Schrapnells

Schrapnells

Schrapnells (Granatkartätschen, Kartätschgranaten), vom englischen Obersten Shrapnel 1803 erfundene, in weniger vollkommener Form schon im 16. Jahrh. den deutschen Stückmeistern bekannt gewesene Hohlgeschosse, mit Kugeln (jetzt meist aus Hartblei) und einer Sprengladung gefüllt, die in der Nähe des Zieles krepieren und ihre Sprengteile über dasselbe streuen sollen.

Fig. 1. 7,5 cm-Wellenschrapnell von Saint-Chamond.
Fig. 1. 7,5 cm-Wellenschrapnell von Saint-Chamond.

Die Geschoßhülle (Geschoßkern), früher Eisen, ist jetzt möglichst dünner Stahl und hat im Kopf den Doppelzünder; beim Wellenschrapnell (Fig. 1) ist die Innenwand des Geschoßkerns wellenförmig ausgebuchtet, wodurch Platz für mehr Füllkugeln gewonnen wird; in ihr sind die Hartbleifüllkugeln durch Schwefel-, Wachs- oder Kolophoniumeinguß, durch gußeiserne Füllplatten mit Aussparungen für die Kugeln (obus à mitraille der französischen Feldkanone C/77) oder durch eingepreßtes Pulver festgelegt, das eine für die Beobachtung günstige Sprengwolke liefern soll. Das Festlegen der Kugeln ist nötig, damit sie im Flug ihre Lage und damit die Schwerpunktslage des Geschosses nicht ändern. Die Ausbreitung der Kugeln wird durch die Achsendrehung desselben genügend herbeigeführt, die Sprengladung soll vorwiegend nur das Geschoß zertrümmern. Sie kann im Kopf des Geschosses liegen (Kopfkammerschrapnell, früher in England und Frankreich benutzt) oder im Boden (Bodenkammerschrapnell, Fig. 1) oder in einer in der Mitte liegenden Röhre (Röhrenschrapnell). Beim Kopfkammerschrapnell wird durch die Explosion der Sprengladung die Geschwindigkeit und damit die Durchschlagskraft der Kugeln etwas verringert, beim Bodenkammerschrapnell etwas vermehrt. Die deutsche Artillerie führte bis 1896 durchweg das Röhrenschrapnell, hat es aber 1896 für die Feldartillerie, seitdem auch teilweise für Festungsgeschütze durch das Bodenkammerschrapnell ersetzt. Je größer die Geschwindigkeit des ganzen Geschosses ist, desto geringer kann, um genügende Wirkung zu erzielen, das Gewicht der einzelnen Kugel sein. Dasselbe beträgt jetzt bei Feldkanonen und zum Teil auch bei Feldhaubitzen 10–13 g, bei Belagerungs-, Festungs-, Küsten- und Schiffsgeschützen leichter Kaliber 13–17, mittlerer und schwererer Kaliber 24–28 g.

Fig. 2. Wirkungsweise des Schrapnells. a von oben, b von der Seite. S Sprengpunkt; A Aufschlagspunkt des nicht krepierten Schrapnells; U Aufschlag der untersten, O der obersten Kugel; SA Achse des Streuungskegels; USO Kegelwinkel; L Aufschlag der am weitesten links, R der am weitesten rechts fliegenden Kugel; LSR Kegelwinkel; UO Tiefenwirkung. Die Punkte zeigen die Aufschläge der Sprengteile.
Fig. 2. Wirkungsweise des Schrapnells. a von oben, b von der Seite. S Sprengpunkt; A Aufschlagspunkt des nicht krepierten Schrapnells; U Aufschlag der untersten, O der obersten Kugel; SA Achse des Streuungskegels; USO Kegelwinkel; L Aufschlag der am weitesten links, R der am weitesten rechts fliegenden Kugel; LSR Kegelwinkel; UO Tiefenwirkung. Die Punkte zeigen die Aufschläge der Sprengteile.

Die Kugelzahl ist bei S. der Feldkanonen 150–300, der Feldhaubitzen 370–640, der Belagerungs-, Festungs-, Küsten- und Schiffsartillerie leichter Kaliber 170–260, mittlerer und schwerer Kaliber 560–2950. Die S. werden gegen lebende Ziele mit Brennzünder sowie mit Aufschlagzünder zum Einschießen verwendet. Eine genaue ununterbrochene Beobachtung beim Schießen mit Brennzünder ist Vorbedingung, da, um gute Wirkung zu erzielen, der Sprengpunkt, in dem das Schrapnell krepiert, in einer gewissen Höhe vom Boden (Sprenghöhe) und in einer gewissen Entfernung vom Ziel (Sprengweite, s. Intervall) liegen muß. Gegen Ziele dicht hinter Deckungen sind S. nicht wirksam, wie die Darstellung ihrer Wirkungsweise, Fig. 2, zeigt, auch genügen schon leichte Eindeckungen, die am besten ein wenig nach rückwärts geneigt anzulegen sind (s. Tafel »Pionierdienst I«, Fig. 8 a und b), gegen ihre Kugeln. Gegen freistehende oder sich bewegende Kolonnen und Schützenlinien ist dagegen die Wirkung sehr gut. Die Schußweite ist von der Brenndauer des Zünders (s. Zündungen) abhängig und beträgt z. B. für Feldkanone 5000 m, für Feldhaubitze 5600 m. Seitdem in den letzten Jahren in allen Heeren Geschütze mit Schutzschilden angenommen sind, gegen welche die bisherigen S. mit ihren Bleikugeln wirkungslos sind, hat man S. mit Stahlkugeln konstruiert, welche die Schilde durchschlagen sollen. Doch wird anderseits vorgeschlagen, zur Zerstörung der Schilde den Granatschuß (Volltreffer), des hohen Munitionsbedürfnisses wegen eventuell von kleinerm Kaliber, zu bevorzugen. Bemerkenswert ist ferner das Brisanzschrapnell Ehrhardt-van Essen (Fig. 3).

Fig. 3. Brisanzschrapnell, System Ehrhardt-van Essen. P Pikrinladung, R Rauchenwickler, Sp, Sprengladung.
Fig. 3. Brisanzschrapnell, System Ehrhardt-van Essen. P Pikrinladung, R Rauchenwickler, Sp, Sprengladung.

Es ist ein Bodenkammerschrapnell, in dessen vorderm Teil die Brisanzladung (Pikrin) mit Rauchentwickler angebracht ist. Im Aufschlage funktionieren beide Ladungen, das Geschoß kann also wie die Brisanzgranate verwendet werden, beim Brennzünderschuß wird durch die Kammerladung auch der Geschoßkopf mit Pikrinladung und Rauchentwickler als Ganzes hinausgetrieben, fliegt in der Mittellinie des Sprengkegels weiter, krepiert beim Aufschlag wie eine Brisanzgranate und gibt so ein Mittel zur Beobachtung, die sonst im Brennzünderfeuer oft recht schwierig ist. Vgl. Wille, Waffenlehre (3. Aufl., Berl. 1905, 3 Bde.); Berlin, Handbuch der Waffenlehre (das. 1904); Korzen und Kühn, Waffenlehre (Wien 1904 ff.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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