Viehseuchen

Viehseuchen

Viehseuchen, alle Tierkrankheiten, die durch Parasiten erzeugt werden und direkt oder indirekt übertragbar sind. Früher verstand man unter V. alle Krankheiten, die gleichzeitig eine größere Anzahl von Tieren befielen. Darunter sind aber solche nicht parasitärer Natur, die infolge Einwirkung von schädlichen Witterungseinflüssen oder Futterbestandteilen auf eine Tierherde gleichzeitig bei vielen Tieren entstehen, solche kann man als Herdenkrankheiten (s. d.), aber nicht als Seuchen bezeichnen. Anderseits hat man seit der bakteriologischen Erforschung vieler Seuchen diese auch als ansteckende, durch Bakterien verursachte Krankheiten definieren wollen. Es gibt aber eine ganze Anzahl von Tierkrankheiten, die alle Merkmale einer verheerenden Seuche haben und auch stets als solche bezeichnet worden sind und die doch nicht zu den eigentlich ansteckenden Krankheiten gehören, indem sie nicht von Tier zu Tier übergehen, sondern der Ansteckungsstoff durch die Abscheidungen kranker Tiere in den Erdboden gelangt, sich hier erhält und entwickelt und nur von hier aus wieder auf gesunde Tiere übergeht (sogen. miasmatische Verbreitung, z. B. bei Milzbrand und Rotlauf). Anderseits wird eine ganze Anzahl unzweifelhafter Seuchen nicht durch Bakterien, sondern durch kleinste tierische Parasiten veranlaßt, die indirekt, durch sogen. Zwischenwirte, übertragen werden (Malaria, Piroplasmose, Trypanosomiasis, Zeckenkrankheiten). Rechnet man aber diese Krankheiten mit Recht zu den Seuchen, so darf man auch diejenigen Krankheiten dazu zählen, die in derselben Weise auftreten und durch größere tierische Parasiten übertragen werden, wie die seuchenartig auftretenden Wurmkrankheiten und gewisse Hautkrankheiten, namentlich die direkt ansteckende Räude. Manche Seuchen fordern in bestimmten Gegenden jahraus, jahrein eine Anzahl Opfer, ohne daß gleichzeitige Massenerkrankung einträte, andre treten überraschend auf und gewinnen rasch eine größere Ausbreitung, um dann für mehr oder weniger lange Zeit wieder zu verschwinden. Manchmal bleibt die Ausbreitung auf ein Gehöft, einen Ort etc. beschränkt (Enzootie), anderseits kann sich auch eine Tierseuche unaufhaltsam über weite Bezirke, ja über ganze Länder ausbreiten (Epizootie, entsprechend der Epidemie und Ausbreitung einer menschlichen Seuche). Die V. haben sehr große wirtschaftliche Bedeutung, da sie die Viehbestände vernichten oder doch stark verringern, ihren Ertrag und ihre Benutzung zur Arbeit vermindern, den Viehhandel unterbinden und so außerordentliche Wertverluste bedingen können. Manche V. sind auch für den Menschen höchst gefährlich (Tollwut, Rotz, Milzbrand). Deshalb sind in allen Kulturstaaten Viehseuchengesetze (s. d.) zur Bekämpfung derjenigen V. erlassen, bei denen öffentliche Maßregeln einen Erfolg versprechen.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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