Bekker

Bekker

Bekker, 1) Balthasar, aufgeklärter Theolog der reformierten Kirche, geb. 20. März 1634 zu Metslawier in Westfriesland, gest. 11. Juni 1698, Prediger in dem friesischen Dorf Oosterlittens, dann zu Franeker, Loenen, Weesp in Holland, endlich (1679) zu Amsterdam. Schon seine »Admonitio sincera et candida de philosophia Cartesiana« (1668) und sein Katechismus »De Vaste Spyzen der Volmaakten« (»Die feste Speise der Vollkommenen«, 1670) zogen ihm den Vorwurf des Sozinianismus zu; als er aber in seinem Hauptwerk: »De betoverde weereld« (»Die bezauberte Welt«, 1691–93, 4 Bde.), den herrschenden Aberglauben in betreff böser Geister, Hexen und Zauberer angriff, ward er von einer Synode 1692 abgesetzt und exkommuniziert.

2) Elisabeth, niederländ. Schriftstellerin, geb. 24. Juli 1738 in Vlissingen, gest. 5. Nov. 1804 im Haag, war seit 1759 mit dem reformierten Prediger Adriaan Wolff im Beemster verheiratet und trat zuerst mit kleinen satirischen Arbeiten, dann auch mit größern Werken auf. Aufsehen erregte ihre Erzählung »De menueten de Dominées-Pruik«, ein witziges und in seinen naiven Sittenschilderungen äußerst treffendes Werkchen. Ihre ernsthaften, populär-philosophischen Gedichte sind gereimte Prosa, z. B. »Walcheren« (1769), »Beemster Winter-Buitenleven« (1778), »De Natuer is mijn zanggodin« (1780), »Mengelpoëzie« (1785, 3 Bde.). Nach dem Tod ihres Gatten (1777) wohnte sie mit ihrer Freundin Agatha Deken (s. d.), mit welcher sie eine Sammlung Volkslieder: »Economische liedjes« (1781, 3 Bde.), herausgab, zusammen, zog während des sogen. englischen Krieges nach Frankreich und ließ sich zu Trévoux nieder (1788), wo ihre Dichtung »Wandelingen in Bourgogne« entstand. 1798 nach Holland zurückgekehrt, nahm sie ihren Wohnsitz im Haag. Die Bedeutung E. Bekkers für die niederländische Literatur beruht nicht auf ihren Gedichten, sondern auf ihren Romanen, die sie, angeregt durch Richardson (s. d. 1), in Gemeinschaft mit der Deken schrieb, und worin sie sich bemühte, der Schriftsprache die ungezwungene, natürliche Leichtigkeit der Unterhaltungssprache zu geben. Beide Frauen sind als die Schöpferinnen des niederländischen Originalromans zu betrachten. Ihr Hauptwerk ist die »Historie van mejuffrouw Sara Burgerhart« (Haag 1782, 2 Bde.; 7. Aufl. 1886). Ihre folgenden Romane »Historie van den heer Willem Leevend« (Haag 1784–85, 8 Bde.); »Brieven van Abraham Blankaart« (das. 1787–89, 3 Bde.); »Cornelia Wildschut« (das. 1793–96, 6 Bde.) leiden unter Weitschweifigkeit und der Neigung zu moralisieren. Eine Auswahl aus ihren Werken nebst Biographie veröffentlichte I. van Vloten: »Het levenen de uitgelezen werken van E. Wolff-B.« (Schiedam 1866) und »Losse proza-stukkenen brieven« (das. 1866).

3) Immanuel, Philolog, geb. 21. Mai 1785 in Berlin als Sohn eines unbemittelten Schlossers, gest. daselbst 7. Juni 1871, studierte seit 1803 in Halle unter F. A. Wolf, wurde 1806 Inspektor des philologischen Seminars, nahm, als Halle westfälisch wurde, eine Hauslehrerstelle in Ganke bei Bernau an und wurde 1810 auf Wolfs Empfehlung außerordentlicher, 1811 ordentlicher Professor der Philologie in Berlin. Behufs Vergleichung von Handschriften befand er sich vielfach auf Reisen. Ciner der großartigsten Vertreter der diplomatischen Kritik, unterscheidet er Rezensionen, die selbständig auf neuverglichenen Handschriften beruhen, und Rekognitionen. Von den griechischen Schriftstellern veröffentlichte er zu Homer zwei Textausgaben (Berl. 1843, 2 Bde., und Bonn 1858, letztere mit eingedrucktem Digamma), eine Ausgabe der Scholien zur »Ilias« (Berl. 1825–27, 3 Bde.) und die »Homerischen Blätter« (Bonn 1863–72, 2 Bde.), von den spätern Epikern gab er Aratos (Berl. 1828), Koluthos (das. 1816) und Tzetzes (das. 1816), von den Elegikern Theognis (Leipz. 1815 u. Berl. 1827), von den Komikern Aristophanes (Lond. 1829, 5 Bde., doch sind die »Notae«, Bd. 3–5, nicht von ihm) heraus. Von Historikern verdanken wir ihm Rezensionen des Thukydides (Berl. 1821, 3 Bde.; Textausgabe 1832), Pausanias (das. 1826–27, 2 Bde.), Herodian (das. 1826 u. Leipz. 1855) sowie Rekognitionen von Herodot (Berl. 1833 u. 1845), Polybios (das. 1844, 2 Bde.), Cassius Dio (Leipz. 1849, 2 Bde.), Diodor (das. 1853–54, 4 Bde.; 3. Aufl. von Vogel, 1890 bis 1894), Appian (das. 1852–53, 2 Bde.), Josephus (das. 1855–56, 6 Bde.), Plutarchs Biographien (das. 1855–57, 5 Bde.); daran schließen sich die Rekognitionen des Mythographen Apollodor (das. 1584), des Romanschriftstellers Heliodor (das. 1855), des Satirikers Lukian (das. 1853, 2 Bde.); endlich hat er von dem durch die Berliner Akademie veranstalteten »Corpus scriptorum historiae Byzantinae« 25 Bände bearbeitet. Von den Philosophen lieferte er Rezensionen des Platon (Berl. 1816–23, 10 Bde.), Aristoteles (im Auftrage der Akademie Bd. 1–3, das. 1831; Bd. 4: »Scholia«, ist von Brandis, Bd. 5, »Indices«, von Bonitz) und Sextus Empiricus (das. 1842). Die »Oratores Attici« erschienen Oxford 1822–23 in 4 Bänden und Berlin 1823–24 in 5 Bänden. Von Schriften der Grammatiker und Rhetoren gab er heraus: »Anecdota graeca« (Berl. 1814–21, 3 Bde.), des Apollonios »De constructione orationis« (das. 1817), die Bibliothek des Photios (das. 1824–25, 2 Bde.), die Lexika des Harpokration und Möris (das. 1833), das Homerische Lexikon des Apollonios (das. 1833), das Onomastikon des Pollux (das. 1846); eine bloße Revision lieferte er von Suidas (das. 1854). Von lateinischen Autoren hat er nur Livius (Berl. 1829–38, 3 Bde.) und Tacitus (Leipz. 1831, 2 Bde.) herausgegeben. Dagegen war er wiederum in der romanischen Sprachkunde bahnbrechend. Doch hat er sich nur mit der Herausgabe unedierter Texte befaßt, die meist in den Schriften der Akademie erschienen. Vgl. Sauppe, Zur Erinnerung an Meineke und B. (Götting. 1872); Haupt, Gedächtnisrede auf Meineke und B. (»Hauptii Opuscula«, Bd. 3); C. I. Bekker, Zur Erinnerung an meinen Vater (»Preußische Jahrbücher«, Bd. 29, Berl. 1872).

4) Ernst Immanuel, Rechtsgelehrter, Sohn des vorigen, geb. 16. Aug. 1827 in Berlin, studierte daselbst und in Heidelberg und habilitierte sich nach einigen Jahren praktischer Tätigkeit 1853 in Halle, wurde dort 1855 zum außerordentlichen Professor ernannt und 1857 als ordentlicher Professor der Rechte nach Greifswald berufen. 1874 ging er als Nachfolger Windscheids nach Heidelberg. Er schrieb: »Die prozessualische Konsumption« (Berl. 1853); »Die Aktionen des römischen Privatrechts« (das. 1871–73, 2 Bde.); »Das Recht des Besitzes bei den Römern« (Leipz. 1880); »Über die Kouponsprozesse der österreichischen Eisenbahngesellschaften« (Weim. 1881); »System des heutigen Pandektenrechts« (das. 1886–89, 2 Bde.); »Ernst und Scherz in unsrer Wissenschaft« (Festgabe an R. v. Ihering, Leipz. 1892); »Recht muß Recht bleiben« (Heidelb. 1896). Er begründete mit Th. Muther das »Jahrbuch des gemeinen deutschen Rechts« (Leipz. 1857–63, 6 Bde.) und gab zusammen mit O. Fischer die »Beiträge zur Erläuterung und Beurteilung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Neich« (Berl. u. Leipz. 1888–90,18 Hefte) heraus. Auch war er eine Zeitlang Mitherausgeber der »Kritischen Vierteljahrschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft«.


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