Schiiten

Schiiten

Schiiten, mohammedan. Sekte, die im Gegensatz zu den Sunniten Ali, den Schwiegersohn des Propheten, als den rechtmäßigen Nachfolger Mohammeds anerkennt. Ursprünglich ist die schî'at'Ali, »die Gefolgschaft Alis«, nichts als die Gesamtheit der Anhänger Alis im Bürgerkriege gegen Moâwija I.; nach Alis Tod ist es die legitimistische Partei, welche die herrschende Dynastie der Omaijaden verwirft und den Nachkommen Alis das Recht auf das Kalifat zuspricht. Trotz aller Verfolgung seitens der Herrschenden wuchs die Schi'a, zu der sich insbes. zahlreiche Perser hielten, denen das ihnen widerwärtige Arabertum in der Omaijadendynastie verkörpert war. Daher wirkten die S. mit den Abbasiden zum Sturze der Omaijaden zusammen; als aber das Ziel erreicht war, sahen die Aliden sich von den Abbasiden, wie früher von den Omaijaden, auf die Seite gedrängt. Unter neuen Verfolgungen wuchsen die Gegensätze; es bildeten sich unter dem Einfluß ostpersisch-buddhistischer Strömungen immer extremere Gruppen, welche die Verehrung Alis dahin steigerten, daß sie in ihm, wie in den zu seiner Nachfolge berechtigten Abkömmlingen, nicht bloß die wahren Imâme (Religions- und Gemeindehäupter), sondern geradezu Inkarnationen der Gottheit sahen (s. Ismaëliten, Karmaten, Drusen, Nossairier). Andre blieben gemäßigter, ließen aber doch auch die Verehrung Alis und der Aliden gegenüber der des Propheten Mohammed immer mehr in den Vordergrund treten. Die hauptsächlichste dieser gemäßigten Parteien ist die der sogen. Zwölfer, die von Ali an gerechnet zwölf Imâme annahmen, deren letzter die Abbasiden stürzen sollte. Da dies um die entsprechende Zeit (etwa 870) nicht geschah, so entstand der Glaube, der zwölfte Imâm Mohammed sei auf übernatürliche Weise verschwunden, werde aber wiederkommen, das Reich auszurichten (s. Mahdi). Im ganzen weichen die Zwölfer vom sunnitischen Dogma hauptsächlich ab durch die Verwerfung der ersten Kalifen Abu Bekr, Omar und Othmân, durch die übertriebene Verehrung, die sie Ali und seinen Nachkommen, besonders seinen Söhnen Hassan und Hussein, widmen, durch das geringe Gewicht, das sie auf die Lehren von der Prädestination, den Eigenschaften Gottes u.a. legen, und durch eine Reihe von Besonderheiten im Ritual; dazu verwerfen sie die ganze Tradition der Sunniten, an deren Stelle sie eine überall angeblich durch Ali vermittelte, aber in Wahrheit gröblich verfälschte gesetzt haben. Tatsächlich ist die Lehre des Islams bei ihnen durch mystische, vielfach pantheistische Auffassung ihres ursprünglichen Sinnes beraubt, ja vielfach in ihr Gegenteil verkehrt, so wenig das offiziell aus Licht treten darf. Diese Umbiegung des Islams erklärt sich daraus, daß die S. meist Perser, weiterhin auch Inder sind, denen der semitische Gottesbegriff zu starr und trocken war. In Persien ist der Schiismus in der Form des Zwölfertums Staatsreligion seit dem ersten Sefewidenschah Ismaïl (1502, s. Persien), der von dem siebenten alidischen Imâm abzustammen behauptete. Eigentlich sind seit dem Sturze der Sefewiden durch Nâdir Schah (1736) die persischen Schahs in den Augen der schiitischen Theologen auch nicht legitim, sondern werden nur als vorläufige Vertreter der Imâme betrachtet. Außerhalb Persiens gibt es zahlreiche S. nur in Indien, doch finden sie sich auch in andern Ländern mehr vereinzelt vor, im ganzen etwa 10 Millionen, gegen das etwa Vierundzwanzigfache der Sunniten. Vgl. Querry, Recueil de lois concernant les Musulmans schyites (Par. 1871–72, 2 Bde.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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