Mathilde

Mathilde

Mathilde (»gewaltige Kämpferin«, latinisiert Mathildis), deutscher Frauenname. Merkwürdig sind: 1) Heilige, Tochter des sächs. Grafen Dietrich, eines Nachkommen Widukinds, vermählte sich 909 mit Herzog Heinrich von Sachsen, dem nachmaligen König von Deutschland, dem sie drei Söhne, den Kaiser Otto d. Gr., Heinrich von Bayern und Bruno, Erzbischof von Köln, gebar, zeichnete sich als Wohltäterin der Armen und Gründerin von Klöstern aus und starb in dem von ihr zu Quedlinburg gegründeten Kloster 14. März 968. Ihre Enkelin Mathilde (geb. 955, gest. 999), Tochter Ottos I., Reichsregentin unter Otto III., 997–999, war die erste Äbtissin dieses Klosters. Die Königin M. ward später kanonisiert, ihr Gedächtnistag ist der 14. März. Ein Mönch des Klosters Nordhausen beschrieb ihr Leben (»Vita Mahthildis antiquior«, in den »Monumenta Germaniae historica, Scriptores«, Bd. 10), von dem es noch eine spätere ausführlichere Bearbeitung gibt (ebenda, Bd. 4; deutsch von Jaffé, 2. Aufl., Leipz. 1891).

2) Gemahlin des deutschen Kaisers Heinrich V., Tochter Heinrichs I. von England, geb. 1102, gest. 10. Sept. 1167 in Rouen, wurde 1114 mit Heinrich V. vermählt, kehrte nach dem kinderlosen Tod ihres Gemahls 1125 nach England zurück, wurde zur Thronerbin erklärt und vermählte sich zum zweitenmal 1127 mit Gottfried von Plantagenet, Grafen von Anjou, dem sie Heinrich Plantagenet, den spätern englischen König Heinrich II., gebar. Da M. beim Tod ihres Vaters (1135) in Frankreich war. bemächtigte sich ein Neffe des verstorbenen Königs, Graf Stephan von Blois, des englischen Thrones. M. versuchte 1139 eine Landung in England, ward aber von Stephan gefangen und nach Bristol geführt. Der Hast entflohen, ließ sie durch ihren natürlichen Bruder ein Heer sammeln, schlug Stephan 1141 bei Chester und nahm ihn gefangen. Ihre Härte entfremdete ihr das Volk; sie ward von der Partei Stephans 1142 bei Winchester geschlagen und mußte ihren Gemahl, der in Gefangenschaft geraten war, gegen Stephan auswechseln. Von letzterm in Oxford belagert, entsagte sie der Krone und begab sich 1148 nach der Normandie. Vgl. Rößler, Kaiserin M. und das Zeitalter der Anarchie in England (Berl. 1897).

3) Markgräfin von Tuscien, die Freundin Gregors VII., geb. 1046, gest. 24. Juli 1115, war eine Tochter des Markgrafen Bonifatius von Tuscien und der Beatrix von Lothringen. Sie ging mit Gottfried dem Buckligen, einem Sohn erster Ehe ihres Stiefvaters, des Herzogs Gottfried von Lothringen, eine Ehe ein, trennte sich aber schon nach wenigen Jahren 1071 von ihm und lebte von da an stets in ihren italienischen Besitzungen. Den ihr allgemein gegebenen Namen der großen Gräfin verdankt sie ebenso ihrer Macht wie ihren glänzenden Geistesgaben und ihrer hohen Bildung. Sie beherrschte die Markgrafschaft Tuscien, die Grafschaften Brescia, Modena, Reggio, Mantua, Ferrara und besaß in diesen sowie in andern Landschaften Ober- und Mittelitaliens ausgedehnte Güter, die teils Reichslehen, teils Allodien waren. Mit wärmster Verehrung schloß sie sich an den Papst Gregor VII. an, was schon der Mitwelt Anlaß zu unbegründeten Verdächtigungen gab, und setzte alle ihre Kräfte daran, dessen hierarchische Pläne verwirklichen zu helfen. 1077 gewährte sie dem Papst auf ihrem Schloß Canossa eine Zuflucht und stand auch während des zweiten Zuges Heinrichs IV. nach Italien treu zu ihm, wofür Heinrich sie 1081 ächtete. Nach Gregors Tode (1085) hielt sie zu Victor III. und Urban II., ging sogar im Interesse der Kirche 1089 mit Welf, dem 17jährigen Sohn des gleichnamigen Herzogs von Bayern, eine Scheinehe ein und leistete Heinrich, der 1090 zum drittenmal über die Alpen zog, hartnäckigen und erfolgreichen Widerstand. Schon bei Lebzeiten Gregors VII. hatte M. ihr gesamtes Eigentum der römischen Kirche geschenkt und diese Schenkung 1102 wiederholt, doch in der Weise, daß Rom nur ein Obereigentumsrecht erhielt, M. aber den Besitz und das freie Verfügungsrecht über ihre Güter unter Lebenden und für den Todesfall behielt. Von diesem scheint sie 1111 zugunsten Heinrichs V. Gebrauch gemacht zu haben; nach ihrem Tod aber entstand zwischen Papsttum und Kaisertum ein heftiger, sich lange hinziehender Streit um die Mathildische Erbschaft. Vgl. Fiorentini, Memorie della gran contessa M. (2. Aufl., Luca 1756, 2 Bde.); Pannenborg, Studien zur Geschichte der Herzogin M. (Götting. 1872); Tosti, La contessa Matilde ei romani pontefici (neue Ausg., Rom 1886); Overmann, Gräfin M. von Tuscien; ihre Besitzungen, Geschichte ihres Gutes und ihre Regesten (Innsbr. 1895); Mrs. Huddy, Matilda, countess of Tuscany (Lond. 1905; unkritisch).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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