländer und Heßler, Malerisches aus Alt-W. (Würzb. 1908); Heßler, Klimatologie Würzburgs (das. 1906).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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