Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerung im weitern Sinne ist die wiederholte Besteuerung ein und desselben Steuerobjekts durch die nämliche oder durch verschiedene Steuergewalten. Sie findet z. B. statt, wenn ein Ausländer, der im Inland Grundbesitz hat, sowohl hier als im Ausland von dem Ertrag seines Grundbesitzes Steuern zu entrichten hat, oder wenn das Erträgnis einer Aktiengesellschaft sowohl bei dieser als bei den einzelnen Aktionären besteuert wird. Im engern Sinne versteht man unter D. die wiederholte Besteuerung desselben Steuerobjekts durch zwei gleichartige Steuergewalten, z. B. zwei selbständige Staaten, eventuell auch zwei Gemeinden. Solche doppelte Belastung entsteht leicht bei lebhaftem Verkehr, wenn Wohnsitz und Erwerbsquelle in verschiedenen Ländern sich befinden. Ihr könnte nur durch internationale Abmachungen vorgebeugt werden, bei denen dann der Grundsatz zu beachten wäre, daß Ertragssteuern dem Staate zufließen, in dem das Objekt liegt, Personal-, Einkommen- und Verbrauchssteuern dem Staate, in dem der Wohnsitz liegt, bez. der Verbrauch erfolgt. Bei der Verschiedenheit der Steuersysteme der einzelnen Staaten liegt aber eine solche Vereinbarung noch im weiten Felde. Bis jetzt konnte sie nur in Bundesstaaten erreicht werden, so in der Schweiz seit 1862 und durch die Verfassungsrevision von 1875 und im Deutschen Reich durch das Gesetz vom 13. Mai 1870. Nach letzterm soll ein Deutscher zu den direkten Staatssteuern nur in demjenigen Bundesstaat herangezogen werden, in dem er seinen Wohnsitz, bez. seinen Aufenthaltsort hat. Wer außer in seinem Heimatstaat auch in einem andern Bundesstaat einen Wohnsitz hat, darf nur in dem erstern mit direkten Steuern belastet werden. Bei Beamten entscheidet der dienstliche Wohnsitz; Gehalt, Pension oder Wartegeld von Militärpersonen und Zivilbeamten sind nur in demjenigen Staat zu besteuern, der die Zahlung leistet. Grundbesitz und Gewerbebetrieb sowie das aus diesen Quellen herrührende Einkommen dürfen nur von demjenigen Bundesstaat besteuert werden, in dem der Grundbesitz liegt oder das Gewerbe betrieben wird. Größer als bei verschiedenen Ländern ist die Gefahr der D. bei verschiedenen Gemeinden. In dieser Beziehung sind für Preußen durch das Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893, § 47–52, in der Fassung der Novelle vom 30. Juli 1895 Bestimmungen getroffen worden. Danach entscheidet über die Verteilung des gemeindesteuerpflichtigen Einkommens aus dem Besitz oder Betrieb einer Gewerbe- oder Bergbauunternehmung, die sich über mehrere Gemeinden erstreckt, die Vereinbarung zwischen den beteiligten Gemeinden und dem Steuerpflichtigen, mangels einer solchen die gesetzliche Bestimmung, daß bei Versicherungs-, Bank- oder Kreditgeschäften die Gemeinde des Sitzes der Leitung ein Zehntel des Gesamteinkommens voraus zugewiesen erhält, der Rest nach Verhältnis der in den einzelnen Gemeinden erzielten Bruttoeinnahmen zu verteilen ist. In den übrigen Fällen wird das Verhältnis der in den einzelnen Gemeinden erwachsenden Ausgaben an Gehältern, Löhnen etc. zu Grunde gelegt. Für Eisenbahnunternehmungen gelten besondere Bestimmungen. Bei Heranziehung der Steuerpflichtigen zur Einkommensteuer in ihren Wohnsitzgemeinden bleibt das Forensaleinkommen, d.h. derjenige Teil des Gesamteinkommens außer Ansatz, der außerhalb des Gemeindebezirks aus Grundvermögen, Handels- oder gewerblichen Anlagen, einschließlich Bergwerke, aus Handels- und Gewerbebetrieb, einschließlich Bergbaues, sowie aus Beteiligung am Unternehmen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewonnen wird, jedoch kann die Gemeinde des Wohnsitzes immer ein Viertel des Gesamteinkommens für sich zur Besteuerung in Anspruch nehmen. Beim Vorhandensein mehrerer Wohnsitzgemeinden müssen diese sich in dasjenige Einkommen gleichmäßig teilen, das nach Abzug des vorerwähnten Forensaleinkommens verbleibt. Wenn das Gesamteinkommen eines Steuerpflichtigen nach seinen Teilen in mehreren preußischen Gemeinden steuerpflichtig ist, so darf das in diesen Gemeinden steuerpflichtige Einkommen im ganzen den Höchstbetrag derjenigen Steuerstufe nicht übersteigen, in die der Steuerpflichtige zur Staatseinkommensteuer veranlagt worden ist, widrigenfalls die einzelnen Teile verhältnismäßig herabzusetzen sind. Hat der Steuerpflichtige in einer Gemeinde mehrere Einkommensquellen, so sind diese für die Gemeindebesteuerung als ein Ganzes zu behandeln. Vgl. Zürcher und Schreiber, Kritische Darstellung der bundesrechtlichen Praxis, betreffend das Verbot der D. (Basel 1882); Clauß, Das Reichsgesetz vom 13. Mai 1870 wegen Beseitigung der D. (»Finanzarchiv«, Bd. 5); Antoni, Die Steuersubjekte etc. (ebenda); Eheberg, Artikel »D.« im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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