Salomon und Markolf

Salomon und Markolf

Salomon und Markolf, mittelalterliche Sage von König Salomon und seinem Widersacher, hervorgegangen aus altjüdischen Überlieferungen von Salomon und dem Dämonenfürsten Aschmedai. Es sind zwei verschiedene Traditionen zu unterscheiden. Nach der einen mißt sich der Dämon mit Salomons Weisheit im Redestreit. Ihr entstammen schon im 9. Jahrh. die angelsächsischen Gedichte von Salomon und Saturn (vgl. A. v. Vincenti, Die altenglischen Dialoge von Salomon und Saturn, Leipz. 1904). In Deutschland, wo solche Gespräche zuerst im 10. Jahrh. von Notker erwähnt werden, und in Frankreich hat Salomons Gegner den Namen Marcolfus, Morolf, Marcoul, den man auf den jüdischen Dämonennamen Marcolis (entstanden aus Mercurius) zurückführt. Von diesen Gesprächen, in denen Markolf die weisen Sprüche seines Gegners mit Trivialitäten und Zynismen übertrumpft, wurde eine lateinische Prosa in Handschriften und Drucken weit verbreitet; aus ihr flossen in Deutschland im 14. Jahrh. ein Gedicht in mittelfränkischer Mundart (gedruckt inv. d. Hagens »Deutschen Gedichten des Mittelalters«, Bd. 1, Berl. 1808), im 15. Jahrh. eine gereimte Übertragung von dem Bayern Gregor Hayden (gedruckt in dem »Narrenbuch«, hrsg. von Bobertag in Kürschners »Deutscher National-Literatur«), verschiedene dramatische Bearbeitungen und eine Prosaübersetzung, die bis ins 19. Jahrh. als Volksbuch gedruckt wurde. Auch ins Dänische und Polnische wurde der lateinische Text übersetzt; im italienischen Volksbuch »Bertoldo« (s. d.) wurde er frei ausgestaltet. Eine einseitige Wendung ins Sexuelle hat das Gespräch in dem altfranzösischen Gedicht »Salemon et Marcoul« erhalten (Ausgabe bei Crapelet »Proverbes et dictons populaires«, Par. 1831). Die zweite Tradition ist eine romanhafte Entführungsgeschichte. Zugrunde liegt der biblische Bericht von der Tochter des Pharao, die Salomon zum Abfall von Gott veranlaßte (1. Könige, Kap. 3), und eine jüdische Sage, nach welcher der Dämon Aschmedai eine Zeitlang Salomons Gestalt annahm und sich seines Thrones und seiner Frauen bemächtigte, während der König als Bettler umherirrte. Die romanhafte Ausgestaltung erfolgte in Byzanz, wo der Dämon, der Salomons Gattin raubt, den Namen Kentauros erhielt und zu Salomons Bruder gemacht wurde. Diese byzantinische Sage lebt noch jetzt in russischen Volksliedern von Salomon und Kitovras fort, während sie in Deutschland im Ausgang des 12. Jahrh. von einem Spielmann zu einem strophischen Epos verarbeitet wurde, das erzählt, wie dem König Salman seine heidnische Gemahlin Salme einmal von dem Heidenkönig Fore, ein zweites Mal von König Princian entführt, beidemal aber durch seinen listigen Bruder Morolf wiedergewonnen wird (kritisch herausgegeben mit einer Untersuchung über die Sage von F. Vogt: »Salman und Morolf«, Halle 1880); vgl. auch Tardel, Untersuchungen zur mittelhochdeutschen Spielmannspoesie (Schwer. 1894).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Salman und Morolf — Federzeichnung aus Ms. Quart germ. 13 Salman und Morolf ist der Titel einer mittelhochdeutschen strophischen Erzählung, die zur Gruppe der so genannten Spielmannsepen gerechnet wird. Obwohl die Überlieferung erst im letzten Drittel des 15.… …   Deutsch Wikipedia

  • Salman und Morolf — Salman und Morolf, s. Salomon und Markolf …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Codex Palatinus Germanicus — Als Codex Palatinus Germanicus (Abkürzung: Cod. Pal. germ. oder cpg) bezeichnet man jede deutschsprachige Handschrift aus der ehemaligen Bibliotheca Palatina in Heidelberg. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden die Handschriften und Drucke… …   Deutsch Wikipedia

  • Vogt [2] — Vogt, 1) Karl, Naturforscher, geb. 5. Juli 1817 in Gießen, gest. 5. Mai 1895 in Genf, studierte seit 1833 in Gießen Medizin, arbeitete in Liebigs Laboratorium und machte seit 1835 in Bern anatomische und physiologische Studien. Seit 1839… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Neithart Fuchs — Umschlag des Buches Neithart Fuchs Neithart Fuchs ist der Titel eines spätmittelalterlichen Schwankbuchs des gleichnamigen Verfassers. Es erschien zwischen 1491 und 1566 in drei süddeutschen Druckausgaben mit Holzschnitten. Das Schwankbuch… …   Deutsch Wikipedia

  • Spielmannsdichtung — Spielmannsdichtung, altdeutsche Dichtung, herrührend von wandernden Volkssängern, die ihre ganze Darstellung auf ein geistig nicht hochstehendes Publikum berechnen (s. Fahrende Leute). Sie lieben abenteuerliche Stoffe; die Komposition ihrer… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Bertoldo — Bertoldo, ital. Volksbuch, dessen gleichnamiger Held, ein verkrüppeltes Bäuerlein, zu Verona am Hof des Königs Alboin allerlei Schwänke treibt, eine Bearbeitung des uralten Volksbuches von Salomon und Markolf. Eine Fortsetzung bildet »B. con… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Hans Folz — (c. 1437–January 1513) was a notable medieval German author.Made a citizen of the city of Nürnberg, Germany in 1459 and master barber of the city in 1486, Folz was a reformer of the meistersangs, adding 27 new tones to those that had been allowed …   Wikipedia

  • Hans Folz — Hans Folz. Hans Folz (circa. 1437–enero 1513) fue un notable autor alemán medieval. Folz nació en Worms. Se convirtió en ciudadano de Núremberg en 1459 y maestro barbero de la ciudad en 1486. Folz fue un reformador de los maestros cantores,… …   Wikipedia Español

  • Deutsche Literatur — Deutsche Literatur. I. Obgleich sich die Reihe der Literaturdenkmale bei den Völkern deutscher Zunge nur bis in die Zeit der Völkerwanderung od. die zweite Hälfte des 4. Jahrh. zurückverfolgen läßt, so ist doch außer Zweifel gestellt, daß die… …   Pierer's Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”