- Vestalinnen
Vestalinnen (vestalische Jungfrauen), die sechs Priesterinnen der Vesta (s. d.), Vertreterinnen der Hausfrau am römischen Staatsherd. Erfordernis zur Übernahme des Amtes, von der nur gewisse Familienverhältnisse entbanden, war ein Alter von nicht mehr als zehn und nicht weniger als sechs Jahren, makellose Körperbeschaffenheit, Abstammung von freien, noch lebenden und in Italien ansässigen Eltern. Die Wahl erfolgte durchs Los aus 20 vom Pontifex bestimmten Mädchen. Die Gewählte trat sofort aus der väterlichen Gewalt in die der Göttin über und wurde in das Atrium Vestae, das Haus der V. beim Vestatempel. geführt, wo sie eingekleidet und ihr das Haar abgeschoren wurde. Die Amtsdauer betrug 30 Jahre, je 10 für das Lernen, Ausüben und Lehren des Dienstes. Nach Ablauf der Zeit durften sie in das Privatleben zurücktreten und heiraten. Ihre Pflichten bestanden in Unterhaltung des ewigen Feuers im Vestatempel, dessen Reinigung, Bewachung der Heiligtümer, Verrichtung der Opfer und täglichem Gebet für das Staatswohl, Bereitung der Reinigungsmittel für gewisse Feste. Die Aussicht über sie führte der Pontifex, der sie bei Pflichtversäumnissen, insbes. bei Verlöschung des Feuers, körperlich züchtigte und bei Verletzung der Keuschheit lebendig einmauern ließ; der Verführer wurde zu Tode gegeißelt. Sie genossen großes Ansehen, waren unverletzlich (daher man bei ihnen Testamente u. a. deponierte), ihre Gegenwart schützte vor Gewalttat, ihre Begegnung rettete den zur Strafe geführten Verbrecher. Sie waren frei von Vormundschaft, hatten das Recht, im Wagen durch die Stadt zu fahren, einen Ehrenplatz im Theater und bei Ausgängen einen Liktor. Ihre Kleidung bestand in einem langen, weißen Gewand, weißer Stirnbinde (infula) mit herabfallenden Bändern (vittae); beim Opfer, bei dem die älteste, die Virgo vestalis maxima, die Haupthandlung versah, waren sie mit einem weißen Schleier (suffibulum) verhüllt. Erst Gratian hob das Institut 382 n. Chr. auf. Vgl. Jordan, Der Tempel der Vesta und das Haus der V. (Berl. 1886).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.