Karolinger

Karolinger

Karolinger, fränk. Dynastie, die erst die Majordomuswürde im alten Frankreich bekleidete, mit Pippin dem Kleinen 751 den fränkischen Thron bestieg und sich durch Ludwigs des Frommen Söhne in drei Linien teilte: eine italienisch-lothringische, die schon 875, eine deutsche, die 911, und eine französische, die 987 erlosch. Die Heimat des Geschlechts liegt in dem Gebiet zwischen Maas und Mosel, Rhein, Roer und Amblève, mitten in Austrasien, Stammvater ist Arnulf, Bischof von Metz (612–627, gest. 641). Sein Sohn Ansegisil heiratete eine Tochter des Majordomus von Austrasien, Pippin (622–639), dessen Sohn, Grimoald, einen 656 gemachten verfrühten Versuch, sein Geschlecht an der Stelle des merowingischen auf den fränkischen Thron zu setzen, mit dem Leben bezahlte. Ansegisils Sohn Pippin (von Herstal) gewann 687 durch die Schlacht bei Testri das Majordomusamt im gesamten fränkischen Reich; ihm folgte sein unehelicher Sohn Karl Martell (714–741) als Majordomus, diesem 741 dessen Söhne Karlmann und Pippin der Kleine, welch letzterer, als Karlmann 747 ins Kloster ging, allein herrschte und nach Entthronung des letzten Merowingers im Herbst 751 zum König der Franken gekrönt wurde (starb 768). Sein Sohn Karl d. Gr. (768–814) brachte nach seines Bruders Karlmann Tode (771) das ganze Frankenland unter seine Botmäßigkeit und erlangte 800 auch die römische Kaiserkrone. Von seinen Söhnen starben Karl und Pippin vor dem Vater, den nur der jüngste, Ludwig I., der Fromme (814–40), überlebte. Bei der vorläufigen Reichsteilung 817 erhielt Ludwigs ältester Sohn, Lothar, Italien und die Kaiserkrone, der zweite Sohn, Pippin, Aquitanien und der jüngste, Ludwig, Bayern. Als Ludwig der Fromme zugunsten seines Sohnes aus zweiter Ehe, Karls des Kahlen, die Teilung ändern wollte, geriet der Vater mit den Söhnen in Streit, den letztere nach seinem Tod unter sich fortsetzten, bis der Vertrag von Verdun (10. Aug. 843) den Zwist entschied. Lothar I. blieb Kaiser und erhielt Italien sowie die Länder zwischen dem Rhein und der Schelde, vom Ursprung der Maas bis zum Einfluß der Saône in die Rhone und längs dieses bis aus Mittelländische Meer, nebst Friesland bis zur Wesermündung; Ludwig der Deutsche Ostfranken, d. h. die Länder rechts vom Rhein und die Sprengel von Speyer, Worms und Mainz; Karl der Kahle Westfrancien westlich vom Lotharschen Anteil. Dieser Teilung verdanken die Reiche Italien, Deutschland und Frankreich ihre Entstehung. Die Söhne Lothars I. teilten 855 nochmals, und zwar erhielt Ludwig II. Italien und die Kaiserwürde, Lothar II. die Länder an der Maas als Königreich Lothringen, Karl das Rhonegebiet als Königreich Provence. Als letzterer 863 kinderlos starb, machte sich die Provence oder Burgund allmählich unabhängig; auch Lothar II. hinterließ 869 keine Erben, und Karl der Kahle und Ludwig der Deutsche teilten nun seine Länder zu Mersen (870). Auch Ludwig II. starb 875 kinderlos, und mit ihm erlosch daher Lothars Linie. Ludwig der Deutsche hinterließ, als er 876 starb, drei Söhne, nämlich Karlmann, der Bayern und die östlichen Marken und 877 nach Karls des Kahlen Tod Italien erhielt, aber 880 ohne rechtmäßige Nachkommen starb, Ludwig den Jüngern, der Franken, Thüringen und Sachsen bekam und 882 ebenfalls kinderlos starb, und Karl den Dicken, dem erst Schwaben und das Elsaß, später Italien mit der Kaiserwürde und der Rest von Deutschland, 884 aber auch die Krone von Frankreich zufielen. Als er 887 abgesetzt ward, folgte ihm in Deutschland Arnulf, ein natürlicher Sohn seines Bruders Karlmann, und diesem 899 Ludwig III., das Kind, mit dem 911 die ostfränkische (deutsche) Linie der K. erlosch. Arnulfs natürlicher Sohn Zwentibold erhielt Lothringen, starb aber 900 ohne männliche Erben. In Frankreich folgte Karl dem Kahlen dessen Sohn Ludwig der Stammler, dem wieder 879 seine Söhne erster Ehe, Ludwig III. (gest. 882) und Karlmann I. (gest. 884), nachfolgten. Deren Halbbruder Karl der Einfältige ward anfangs übergangen, dann nur in einem Teile des Landes anerkannt, und erst sein Sohn Ludwig IV., der Überseeische, erhielt 936 den Thron. Ihm folgte 954 sein ältester Sohn, Lothar I., der 986 starb. Mit dessen Sohn Ludwig V. erloschen die K. 987 auch in Frankreich. Ludwigs IV. zweiter Sohn, Karl, Herzog von Niederlothringen, ward von Hugo Capet besiegt und starb 994 im Gefängnis. Sein ältester Sohn, Otto, folgte in Niederlothringen und starb 1003; der jüngere, Ludwig, schmachtete noch lange in französischer Haft. Sie waren die letzten Sprößlinge des karolingischen Geschlechts. Eine Darstellung der karolingischen Reiche um das Jahre 888 gibt die Geschichtskarte beim Artikel »Frankreich«. Vgl. Warnkönig u. Gérard, Histoire des Carolingiens (Brüss. 1862, 2 Bde.); Bonnell, Die Anfänge des karolingischen Hauses (Berl. 1866); Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reiches (2. Aufl., Leipz. 1887–88, 3 Bde.); Lot, Les derniers Carolingiens (Par. 1891); Mühlbacher, Deutsche Geschichte unter den Karolingern (Stuttg. 1896) und Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751–918 (Neubearbeitung des Böhmerschen Werks, 1. Bd., Innsbr. 1899–1904, 2 Tle.); Kleinclausz, L'empire carolingien, ses origines et ses transformations (Dijon 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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