Wüste

Wüste

Wüste (hierzu Tafel »Wüstenbildungen I und II«), großer, meist ebener Landstrich, der infolge des Mangels an Wasser ohne Vegetation (Unterschied von der Steppe) und daher unbewohnbar ist. Der Boden besteht aus Gestein, oder ist mit kiesartigem, oft leicht beweglichem Flugsand oder kochsalz- und kalireichem Sande bedeckt. Man unterscheidet danach Stein- oder Felsenwüsten, Sandwüsten und Salzwüsten. Die Sandwüsten (in Chile und Argentinien Travesias) sind die vorherrschenden; sie sind, wo sie sich über ein weites Gebiet erstrecken, nicht völlig einförmige Ebenen, sondern zeigen in der Form und Bedeckung der Oberfläche manchen Wechsel, Klippen, Hügelketten, die bis zu förmlichen Gebirgen ansteigen, wie in der Sahara, Schluchten und Spalten, Flußtäler und Seebecken, die aber in der heißen Jahreszeit meist trocken liegen, wie die Flüsse, die hier und da von den Randgebirgen herabströmen, sich im Sand verlieren und verdunsten. Angenehmer wird die Einförmigkeit der W. durch die Oasen unterbrochen, die um perennierende Quellen entstanden sind und oft frischeste und üppigste Vegetation zeigen, auch allein sich zu dauernden Wohnsitzen der Menschen eignen. Die Wüsten sind weder auf Zonen oder Erdteile noch auf Tiefebenen beschränkt; doch besitzen Afrika und Asien, ersteres besonders um die Wendekreise, die ausgedehntesten Wüstengebiete. Ein ungeheurer Wüstengürtel, der am Atlantischen Ozean beginnt, zieht sich in einem gegen 2000 Meilen langen, nach N. geöffneten Bogen mit nur geringen Unterbrechungen durch beide Erdteile bis zum äußersten Ostrand Zentralasiens. Teile dieses Wüstengürtels sind: die afrikanische Sahara, die größte aller Wüsten, im Westen (Sahel) vorherrschend Sand-, im O. (Libysche W.) Steinwüste; das Peträische oder Steinige Arabien mit der Halbinsel Sinai und weiter im S. der arabischen Halbinsel die Sandwüsten Nefud und Roba el Chali; dann nördlich die syrische W.; jenseit des Schatt el Arab, des Persischen Meerbusens und der Bergterrassen Westirans das wüste Plateau von Iran, vom Kaspischen bis zum Indischen Meer sich erstreckend, mit den salz- und kalireichen Wüsten von Irak Adschmi, Kirman, Seïstan und Mekran; jenseit des Indus die W. von Sind (Thar oder Thurr); nördlich von Persien die Sandwüsten von Turan, vom Kaspischen Meer nach O. bis zum Alpenland von Turkistan reichend, und jenseit des letztern die teils sandige, teils steinige Plateauwüste Gobi. Amerika besitzt neben den Pampas und Llanos, die als Steppen zu bezeichnen sind, auch wirkliche Wüsten, so die Sandwüste oder Desierto von Atacama und die großen, wellenförmigen, vegetationslosen Sandplateaus (Campos dos Parecis) in der brasilischen Provinz Mato Grosso, besonders aber in Nordamerika das ausgedehnte Bassin des Großen Salzsees im Mormonenland Utah (s. d.). Europa hat keine Wüsten, nur Steppen in Ungarn und im südlichen Rußland. Dagegen besitzt Australien im Innern des Kontinents neben Steppen auch wasserlose Wüsten von erschrecklicher Öde und Unwirtlichkeit. Das Durchziehen der Wüsten ist nur Karawanen mit Kamelen möglich. Gefahren bringen die Staub- und Sandsäulen, die der Wind aufwirbelt und vor sich hertreibt, die alles austrocknenden und auszehrenden Winde selbst und die unglaublich verdünnte Atmosphäre, die bei Europäern nicht selten Schlagflüsse herbeiführt, mangelnder Schutz gegen die Gluthitze des Tages und die oft empfindliche Kälte der Nächte, die Abirrung von dem Karawanenweg, die durch Verschüttung seiner Spuren oder durch das Trugbild der Luftspiegelung veranlaßt werden kann, und die Seltenheit der Quellen und Oasen. Regelmäßige Niederschläge fehlen in der W., nur selten stürzen Strichregen mit großer Gewalt hernieder; diese wirken in kurzer Zeit sehr stark erodierend, zumal aller Gehängeschutt aus locker übereinanderliegenden, nicht durch Lehm oder tonige Massen fest miteinander verbundenen Steinen besteht. Begünstigt wird das Zerfallen der Gesteine namentlich durch die in der W. herrschenden Temperaturunterschiede. Die Trockenheit der Atmosphäre, der Mangel von Humus, die Abwesenheit einer zusammenhängenden Pflanzendecke lassen die Temperaturunterschiede ungeschwächt auf den nackten Felsboden wirken. Eine gewöhnliche Folge der unbehinderten Insolation besteht in dem schaligen Abblättern der Gesteine (Desquamation). Diese eigentümliche Art des Verfalls der Gesteine findet sich sowohl bei Sediment-als Eruptivgesteinen. Fig. 2 der Tafel stellt einen Porphyrgang im Granit des Wadi Feirân dar, der durch Insolation in ein Haufwerk scharfkantiger Gesteinstrümmer zerfallen ist. Dagegen spielt die chemische Verwitterung, die von der Anwesenheit von Feuchtigkeit abhängig ist, in der trockenen W. eine untergeordnete Rolle. Zu einer Verwitterung auf größern Flächen kommt es nicht; sie bildet immer nur eine lokale Erscheinung und ist besonders erkennbar an den sogen. Wüstensteinen, deren Oberseite von einer gelben, braunen und schwarzen, aus Mangan- und Eisenoxyden, Kieselsäure, Tonerde, Phosphorsäure etc. bestehenden Rinde bedeckt ist, die bei der Zersetzung des Gesteins unter dem Einfluß der Sonnenwärme, der salzigen Bestandteile der Wüstenluft und des Taues entsteht, während sie auf der Unterseite vollkommen fehlt. Die Oberflächenformen, die durch die Verwitterung in der W. erzeugt werden, sind oft sehr sonderbarer Art. Felsen verwittern an der untern Fläche, so daß sie oft die Form eines Hutpilzes annehmen (Pilzfelsen, Fig. 3 der Tafel). Eine große Rolle spielt in der W. der Wind sowohl als transportierendes wie auch als denudierendes Agens. Der Wind entführt alle Gesteinsfragmente, die sich durch Insolation und Verwitterung gebildet haben (Deflation), und indem er so die Anhäufung von Denudationsprodukten verhindert, liefert er den zerstörenden Kräften stets neue Angriffspunkte. Auch scheuert der mit Sand beladene Wind die Felsen und schleift sie glatt. Fig. 1 der Tafel zeigt die Wirkungen der Deflation, wie sie in der Nähe der Pyramiden von Gizeh beobachtet werden, in der Ausfurchung von Hohlkehlen in den weichern Gesteinslagen, über welche die härtern Kalkbänke gesimsartig vorspringen. Großen Widerstand setzen sowohl der Insolation und der Verwitterung als der abschleifenden Tätigkeit der sandbeladenen Winde die verkieselten Hölzer entgegen, die sich in dem östlichen Teil der Sahara und zumal auf der Ostseite des Mokattamgebirges, in dem sogen. versteinerten Walde, sehr verbreitet finden. Dort liegen zwischen braunen, von den Sandstürmen gerundeten Kieseln auf hügeligem Boden Bruchstücke der Nicolia aegyptica in großer Zahl und von verschiedener Größe; Stämme von 25–27 m Länge sind keine Seltenheit (Fig. 4 der Tafel). Meisterhafte Schilderungen der Steppen und Wüsten finden sich in Alex. v. Humboldts »Ansichten der Natur«. Vgl. die Artikel »Wüstenfauna« und »Wüstenpflanzen« sowie Desor, Der Mensch und die W. (Basel 1876); Walther, Die Denudation in der W. (Leipz. 1891) und Das Gesetz der Wüstenbildung in Gegenwart und Vorzeit (Berl. 1900); Helene Wiszwianski, Die Faktoren der Wüstenbildung (das. 1906); auch die Literatur bei den Artikeln: Libysche Wüste, Sahara und Zentralasien.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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  • Wüste — die Wüste, n (Grundstufe) ein Gebiet mit viel Sand und ohne Wasser Beispiele: Sie sind in der Wüste verdurstet. Dieses Gebiet wird langsam zur Wüste …   Extremes Deutsch

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  • Wüste — Wü̲s·te die; , n; eine sehr große Fläche, in der es große Trockenheit, wenig Pflanzen, kaum Wasser und meist viel Sand gibt: die Wüste Sahara || K : Wüstenklima, Wüstenlandschaft, Wüstenwind || K: Salzwüste, Sandwüste || ID jemanden in die Wüste… …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Wüste — a) Wüstenlandschaft; (Geogr.): Trockengebiet; (Forstwirtsch., Landwirtsch.): Ödland. b) Einöde, einsame Gegend, Einsamkeit, Öde, Wildnis; (österr.): Einöd; (südd., österr.): Einschicht; (geh.): Ödnis, Wüstenei. * * * Wüste,die:1.⇨ …   Das Wörterbuch der Synonyme

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